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Solveig Majsan Vogel: Green Card für alle

Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben, ist in Deutschland nicht erst seit der Green Card-Diskussion ein Thema. Spätestens wenn die Wirtschaft klagt, nicht genügend einheimisches Personal zu finden, kommt die Debatte über eine Arbeitserlaubnis für Nichtdeutsche erneut auf den Tisch.

In Wissenschaft und Forschung ist der internationale Austausch von Experten und Studenten für die fachliche Qualität schon lange ein Muss. Und jedes Kind weiß um die Italiener, Spanier, Türken oder Griechen, die in den sechziger Jahren für Tätigkeiten angeworben wurden, die kaum ein Deutscher verrichten wollte. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert: Die niedersächsischen Spargelbauern bevorzugen die fleißigen Erntehelfer aus Polen und das Servicepersonal von Hotels oder Restaurants kommt oft aus noch ferneren Ländern.

Während Politiker und Wirtschaftsvertreter noch über die formalen Bedingungen für die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte verhandeln, ist für viele von ihnen der (befristete) Job in Deutschland auch ohne Green Card längst zum Alltag geworden.

"Wie das Leben so spielt......."

Maria Teresa Miguel kam 1965 aus dem spanischen Valladolid nach Hannover. "Ich war jung und wollte Geld verdienen, in Spanien gab es damals keine Arbeit", erzählt sie. Gegen den Willen ihres Vaters nahm die damals 21-Jährige eine Stelle in der Keksfabrik Bahlsen an. Zusammen mit drei anderen Frauen teilte sie sich in den ersten Jahren ein schlichtes Zimmer in der firmeneigenen Unterkunft. "Wenn man sich da nicht verstand, war das Leben hart", erinnert sich Maria Teresa Miguel. Aber weil sie ohnehin plante, nach einem knappen Jahr wieder nach Spanien zurück zu gehen, wollte sie sich mit den gegebenen Umständen gern arrangieren.

Inzwischen lebt die gebürtige Spanierin seit mehr als dreißig Jahren in Deutschland. "Was ich vor hatte, ist eine Sache, wie das Leben spielt, eine andere", erklärt sie. Anfang der siebziger Jahre lernte sie beim Kirchgang in Hannover ihren aus Nicaragua stammenden Mann kennen, heiratete und bekam zwei Kinder. Die Gründe, hier zu bleiben, wogen so allmählich immer schwerer. Und Schwierigkeiten wegen der Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis hatte sie nie: Ihre Arbeitgeber – erst Bahlsen, später VW – sorgten dafür, dass beides Jahr um Jahr verlängert wurde. "Ich selbst habe mich darum überhaupt nicht gekümmert", erzählt Maria Teresa Miguel.

Sie ist hier geblieben, obwohl sie sich all die Jahre nach der Heimat sehnte. Jetzt, als Frührentnerin, scheint der Tag der Rückkehr greifbar nahe. "Sobald auch mein Mann in Rente geht, ziehen wir nach Spanien", sagt sie.

"In der Türkei hat meine Familie keine Zukunft."

Ali Aydogmus aus Ankara kam 1995 mit ähnlichen Gedanken nach Deutschland wie Maria Teresa Miguel vor dreißig Jahren. Als er seine Stelle als Koch in einem türkischen Restaurant in Hannover antrat, plante er, höchstens drei Jahre hier zu bleiben. "Ich wollte Geld verdienen, in Ankara ein Haus bauen und dann zurückkehren", erinnert sich der 37-Jährige. Seine Frau Nisbet und sein Sohn Tayfin blieben in Ankara, schließlich wollte er bald wiederkommen.

So wie Ali Aydogmus denken viele Männer in der Türkei. "Wer aus seinem Leben etwas machen will, muss sich für eine Weile Arbeit im Ausland suchen", erzählt der Koch. Viele gingen etwa nach Arabien oder nach Russland. Er selbst habe sich für Deutschland entschieden, weil einer seiner Brüder damals bereits in Köln wohnte. Die Stelle in Hannover hatte ihm ein Cousin beschafft und sein jetziger Chef, Aytac Savurur, kümmerte sich um die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Denn er bevorzugt türkische Köche in seinem Lokal und kennt sich entsprechend gut im deutschen Ausländerrecht aus. "Man muss viel Behördenkram erledigen und es dauert ein bisschen, aber letztendlich ist es nicht schwierig, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen", weiß Savurur.

Mit seiner Unterstützung holte Ali Aydogmus im Mai 1999 auch Frau und Sohn zu sich nach Deutschland. Er hat sich entschlossen, zu bleiben: "Nachdem ich eine Weile in Hannover gelebt hatte, sah ich für mich und meine Familie in der Türkei keine Zukunft mehr." In seiner Heimat gebe es nur wenig Arbeit – und die sei zudem schlecht bezahlt. Nur unter Schwierigkeiten könne er dort den Lebensunterhalt für seine Familie verdienen. In Deutschland sei das viel leichter. Für den Restaurantbesitzer Aytac Savurur heißt das, vorerst keinen Ersatz für seinen gut eingearbeiteten und erfahrenen Koch finden zu müssen. Anders als die Spanierin Maria Teresa Miguel sehnt sich Ali Aydogmus allerdings nicht nach Ankara zurück. "Meine Heimat ist meine Familie – und die ist jetzt endlich hier", erklärt er. Er hofft nun, dass seine Aufenthaltserlaubnis unbefristet verlängert wird.

"Ohne Hilfe hätte ich das nicht geschafft."

Für die Peruanerin Rocío Diez Canseco war es sehr viel schwieriger, in Deutschland den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Sie musste "Himmel und Hölle" in Bewegung setzen, bis sie endlich eine Arbeitserlaubnis in ihren Händen hielt. Dabei wusste sie schon im Dezember 1997, als sie als Au-pair-Mädchen nach Wolfenbüttel kam, dass sie länger als ein Jahr bleiben wollte. "Ich habe immer davon geträumt, in Europa eine Ausbildung zur Köchin zu machen", berichtet die heute 24-Jährige. Als Au-pair-Mädchen hatte sie die Möglichkeit, erst einmal Deutsch zu lernen und auszuprobieren, ob ihr das Leben hier gefällt.

Der Anfang ließ sich gar nicht gut an. Wegen großer Schwierigkeiten mit den Au-pair-Eltern suchte sie in Hannover für drei Wochen Unterschlupf beim "Verein für internationale Jugendarbeit" und setzte alles daran, eine neue Au-pair-Stelle zu finden. "Ich wäre lieber illegal in Deutschland geblieben, als nach Peru zurück zu gehen", erzählt die junge Frau. In Hannover machte sie sich später auch auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz als Köchin. Das Arbeitsamt und das Kultusministerium signalisierten zuerst ihre Unterstützung, denn in der Gastronomie mangelte es an Personal. "Eine Stelle zu finden, war die einfachste Sache der Welt, aber dann bekam ich keine Arbeitserlaubnis", erzählt Rocío Diez Canseco. Denn für die hätte sie eine Aufenthaltserlaubnis vorlegen müssen, die ihrerseits ohne Arbeitserlaubnis nicht zu bekommen war. Die Situation schien ausweglos.

Die Beamten legten der jungen Frau nahe, nach Peru zurück zu kehren oder – der Einfachheit halber – einen deutschen Mann zu heiraten. Ihr zukünftiger Chef dagegen setzte durch, dass sie die Ausbildung bei ihm antreten konnte. "Aber Köchin durfte ich trotzdem nicht lernen, weil das kein international anerkannter Beruf ist", berichtet die Peruanerin. Sie hat eine Kompromisslösung gefunden und wird jetzt Restaurantfachfrau. Ohne Hilfe ihres Chefs und ganz besonders ihrer zweiten Au-pair-Mutter hätte sie das ganze Hin und Her zwischen den Ämtern wohl kaum geschafft, glaubt Rocío Diez Canseco. "Die hat Ahnung von den Ausländergesetzen und kennt viele wichtige Leute."

Sie will nun erreichen, dass ihre Arbeitserlaubnis nach der Abschlussprüfung verlängert wird. Die angehende Restaurantfachfrau möchte gern mit ihrem deutschen Freund zusammenleben und sich hier beruflich fortbilden. "Und die Deutschen wollen meinen Job doch sowieso nicht machen", meint sie.

Green Card für Köche

Die Forderung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufzuheben, unterstreicht die Worte der jungen Peruanerin. Rund 80.000 Stellen für Köche, Kellner und Serviererinnen waren im Mai 2000 trotz vier Millionen Arbeitsloser in Deutschland nicht besetzt.

Sigrid Ludwig von der Beratungsstelle für französischsprachige Flüchtlinge bestätigt, dass ihre Schützlinge in der Gastronomie sehr gefragt sind. Am ehesten finden sie Stellen als Reinigungskräfte oder Küchenhilfen, wenn sie die hohen Klippen für eine Arbeitserlaubnis erst einmal überwunden haben. "Und dann werden sie von ihren Arbeitgebern oft unter Druck gesetzt und über den Tisch gezogen", berichtet sie.

Die Green Card-Diskussion darf sich deshalb nicht auf Jobs für hoch bezahlte Computerfachleute beschränken, sondern muss für alle Branchen geführt werden. Und die Rechte der ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland müssen darin mindestens ebenso ins Gewicht fallen wie die konjunkturellen Anforderungen oder Wirtschaft.

Solveig Majsan Vogel, Journalistin, Hannover

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