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Zugang zum Lernort - Pro Beruf: Jugendsozialarbeit im Übergang Schule - Beruf

Von Bettina Heeren


"Dann werde ich eben Kfz-Mechaniker!!" – so begann und endete zunächst für Özcan (16 Jahre) in der 9. Klasse der Hauptschule die Auseinandersetzung mit seiner beruflichen Karriere. Und: "Bloß keine Schule mehr!"

Fast 35% aller Auszubildenden haben sich im vergangenen Jahr für eine Ausbildung in nur 10 Berufen entschieden. Dagegen gelten viele der inzwischen mehr als 350 (!) anerkannten Ausbildungsberufe bei den Jugendlichen als unattraktiv oder sind gänzlich unbekannt. Wer hat denn mit 16 Jahren schon mal vom Technischen Konfektionär oder vom Drahtwarenmacher gehört? Wer denkt bei Gebäudereiniger nicht als erstes an Putzfrauen oder bei Bäcker nur ans frühe Aufstehen?

Betriebe, die Ausbildungsplätze in diesen u.ä. Berufen anbieten, haben nicht selten Schwierigkeiten, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Manche Betriebe haben aber auch aus unterschiedlichen Gründen Vorbehalte gegen bestimmte Bewerber, z.B. gegen Ausländer/-innen, gegen Jugendliche aus bestimmten Stadtteilen, gegen Mädchen, die sich für "Männerberufe" interessieren.

Auch für Aussiedler/-innen mit Sprachdefiziten, für Jugendliche mit schlechtem oder gar keinem Schulabschluss, für Jugendliche, die nur langsam lernen etc., liegt eine Ausbildung in einem der "Modeberufe" (wenn nicht gar die Chance, überhaupt eine Ausbildung zu machen) in unerreichbarer Ferne.

Diese Jugendlichen gehören zur Zielgruppe der Jugendsozialarbeit, hier setzt die Arbeit von Pro Beruf an.

Ziel ist es, sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten Jugendlichen einen Zugang zu Betrieben als Lernort für Praktika und Ausbildung zu ermöglichen.

Pro Beruf hat dabei folgende Aufgaben:

  • Erweiterung des Berufswahlspektrums benachteiligter Jugendlicher

  • Erschließung des "Lernortes Betrieb" für Schulpraktika und Ausbildung benachteiligter Jugendlicher

  • Beratung und sozialpädagogische Begleitung benachteiligter Jugendlicher im Übergang Schule-Beruf

  • Beratung und sozialpädagogische Begleitung benachteiligter Jugendlicher während der Ausbildung.

Dabei gilt es, einerseits Jugendliche, die keine oder nur geringe Chancen haben, einen der gefragteren Ausbildungsplätze zu bekommen, auf unbekannte und (vermeintlich) unattraktive Berufe zu orientieren und diese Jugendlichen zu motivieren, eine Ausbildung in einem solchen Beruf anzustreben.

Andererseits sollen Betriebe, die Ausbildungsplätze nicht besetzen (können), motiviert werden, auch benachteiligte Jugendliche als Auszubildende in Betracht zu ziehen.

Pro Beruf arbeitet dabei mit zwei Hauptschulen, einer Sonderschule für Lernhilfe, einer Integrierten Gesamtschule und einer Jugendhilfeeinrichtung zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses in einem sozialen Brennpunkt-Stadtteil sowie mit dem Arbeitsamt und dem Amt für Jugend und Familie in Hannover zusammen.

Pro Beruf unterstützt und begleitet Jugendliche aus Abgangsklassen, bei denen Schwierigkeiten beim Übergang Schule-Beruf zu erwarten sind. Gründe sind z.B. schlechte Zeugnisnoten, berufliche Orientierungslosigkeit, Antriebsarmut, Schulmüdigkeit, Schulverweigerung etc. Die Aktivitäten finden in Absprache und enger Zusammenarbeit mit den Klassenlehrer/-innen, der Berufsberatung und Betrieben statt. Wenn möglich, werden die Eltern in den Begleitungsprozess einbezogen.

Auf diese Weise gelingt es, Jugendlichen, die sonst aus verschiedenen Gründen nicht einmal in die Nähe eines Ausbildungsplatzes gekommen wären, die Tür zum "Lernort Betrieb" und damit die Chance auf eine Ausbildung zu öffnen.

So ging es auch Özcan. Mit einem schlechten Zeugnis der Hauptschule und wenig bis gar keinen Vorstellungen über seine beruflichen Wünsche kam er im Mai 1998 zu Pro Beruf. Seine Eltern sprechen kein Deutsch, das duale Ausbildungssystem ist ihnen gänzlich fremd, sie konnten Özcan nicht helfen.

Gemeinsam mit Pro Beruf fand er heraus, dass seine Stärken im handwerklich-kreativen Bereich liegt. Ein von Pro Beruf vermitteltes Praktikum als Steinmetz in einem kleinen Handwerksbetrieb mündete in eine Ausbildung. Inzwischen befindet sich Özcan im 2. Ausbildungsjahr, seine schulischen Defizite werden durch ausbildungsbegleitende Hilfen aufgearbeitet. So ist Pro Beruf in regelmäßigem Kontakt mit Betrieb und Familie und greift bei Problemen unterstützend ein.

Bettina Heeren, Sozialpädagogin im Projekt "Pro Beruf" der Sozialen Gruppeninitiative e.V., Hannover


Pro Beruf

  • setzt sich mit jedem einzelnen Jugendlichen intensiv über seine/ihre Stärken und Schwächen im Zusammenhang mit der Berufswahl auseinander;

  • verschafft den Jugendlichen Zugang zu Informationen über Ausbildungsberufe u.a. berufliche Perspektiven, die zu ihren Fähigkeiten passen;

  • motiviert die Jugendlichen, die Berufsberatung zu nutzen und ihre Beratungstermine wahrzunehmen;

  • begleitet sie zur Berufsberatung und unterstützt sie bei der Umsetzung der Beratungsergebnisse;

  • akquiriert Betriebe, in denen Jugendliche Praktika absolvieren und bezüglich ihrer Eignung für einen Beruf beobachtet werden;

  • begleitet die Jugendlichen während Schul- und weiterer Praktika. Aus den gewonnenen Informationen über fachliche und soziale Eignung wird eine gezielte Berufswahlvorbereitung abgeleitet. Gleichzeitig bietet sich die Chance, gegenseitige Vorurteile abzubauen und Ausbildungsverhältnisse anzubahnen;

  • arbeitet mit den Jugendlichen an der Verbesserung ihrer sozialen Kompetenzen und den sogenannten Schlüsselqualifikationen;

  • führt Bewerbungstrainings durch;

  • betreut und kontrolliert die Bewerbungsaktivitäten der Jugendlichen;

  • begleitet sie auch während der Ausbildung – erörtert werden sowohl betriebliche und schulische als auch persönliche und häusliche Probleme, die die Ausbildung gefährden (können).

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