Rede des Niedersächsischen Gesundheitsministers Dr. Andreas Philippi
Sitzung des Bundesrates am 19.12.2025, TOP 42
„Menschen mit psychischen Erkrankungen schützen, Gefahrenpotenziale erkennen durch bundesweiten Austausch“
– Es gilt das gesprochene Wort –
„Vor dem Hintergrund wiederholter Angriffe auf unbeteiligte Dritte durch Menschen mit einer psychischen Erkrankung hat diese Bundesratsinitiative das Ziel, Maßnahmen zur Verhinderung solcher Vorfälle zu ergreifen.
Fremdgefährdung, die im Rahmen einer psychischen Erkrankung erfolgt, kann nur vorgebeugt werden, wenn den betroffenen Menschen mit einer psychischen Erkrankung geholfen wird.
Hierbei sind zweierlei Maßnahmen essentiell:
1. Zunächst ein ressortübergreifender Datenaustausch: Fremdgefährdung im Rahmen einer psychischen Erkrankung entsteht immer auch vor dem Hintergrund komplexer Problemlagen.
Ein Informations- und Datenaustausch zwischen verschiedenen Ressorts, der psychiatrischen Versorgung, den Kommunen, den Sicherheitsbehörden und weiteren Stellen wie Eingliederungshilfe, Suchthilfe, Aufnahmebehörde muss daher in definierten Risikofällen möglich sein. Die hier relevanten Daten sind jedoch medizinische Daten. Diese unterliegen einem besonderen Datenschutz.
Jedes Bundesland hat die Möglichkeit in seinen eigenen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzen Regelungen zu finden, wie ein ressortübergreifender Datenaustausch bei Fremdgefährdung durch Menschen mit einer psychischen Erkrankung erfolgen kann.
Wir würden uns aber eine bundesweite Regelung wünschen. Zum einen, weil dies mehr Rechtssicherheit bietet und bundeseinheitliche Standards setzt, zum anderen, weil Menschen mit psychischen Erkrankungen und Fremdgefährdungsrisiko natürlich auch über Bundeslandgrenzen hinaus unterwegs sind.
2. Die zweite und vielleicht wichtigste Maßnahme – weil sie präventiv wirkt – ist die nachhaltige Versorgungsverbesserung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen:
Der Aufbau von Versorgungsstrukturen in den letzten 20 Jahren hatte fast ausschließlich Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angsterkrankungen und psychosomatischen Leiden im Fokus. Gleichzeitig hat sich das Netz der Versorgung für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, wie schweren Psychosen, ausgedünnt.
Hinzu kommt, dass - trotz vorhandener Evidenz - moderne und effektive Versorgungsstrukturen für diese Gruppe der Schwersterkrankten, wie multiprofessionelle aufsuchende Teams, in Deutschland quasi nicht existent sind. Dies ist in europäischen Nachbarländern, wie z.B. in den Niederlanden anders, wo aufsuchende multiprofessionelle Teams seit Jahren zum selbstverständlichen Standard gehören.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit wurden in einem über mehr als fünf Jahre andauernden Dialogprozess und unter Einbindung aller relevanten Akteure konkrete Empfehlungen erarbeitet wie die Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen nachhaltig verbessert werden kann.
Dieser Dialog zur Weiterentwicklung der Hilfen für psychisch erkrankte Menschen hat nicht nur Empfehlungen ausgearbeitet, sondern unterbreitet konkrete Vorschläge, welche Paragraphen des SGB V angepasst werden müssen, um die dringend benötigten Reformen umsetzen zu können. Es liegen also ausgearbeitete und mit der Fachwelt abgestimmte konkrete Reformvorschläge vor.
Die durch eine psychische Erkrankung motivierten Angriffe des letzten Jahres müssen wir ernst nehmen. Sie sollten uns Anlass sein, grundlegende Reformen bei der ressortübergreifenden Zusammenarbeit und vor allem in der Versorgung für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen anzugehen. Nur so können wir weiterer Gewalt im Rahmen von psychischen Erkrankungen vorbeugen.
Ich freue mich auf die Beratungen in den Fachausschüssen und bitte schon jetzt um Unterstützung für unsere Initiative.
Vielen Dank.“
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.12.2025
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