Gesundheitsminister Philippi warnt vor Bevorratung mit Medikamenten: „Unsolidarische Hamsterkäufe begünstigen Lieferengpässe und gefährden Patientinnen und Patienten“
Der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi zeigt sich irritiert von den Empfehlungen des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, der vor Lieferengpässen von Medikamenten warnt und insbesondere Eltern zu einer Bevorratung aufruft:
„Derzeit bestehen keine Lieferengpässe bei Fiebersäften für Kinder. Die Empfehlung nach Bevorratung durch den Landesapothekerverband sehe ich vor diesem Hintergrund sehr kritisch. Auf den ersten Blick erscheint diese Empfehlung pragmatisch, sie kann jedoch sehr schnell problematische Nebenwirkungen entfalten: Sie kann Panik in der Bevölkerung auslösen und zu unsolidarischen Hamsterkäufen führen. Dadurch können Lieferengpässe begünstigt oder verschärft werden und somit zusätzlich andere Patientinnen und Patienten gefährdet werden. Eine Haushaltsapotheke in angemessenen Mengen ist generell sehr ratsam und insbesondere Eltern zu empfehlen. Die zitierten Aussagen suggerieren jedoch, dass das Bevorraten größerer Mengen Arzneimittel für den Winter notwendig sei, obwohl es derzeit hierzu keinen Anlass gibt.
Wichtig ist vor allen Dingen den Bürgerinnen und Bürgern nochmal deutlich zu machen: Lieferengpass und Versorgungsmangel sind voneinander abzugrenzen. Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann. Oftmals können diese Lieferengpässe durch alternative Arzneimittel, die zur Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen, kompensiert werden. Bei einem Versorgungsmangel ist ein Arzneimittel nicht nur nicht verfügbar, sondern es steht auch kein vergleichbares Arzneimittel ersatzweise zur Verfügung. Durch die Aussagen des Landesapothekerverbandes wird ein Versorgungsmangel der Bevölkerung suggeriert – davon sind wir jedoch weit entfernt.“
Hintergrund:
In der Lieferengpassdatenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen derzeit (Stand 02.12.2025) 569 Meldungen zu offenen Lieferengpässen (zusätzlich 1 Lieferengpass zu Impfstoffen in Zuständigkeit des Paul-Ehrlich-Instituts) vor. Die gemeldeten Engpässe betreffen laut BfArM derzeit einen Marktanteil von ca. 1,1%, was einer aktuell grundsätzlich stabilen Versorgung entspricht.
Arzneimittelliefer- und Versorgungsengpässe gehen auf ein vielschichtiges und komplexes Ursachengeflecht zurück. Aus v.a. wirtschaftlichen Gründen hat sich die Produktion von Wirkstoffen und Zwischenprodukten in hohem Umfang in Länder mit niedrigeren Produktionskosten – z.B. China oder Indien – verlagert und häufig auf wenige Hersteller konzentriert. Um die Verfügbarkeit von Arzneimitteln zu erhöhen, wurde mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) im Juli 2023 ein Maßnahmenkatalog beschlossen, welcher die Versorgungslage kurzfristig sichern und längerfristig verbessern soll. Dazu gehören unter anderem eine höhere Vergütung von Kinderarzneimitteln und versorgungskritische Arzneimittel, die Etablierung eines Frühwarnsystems für Lieferengpässe beim BfArM sowie die Erleichterung der Austauschbarkeit verschriebener, wirkstoffgleicher Arzneimittel in der Apotheke. Zudem werden zur Diversifizierung von Lieferketten Hersteller von Antibiotika und bestimmten patentfreien Onkologika mit vollständiger oder überwiegender Wirkstoffproduktion innerhalb der EU besonders bei der Vergabe von Rabattverträgen berücksichtigt.
Im Dezember 2023 hat das Bundeskabinett zudem eine nationale Pharmastrategie beschlossen, durch welche Deutschland als Forschungs- und Produktionsstandort für die Pharmabranche wieder attraktiver werden soll. Mit verschiedenen Maßnahmen sollen u. a. die Rahmenbedingungen für die Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln verbessert, Anreize für die Ansiedlung von Produktionsstätten in Deutschland gesetzt und Innovationsprojekte der Pharmaindustrie gefördert werden. Diese Nationale Pharmastrategie wurde in Teilen durch das im Juli 2024 vom Bundestag beschlossene Medizinforschungsgesetz umgesetzt, durch welches die Rahmenbedingungen für Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland verbessert und Forschungsanreize gesetzt werden sollen.
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erstellt am:
02.12.2025

