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Niedersächsischer Pflegekongress - Pflegekräfte und Angehörige müssen gestärkt werden

"Wir müssen Pflege neu denken"



Mehr als 200 Gäste aus allen Bereichen des Pflegesektors haben heute beim Pflegekongress des Landes Niedersachsen neue Ansichten und Ideen für die „Pflege der Zukunft“ entwickelt. Ministerpräsident Stephan Weil und Sozialministerin Cornelia Rundt hatten die Konferenz zusammen mit Landrat Olaf Levonen im Hildesheimer Kreishaus eröffnet. Ministerpräsident Stephan Weil betonte die große Bedeutung einer hochwertigen und wohnortnahen Pflege für die Menschen in Niedersachsen und verwies auf die politischen Maßnahmen der Landesregierung zur Stärkung der Pflegekräfte. "Die Pflege steht vor einer zentralen Herausforderung, und zwar der Fachkräftesicherung", sagte Weil: "Der Pflegeberuf muss noch attraktiver werden, ein angemessenes Entgelt und eine damit verbundene angemessene Anerkennung sind die Voraussetzung. Die Landesregierung wird bei diesem Thema hartnäckig bleiben."

Ministerin Cornelia Rundt rief dazu auf, Pflegekräfte in Niedersachsen besser zu bezahlen, es würden leider immer noch nicht von allen stationären und ambulanten Anbietern Tariflöhne gezahlt. „Vergleicht man die niedersächsischen Durchschnittslöhne in der Altenpflege mit denen anderer Bundesländer, zeigt sich: In Niedersachsen verdienen sowohl Fachkräfte als auch Hilfskräfte weniger als in fast allen anderen Bundesländern“, so Rundt. Anbieter und Pflegekassen müssten sich in Zukunft auf höhere Pflegesätze für Niedersachsen einigen, um durch angemessene Bezahlung und deren vollständige Refinanzierung einen Fachkräftemangel zu verhindern. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege seien nur erfolgversprechend, wenn die so wichtige Arbeit in der Pflege auch angemessen bezahlt werde, so die Ministerin: „Die Personalkosten müssen vollständig auf tariflicher Basis durch die Pflegekassen als Kostenträger refinanziert werden.“

Die letzte amtliche Pflegestatistik macht deutlich, dass ein starker Handlungsbedarf besteht. So hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Niedersachsen von 2005 bis 2015 um knapp 40 % auf rund 318.000 erhöht. Bis 2030 ist mit rund 380.000 Pflegebedürftigen zu rechnen. Zwar hat sich auch die Zahl der in niedersächsischen Pflegeeinrichtungen beschäftigten Personen in diesem Zeitraum um ca. 45 % auf 121.000 erhöht, allerdings wird dieser Personalzuwachs bei weitem noch nicht ausreichen, um auch zukünftig eine gute und auskömmliche Pflege sicherzustellen. Deshalb hat die Landesregierung viele Maßnahmen ergriffen, um eine flächendeckende, gute und menschenwürdige Versorgung der pflegebedürftigen Mitbürgerinnen und Mitbürger sicherzustellen (siehe Übersicht unten).

Mit Blick auf das Ziel, ausreichend junge Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen und sie auch langfristig im Beruf halten zu können, begrüßte Ministerin Cornelia Rundt grundsätzlich die Einführung einer gemeinsamen Ausbildung für die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege, ist jedoch enttäuscht, dass der Bund auf der Zielgeraden leider noch zu einem politischen Kompromiss gezwungen worden sei. „Bei einer vollständig generalistischen Ausbildung für die Pflegeberufe würde es künftig kein Argument mehr für eine unterschiedliche Bezahlung geben; denn im Moment verdienen die Fachkräfte in der Altenpflege in Niedersachsen im Vergleich zu denen der Krankenpflege immer noch fast 27 Prozent weniger – das ist ein unhaltbarer Zustand!“, sagte die Ministerin. Eine flächendeckende Versorgung beiguter Qualität könnten in der Pflegebranche nur diejenigen bieten, die ausreichend qualifizierte und motivierte Pflegekräfte zur Verfügung hätten. Die gesetzliche Absicherung der Schulgeldfreiheit an den Altenpflegeschulen in Niedersachsen sei ein weiterer wichtiger Schritt der Landesregierung, um Nachwuchskräfte für den Beruf zu gewinnen; das Land setzt dafür Fördergelder in Höhe von aktuell 7,75 Mio. Euro ein – „gut angelegtes Geld, wie die kontinuierlich steigenden Schülerzahlen belegen“.

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt begrüßte in Ihrer Rede vor dem Pflegekongress die Tatsache, dass sich Arbeitgeberverbände gemeinsam mit ver.di auf den Weg gemacht haben, um einen niedersachsenweiten Tarifvertrag Sozialeszu erarbeiten; sie sagte für diesen Prozess ihre Unterstützung insbesondere für die Erlangung einer Allgemeinverbindlichkeit zu. Die von der Landesregierung initiierte Gründung einer Pflegekammer in Niedersachsen sei ein weiterer wichtiger Baustein, um rund 70.000 niedersächsischen Pflegefachkräften endlich eine starken Stimme zu geben und sie zu einem wichtigen „Player“ im Gesundheitswesen zu machen. Denn neben einer angemessenen Bezahlung sind auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz von großer Bedeutung, um die Pflegekräfte im Job zu halten. „Die Pflege im Minutentakt wird weder den Pflegekräften noch den Pflegebedürftigen gerecht“, sagte Rundt, die sich u.a. dafür eingesetzt hat, dass Personaluntergrenzen eingeführt werden in Krankenhausbereichen wie Intensivstationen, in denen die Patientensicherheit besonders im Vordergrund steht – diese hat die Bundesregierung vergangenen Monat beschlossen. „Personaluntergrenzen kommen sowohl den Patientinnen und Patienten als auch den Pflegekräften zugute“, so Rundt, allerdings dürften die „Untergrenzen“ nicht als Standardniveau angesehen werden. Das Land setzt sich in Verhandlungen für deutliche Verbesserungen der personellen Ausstattung ein, die bisherigen Personalschlüssel in Niedersachsen sollen angehoben und in einem Rahmenvertrag festgeschrieben werden. Außerdem setzt sich Ministerin Rundt für eine Reduzierung der überbordenden Dokumentationspflichten für Pflegekräfte ein, denn die entsprechende Zeit fehlt in der Pflege am Menschen. Niedersachsen hat die Umsetzung des Bundesprojekts zur Implementierung eines neuen Pflegedokumentationssystems aktiv begleitet. Cornelia Rundt: „Die Rückmeldungen aus den rund 1.200 teilnehmenden Einrichtungen und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Prüfinstanzen belegen: Das neue Pflegedokumentationssystem ist in der Praxis erfolgreich. Pflegekräfte werden entlastet und mehr noch, sie fühlen sich wieder in ihrer Fachlichkeit wahrgenommen.“

Zum Abschluss appellierte die Ministerin beim Pflegekongress an alle Beteiligten, nicht die Angehörigen von Pflegebedürftigen aus den Augen zu verlieren, auch sie verdienten eine „faire Entlohnung“: „Bisher können sich Angehörige oft nur mit hohen finanziellen Einbußen für einen begrenzen Zeitraum um die zu pflegende Person kümmern. Das ist ungerecht und unsolidarisch. Wie Kinderbetreuung sehe ich die häusliche Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Warum nicht ähnlich wie beim Elterngeld ein Pflegegeld gewähren? Das schafft Sicherheit.“ Ein Fazit des Pflegekongresses: Trotz all der bereits ergriffenen Maßnahmen besteht weiter akuter Handlungsbedarf, will man den jetzt schon drohenden Fachkräftemangel stoppen. Der Pflegekongress spürte mit Hilfe von Expertinnen und Experten sowie den interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Entwicklungsmöglichkeiten in der Pflege auf. „Ein ‚Weiter wie bisher!‘ wird nicht funktionieren“, sagte Sozialministerin Cornelia Rundt, „wir müssen das Thema Pflege neu denken, und insbesondere Vergütungs- und Finanzierungsfragen angemessen lösen.“

Übersicht über einige pflegepolitische Maßnahmen in Niedersachsen:

Pflegekammer

Rund 70.000 niedersächsische Pflegefachkräfte aus allen Bereichen erhalten eine berufsständische Vertretung und damit eine starke Stimme. Seit Ende März 2017 arbeitet der Errichtungsausschuss der Pflegekammer daran, die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen für die Arbeit der Pflegekammer zu schaffen und – voraussichtlich im März 2018 – die Wahlen für die Kammerversammlung durchzuführen.

Altenpflegeausbildung

Um mehr junge Menschen für die Ausbildung in einem Pflegeberuf zu gewinnen, hat das Land gesetzlich geregelt, dass Auszubildende in der Altenpflege kein Schulgeld zahlen. Außerdem wurden Anreize dafür geschaffen, dass Pflegeeinrichtungen mehr Ausbildungsplätze bereitstellen. Daher werden ab 2018 alle Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste an den Kosten der Ausbildung in der Altenpflege beteiligt – unabhängig davon, ob sie selber ausbilden oder nicht.

Neues Heimgesetz

Mit dem Inkrafttreten des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen wurde außerdem die Gründung ambulant betreuter Wohngemeinschaften vereinfacht.

Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum

Eine besondere Herausforderung in einem Flächenland ist die Sicherstellung der Pflege. Daher hat die Landesregierung ein groß angelegtes Förderprogramm zur Stärkung der ambulanten Pflege in den ländlichen Räumen auf den Weg gebracht, das mit jährlich 6 Mio. Euro ausgestattet ist.


Wohnen und Pflege im Alter

Im Pflegefall wollen die Deutschen am liebsten in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Daher werden mit diesem Förderprogramm modellhafte regionale Projekte gefördert, die insbesondere im ländlichen Raum ein weitgehend selbständiges Leben älterer Menschen im häuslichen Wohnumfeld auch bei Hochaltrigkeit und Pflegebedürftigkeit ermöglichen. Im Haushalt des MS stehen hierfür jährlich 1.000.000 € bereit.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
08.05.2017

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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