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Antwort der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage

Gesetzliche Unterbindung der „Gehsteigbelästigung“ vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen durch sogenannte Lebensschützer

Niedersachsens Sozialminister Dr. Andreas Philippi hat namens der Landesregierung auf eine Dringliche Anfrage der Fraktion der AFD geantwortet.

Die Abgeordneten der Fraktion der AFD hatten gefragt:

Die Bundesregierung will eine sogenannte Gehsteigbelästigung vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Praxen und Kliniken durch sogenannte Lebensschützer gesetzlich unterbinden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung wird derzeit im Bundestag beraten. Demnach dürften Schwangere vor solchen Einrichtungen in Hör- und Sichtweite nicht gegen ihren Willen adressiert werden. Geschieht dies dennoch, würde es als Ordnungswidrigkeit gelten und könnte mit bis zu 5 000 Euro Bußgeld belegt werden. Als Ordnungswidrigkeit soll nach dem Willen der Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP auch geahndet werden, wenn Darstellungen von Abtreibungen unwahr sind oder auf eine Emotionalisierung der schwangeren Frau zielen.

Bundesfamilienministerin Paus gibt an, damit die Rechte von Schwangeren stärken zu wollen. Das Gesetz sei ein wichtiger Schritt für die Selbstbestimmung der Frau. Die Meinungsfreiheit habe ihre Grenzen auch im Sinne des Schutzes ungeborenen Lebens, welcher durch eine ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung gewährleistet werde. In der Darstellung der Bundesregierung würden Beratungsstellen und Praxen von Lebensschutzaktivisten belagert sowie Ärzte und medizinisches Personal bedrängt werden.

Bei sogenannten Lebensschützern handelt es sich um Personen oder Gruppen mit in der Regel christlichem Hintergrund, die sich für das Menschenrecht auf Leben einsetzen und sich insbesondere als Fürsprecher unserer ungeborenen Mitmenschen verstehen, die noch nicht für sich selbst sprechen können. Sie vertreten die Auffassung, dass jedes menschliche Leben - vom Zeitpunkt der Empfängnis an - schützenswert ist, und lehnen daher Eingriffe, die dieses Leben beenden könnten - wie etwa Schwangerschaftsabbrüche - ab.

Ihre Aktivitäten umfassen unter anderem Aufklärungsarbeit und die Unterstützung von Schwangeren in schwierigen Lebenslagen. Sogenannte Lebensschützer betonen die Würde und das Recht auf Leben als unveräußerliche und fundamentale Menschenrechte. Sie berufen sich auf Artikel 1 des Grundgesetzes, welcher die Würde des Menschen - auch des noch nicht geborenen - für unantastbar erklärt und alle staatlichen Gewalten verpflichtet, diese zu achten und zu schützen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele Fälle von sogenannter Gehsteigbelästigung in Niedersachsen sind der Landesregierung bekannt?

2. Stuft die Landesregierung christliche sogenannte Lebensschützer, die Mahnwachen abhalten und für die Frauen und deren ungeborenen Kinder beten, als radikal ein?

3. In einer Pressemitteilung vom 15. April 2024 befürwortet Minister Philippi die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen. Wie steht die Landesregierung zu einer Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 22. Woche wie in Spanien, Großbritannien und den Niederlanden?

Minister Dr. Andreas Philippi beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

̶ Es gilt das gesprochene Wort ̶

„Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung unterstützt ausdrücklich die vorgesehenen Ergänzungen im Bundes-Schwangerschaftskonfliktgesetz gegen Gehsteigbelästigungen. Von dieser einheitlichen Regelung auf Bundesebene geht eine wichtige Signalwirkung aus. Und sie schafft Rechtssicherheit. Damit werden Schwangere explizit auf dem Weg zu Konfliktberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, vor Belästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern geschützt. Auch das Personal dieser Einrichtungen wird dadurch entlastet.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht sind absolut schützenswerte Rechte. Sie dürfen aber nicht dazu missbraucht werden, schwangere Frauen an der Wahrnehmung ihrer Rechte auf Beratung und medizinische Leistungen zu hindern oder in unzumutbarer Weise zu stören. Innerhalb von 100 m im Umkreis dieser Einrichtungen wird es nach dem Gesetzentwurf nunmehr klare Verbote geben. Verboten sind das Bereiten von Hindernissen, verbales Bedrängen und unwahre Tatsachen behaupten - auch auf Flyern und Plakaten. Außerdem können Bußgelder verhängt werden.

Dies vorausgeschickt beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu 1:

In Niedersachsen liegen uns keine Erkenntnisse vor, dass es zu organisierten Gehsteigbelästigungen gekommen ist.

Zu 2:

Wie bei jedweder Gruppierung, die öffentlichkeitswirksam für oder gegen etwas auftritt, wird zu differenzieren sein: Es gehört zum demokratischen Verständnis, auch Ansichten zu respektieren, die der eigenen diametral entgegenstehen. Das massive und missionarische Einwirken auf Menschen in einer schwierigen Lebenslage oder gar strafrechtlich relevantes Verhalten sind davon ausdrücklich ausgenommen.

Zu 3:

Eine von der Bundesregierung eingesetzte wissenschaftliche Kommission hat sich sehr dezidiert und ausgewogen mit einer Reform der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch auseinandergesetzt und einen ebensolchen Bericht vorgelegt.

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch im Gegensatz zu vielen anderen Ländern immer noch ein Straftatbestand. Die Kommission empfiehlt, Abtreibungen zu entkriminalisieren. Konkret soll ein Abbruch in der Frühphase bis zur 12. Woche ohne weitere Voraussetzungen möglich sein. Dieser Empfehlung habe ich mich angeschlossen.

Das reproduktive Selbstbestimmungsrecht der Frau würde damit gestärkt und der ganz überwiegende Teil der ungewollten Schwangerschaften könnte in einem neuen Verfahren als medizinische Leistung eingeordnet und abgerechnet werden. Keine Frau trifft eine Entscheidung zum Abbruch einer Schwangerschaft leichtfertig.

Ich stehe als Gleichstellungsminister dafür, dass Frauen diese Entscheidung ohne bürokratische Hürden und Bevormundung treffen können.

Zu Abbrüchen über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus hat sich die Kommission ebenfalls sachverständig geäußert. Hier findet eine fundierte Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens statt, die wiederum die sozialen und medizinischen Umstände einbezieht. Einen solchen Abwägungsprozess im Rahmen einer Gesetzesreform unterstütze ich nachdrücklich.“

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.05.2024

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

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