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Gabriela Ochoa-Assing: Vorbeugen ist besser als kitten

Die Chancengleichheit ausländischer MigrantInnen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist immer noch ein Thema für sich.

Dies hängt auch mit den Problemen zusammen, die sich häufig bei ihrem Schulbesuch zeigen. Dabei sind die immer noch vorhandenen Sprachschwierigkeiten, fehlende Abschlüsse sowie eine nur geringe Motivation, nochmals zu lernen, nur einige der Hemmnisse.

Hier setzt die präventive Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Aurich, im Rahmen des Projektes INTEGRA 2001 an: es geht um die Verbesserung der Integrationschancen insbesondere von jugendlichen MigrantInnen. Dabei stehen die Vermittlung von Ausbildungsverhältnissen sowie die Stärkung der schulischen Leistungen im Vordergrund. Ein besonderes Gewicht liegt auf der Präventivarbeit in den Bereichen Schule und Erwerb von schulischen Abschlüssen.

Die Situation in den Schulen

Natürlich gibt es an fast allen Schulen engagierte Lehrkräfte, die sich sehr bemühen, ausländische Kinder zu integrieren. Viele fühlen sich dabei jedoch als Einzelkämpfer, denn die Schulen haben sich interkulturell noch nicht ausreichend geöffnet. So ist die Schule z.B. nur bereit, die "gängigen" Sprachen als förderwürdig zu akzeptieren.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Anzahl der Förderstunden Deutsch im Laufe der Jahre immer weiter zurückgeschraubt wurde. Zudem wird der Förderunterricht nicht durch FachlehrerInnen unterrichtet, die über eine Zusatzausbildung "Deutsch als Fremdsprache" verfügen. Und: nur ganz wenige Schulen bieten muttersprachlichen Unterricht an. In der Stadt Aurich gibt es z.B. nur eine Schule. Schließlich muss auch gesehen werden, dass die Schulen insgesamt nur wenig Wissen über die soziale Situation von Kindern ausländischer Herkunft haben.

Die Eltern

Ausländische Kinder scheitern aber auch an der fehlenden Unterstützung durch ihre Eltern. Zwar wächst deren Interesse an der Schule mit der Aufenthaltsdauer – hier gilt: die Verfestigung des Aufenthaltstitels schärft den Blick für die Zukunft und die Schulkarriere des Kindes –, aber leider oft erst zu spät. Außerdem haben viele Eltern gar keinen Deutschkurs besucht oder besuchen können, weil ihr Aufenthaltstitel das gar nicht vorsah. Eltern haben auch Angst, ihren Kindern zu schaden, wenn offensichtlich wird, dass sie gar kein oder nur "schlechtes" Deutsch sprechen. Niemand möchte bei den LehrerInnen diesen Eindruck hinterlassen. Deshalb bleiben sie Elternabenden in der Schule eher fern und haben wenig Kontakt zu den Lehrkräften. Eltern aber, die sich überwinden und die Elternabende besuchen, können häufig nicht verstehen, worüber gesprochen wird. Und von der Entwicklung einer bildhaften Sprache – nicht nur für ausländische Mütter und Väter – sind wir weit entfernt.

Ein weiteres Problem: Insbesondere Mütter sind oft Analphabetinnen und können ihren Kindern bei den Schularbeiten nicht behilflich sein. Einrichtungen der Hausaufgabenhilfe, die nicht-kommerziell orientiert sind, fehlen. Zu fragen bliebe auch, ob die Eltern die Verantwortung für die Hausaufgabenhilfe überhaupt weggeben sollten.

Unsere Arbeit

In all diesen genannten Bereichen setzt unsere präventive Arbeit an. Denn es ist wichtiger und auch erfolgsversprechender, während der Schulzeit der Kinder und Jugendlichen zu intervenieren, als danach. Sonst müsste der ganze Katalog von Maßnahmen laufen, um nachträglich zu kitten, was vorher nicht erreicht worden ist. Wer jedoch frühzeitig den Verlauf ändert und gerade die jüngere Generation dabei unterstützt, die Schule erfolgreich abzuschließen, wird den größten Erfolg erzielen.

Dabei beginnt Prävention für mich in den Grundschulen. Hier sollte der Arbeitsschwerpunkt eindeutig darauf liegen, unnötige Sonderschulzuweisungen von Kindern ausländischer Herkunft zu vermeiden. Als zweiter Schwerpunkt hat sich die Einbindung der Eltern in die Schule und ihre Mitarbeit herauskristallisiert. Im Landkreis Aurich sind rund 86 verschiedene Nationalitäten vertreten, viele der hier lebenden Ausländer sind als Flüchtlinge gekommen.

Bei den Kindern, die z.B. Kurdisch, Türkisch oder Serbo-Kroatisch sprechen, wird die Muttersprache als Hindernis zum Erlernen der deutschen Sprache angesehen. Sie erfährt somit von der Schule selten eine Aufwertung. Anders bei Kindern und Jugendlichen aus Ländern wie Spanien, Frankreich, England oder den Niederlanden – ihre Muttersprache wird von LehrerInnen als Bereicherung empfunden. Aus diesen Gründen fühlen sich viele Kinder nicht angenommen. Aber gerade in den Grundschuljahren sollten die Lehrkräfte besonders den Jüngeren das Gefühl des Angenommenseins vermitteln, damit sie Freude am Lernen haben.

Hier nun sehe ich mich als Mittlerin und Bindeglied zwischen Lehrkräften, Eltern und Kindern und möchte Ansprechpartnerin bei Fragen zur interkulturellen Öffnung der Schulen sein. Erfreulicherweise sehen mich gerade die Eltern als eine Vertrauensperson und Vermittlerin von Wissen z. B. bei Veranstaltungen zum Schulsystem, Begleitung bei bevorstehenden Sonderschulüberprüfungen, bei Fragen zum schulischen Alltag und bei der Durchführung von Deutschkursen.

Außerdem werden Jugendliche weitervermittelt und bei der Suche nach Arbeit oder Ausbildungsplätzen begleitet.

Unser Projekt ist vernetzt und arbeitet mit der Flüchtlingsberatung, der Kreisvolkshochschule Aurich, der örtlichen RAN-Stelle, der LEB sowie mit dem Regionalen pädagogischen Zentrum Koordinationsbüro für regionale Lehrerfortbildung und vielen anderen zusammen.

Gabriela Ochoa-Assing, Projektleiterin Integra 2001, Deutsches Rotes Kreuz Aurich

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