Von Damaskus in die Diana Klinik Bad Bevensen – Arbeitsmarktintegration einer Zuwanderin durch das Start Guide Projekt Celle
Von Damaskus in die Diana Klinik Bad Bevensen – Arbeitsmarktintegration einer Zuwanderin durch das Start Guide Projekt Celle
Förderrichtlinie: „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Start Guides zur Unterstützung der Gewinnung und Integration internationaler Fachkräfte in Unternehmen in Niedersachsen – Regionale Start Guide Projekte“
Kurzzusammenfassung des Projekts: Das Projekt bietet eine interkulturell differenzierende, ressourcenorientierte Beratungskompetenz und Begleitung für international Zugewanderte (Geflüchtete, Ausbildungs- und Erwerbszuwanderinnen/-zuwanderer, vereinzelt Menschen, die noch im Ausland sind). Zugewanderte werden durch flexibles Reagieren und mit Blick auf Fähigkeit und Qualifikation der Projektteilnehmenden in den deutschen Arbeitsmarkt integriert. Ebenso beraten und begleitet werden kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die besonders in ländlichen Gebieten mit dem Fachkräftemangel ringen und auf eine kompetente und zielgerichtete Unterstützung angewiesen sind. Maßnahmen für die Gewinnung von Teilnehmenden sind u. a. Werbung in den VHS-Integrationskursen, Flyerverteilung auf Veranstaltungen oder sehr häufig die Weiterempfehlung durch andere Teilnehmende nach erfolgreicher Beratung. Für Unternehmen können eine enge Kooperation, die Veranstaltung von Fachtagen, kontinuierliche Netzwerke sowie Öffentlichkeitsarbeit angeboten werden. Möglich ist auch ein konkretes Coaching Angebot für ein Unternehmen. |
Ausgangslage:
Die Projektverantwortliche wurde im März 2022 von einem Teilnehmer angesprochen, ob es möglich sei, seine Verlobte nach Deutschland zu holen. Der Teilnehmer selbst ist ein sehr verlässlicher, ehrgeiziger junger Mann aus Afghanistan mit C1 Sprach-Zertifikat und befindet sich derzeit in einer Aus-/Weiterbildung als Immobilienkaufmann. Seine Verlobte befand sich zum Zeitpunkt der Anfrage in Damaskus. Die Situation dort:
Pro Tag gibt es nur ein oder zwei Stunden Strom und demzufolge einen sehr eingeschränkten Internetzugang. Dennoch möchte die junge Frau in Deutschland eine Ausbildung als Pflegefachkraft (Fachkräftemangel) beginnen und dementsprechend auch die sprachlichen Vorgaben (B1) erfüllen. Mit Unterstützung ihres Verlobten wurden ihr diese und weitere Bedingungen mitgeteilt.
Aufgrund der noch nicht stattgefundenen Heirat konnte nur eine Einreise im Rahmen eines Visums zur Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung erfolgen. Es bot sich eine Ausbildung als Pflegefachkraft an, da in dieser Branche ein Fachkräftemangel vorherrscht und die Bedingungen für eine Einstellung gut sind.
Aktivitäten/Vorgehen:
Der Projektverantwortlichen war bekannt, dass eine Agentur entsprechende Fachkräfte und Auszubildende an das Allgemeine Krankenhaus (AKH) in Celle vermittelt. Die Projektbetreuerin hat trotzdem eine Anfrage und den Lebenslauf der Teilnehmerin an das AKH Celle gesendet, aber keine Rückmeldung erhalten. Die Teilnehmerin hatte sich gegen eine Ausbildung in einem Altenpflegeheim entschieden. Eine Freundin wohnt und arbeitet in Bad Bevensen und ist mit den dortigen Kliniken auch in beruflicher Hinsicht vertraut. Diese hat eine Empfehlung ausgesprochen und die Projektverantwortliche hat für einen möglichen Ausbildungsplatz bei der Leitung des Personal-Bereichs der Diana Klinik angefragt. Hier wurde Bereitschaft signalisiert, die Teilnehmerin in einem Skype Interview kennenzulernen. Dieses hat im November 2022 stattgefunden – nach mehreren Verzögerungen, da in Damaskus kein Internet verfügbar war.
Die Voraussetzungen waren gesamthaft positiv: 13 Jahre Schulbesuch und Abitur, zudem Englische Sprachkenntnisse. Für das Visum fehlte ein B1 Zertifikat, welches aufgrund o. g. Situation nur online erworben werden konnte. Die Projektverantwortliche hat zwei Sprachschulen ausfindig gemacht, die Anerkennung des entsprechenden Zertifikats sollte gewährleistet sein. Bildungsträger war in diesem Fall das Worldwide Bildungswerk.
Die Ausländerbehörde Uelzen lehnte das B1 Zertifikat im Rahmen der Vorabstimmung allerdings ab. Die telc gGmbH Frankfurt, eine Tochtergesellschaft des Deutschen Volkshochschulverbands und Anbieter von standardisierten Sprachprüfungen, signalisierte, dass das Problem bekannt sei, aber anerkannte Sprachkursträger sich aufgrund von zahlreichen Fälschungen der Sprachzertifikate aus dem arabischen Sprachraum vorerst zurückgezogen hätten. Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) schlug den Besuch des Goethe Instituts im Libanon oder in Jordanien vor, dies war aber keine Alternative für die Teilnehmerin.
Im Ergebnis konnte die Prüfung der Sprachfähigkeit durch den Arbeitgeber bescheinigt werden. Ein erneuter Skype Termin kam aufgrund zu schwacher Internetverbindung mehrfach nicht zustande, hat dann aber doch stattgefunden und die Kenntnisse wurden für ausreichend befunden.
Für den Visumsantrag mussten das Zertifikat (= das Einverständnis der Klinik), ein Motivationsschreiben, der Arbeits-/Ausbildungsvertrag und der Reisepass eingereicht werden. Da die Deutsche Botschaft in Syrien bis auf weiteres geschlossen ist, ist die Teilnehmerin mehrfach per Bus in den Libanon nach Beirut gereist, um dort ihre Unterlagen abzugeben und den eigentlich gebuchten Termin der Vorsprache wahrzunehmen. Dieser fand am 24.03.2023 statt, das Visum wurde ausgegeben.
Die Ausbildung sollte am 01.04.2023 beginnen, spätestens aber am 14.04. mit dem ersten Schultag nach den Ferien. Dies hat die Teilnehmerin sehr knapp geschafft, denn der Flug war noch nicht gebucht worden. Am Tag ihrer Ankunft kam sie mit ihrem Verlobten in das Büro der Projektverantwortlichen: Sehr selbstbewusst, sehr neugierig und ein wenig angespannt. Die Klinik hat, soweit die Projektverantwortliche das beurteilen kann, die ausländischen Auszubildenden sehr gut integriert: Es gab Unterstützung hinsichtlich der Unterkunft (Wohnheimzimmer), der Kontoeröffnung und anderer Formalitäten, sowie eine persönliche Betreuung.
Wichtige Erkenntnisse:
Auf verschiedenen Veranstaltungen wurde mehrfach signalisiert, dass der Prozess des Anwerbens und des eigentlichen Ankommens zu lange dauert. Eine Dauer von einem Jahr ist auch über Agenturen die Regel, obwohl Zahlungen von 8.000 bis 10.000 Euro pro Person geleistet werden.
Eine kluge und nachhaltige Integration und eine authentische Willkommenskultur in Deutschland sind mehr als relevant. Einige Teilnehmende äußern im Beratungsprozess den Gedanken, Deutschland zu verlassen und in ein anderes Land zu gehen, besonders, wenn sie gut ausgebildet sind und auf einen Gesprächstermin für die Einbürgerung länger als ein Jahr warten müssen (der eigentliche Termin zur Abgabe der Unterlagen folgt dann, Einbürgerungswillige warten über zwei Jahre auf die finale Urkunde).
Der Spracherwerb ist weiterhin wichtig, denn ohne Sprachkenntnisse ist kein Ankommen möglich und es wird auch kaum eine Ausbildung oder Berufstätigkeit erfolgen können. Auch wenn jetzt der Spracherwerb im Rahmen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nicht mehr so bedeutend ist, spielt er eine weiterhin relevante Rolle, denn auch Unternehmen setzen ein gewisses Sprachniveau voraus.
Fazit: Wichtig sind Bürokratieabbau, Erhöhung der Verfahrens-Geschwindigkeit, eine zentrale Ausländerbehörde mit Aufstockung der Kräfte sowie ein kompetenter und hier anerkannter Spracherwerb auch im Ausland.
Die Integration innerhalb des Landes, die Begleitung der Ankommenden nicht nur privat, sondern auch in ihrem Job bleibt die Herausforderung. In vielen Fällen gelingt die Integration, aber einige Projektteilnehmende berichten von einem problematischen Arbeitsklima.
Fakten zum Projekt:
Wer fördert das Projekt? | Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung |
Ggf. Regionales Fachkräftebündnis/ regionaler Fokus: | Enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren im Raum Celle |
Zielgruppe: | international Zugewanderte (Geflüchtete, Ausbildungs- und Erwerbszuwanderinnen/- zuwanderer, vereinzelt Menschen, die noch im Ausland sind) |
Branchenfokus: | nein |
Projektträger/in: Ggf. Kooperationspartner/innen, beteiligte Akteure/innen: |
VHS Celle e.V., Trift 20, 29221 Celle |
Projektlaufzeit: Ggf. verstetigt seit: |
01.03.2021 – 28.02.2026 (inkl. Verlängerung) |
Ansprechpartner/in im Projekt: | Mareke Janssen |
Mehr Informationen unter: | https://www.vhs-celle.de/projekte/start-guides-celle |
Für die Inhalte dieser Seite ist die Projektträgerin / der Projektträger verantwortlich.
Stand: 09.02.2024