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Alheidis von Rohr: Wohl behütet

Kopfbedeckungen: Schutz oder Zierde, Auszeichnung oder Bekenntnis?


Bestimmte Kopfbedeckungen zu tragen, war schon immer Ausdruck von Schutz und Zierde, aber auch von Standesbewusstsein, Abgrenzung und Religiösität.

Eine besondere Frisur, eine Blume oder Feder im Haar – dienen sie nur der Zierde oder auch der Unterscheidung innerhalb einer Gruppe? Ein größeres Blatt oder Geflecht auf dem Kopf mag als Schutz gegen Sonne und Regen, Wind und Kälte dienen – aber wessen bedurfte der Mensch zuerst?

Monarchen tragen auch heute noch, etwa zur Krönung, zur Parlamentseröffnung oder zu Regierungsjubiläen, eine Krone. Jedes Land hat oder hatte beim Material und zur Form seine eigenen Traditionen, z.B. ein offener Reif oder die Bügelkronen in den europäischen Staaten. Der Papst trug bis 1964 bei feierlichen Anlässen eine dreifache Krone, eine Tiara (lateinisch: Turban, Diadem, Krone). Die von den Päpsten seit dem 11. Jahrhundert getragene spitze Mütze aus weißem Zeug war mit einem goldenen Reif geziert. Ähnliche Kopfbedeckungen waren bei den Königen im Orient verbreitet gewesen. Bis heute erhalten hat sich als liturgische Kopfbedeckung die hohe, oben spitz zulaufende Bischofsmütze, die Mitra der Bischöfe und Äbte – gelegentlich selbst im protestantischen Bereich, etwa beim Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, wenn er als Abt in Loccum eingeführt wird. Mit solchen meist kostbaren Kopfbedeckungen, wie sie in vielen Kulturen den Herrschern und Priestern vorbehalten waren, sind oft auch die Götterbilder ausgestattet, so etwa im Christentum Gottvater im Bild der Dreieinigkeit und Maria als Muttergottes mit einer Krone.

Unsere Bundesrichter betreten den Verhandlungsraum mit einem Barett auf dem Haupt, das sie dann ablegen. Zur Verkündigung des Urteils erheben sie sich und setzen es wieder auf. Diadem, Krone und spezielle Mützen und Hüte sind als Auszeichnung an ein Amt und meist an Zeremonien oder feste Handlungsabläufe gebunden. Zudem sind sie für ein Publikum bestimmt, bei dem Feststimmung, Bewunderung oder Ehrerbietung ausgelöst werden sollen (oder dies wird vergeblich verlangt wie etwa beim Gessler-Hut in Schillers "Wilhelm Tell"). Aber wer von uns möchte nicht mal einen Tag im Umkreis einer gekrönten Wein- oder Heidekönigin verbringen oder sich den Hierarchien der Narrenkappen auf einer Karnevalssitzung fügen?

Kopfbedeckungen als Wetterschutz gegen Hitze oder Kälte, Nässe und Wind sind vielfach eine Notwendigkeit. Aus der Praktikabilität von Form und Material kann sich, wenn es regional weit verbreitet ist, ein typisches Kleidungsstück entwickeln wie z.B. die Baskenmütze, der Südwester, der Tropenhelm oder Sombrero. Die weiße, gestrickte Zipfelmütze, mit der der "Deutsche Michel" karikiert wird, trugen Männer vom 16. bis 20. Jahrhundert als Haus- und Schlafmütze, anfangs in allen Schichten – zumal wegen der kahlgeschorenen Köpfe, auf die tagsüber eine Perücke gestülpt wurde; zum Ende hielt sie sich noch lange in den ländlichen Gebieten. Kopftücher boten Frauen seit dem Mittelalter besten Schutz gegen Staub und das Zerzausen der Haare bei der Arbeit in Haus, Stall und Feld. Sieht man heute eine ältere Frau mit einem straff und gerade über die Stirn geführten und unter dem Kinn gebundenen Tuch, so ist es oft eine Russlanddeutsche. Die ähnlich praktische Form eines im Nacken geknoteten Tuchs trägt man heute selten; es wurde in der NS-Zeit als Tracht der Arbeitsmaiden diskreditiert. Das Palästinenser-Tuch, von Arafat demonstrativ getragen, bietet ursprünglich, fest um Kopf und Hals gebunden, in Wüstenregionen besten Schutz gegen Sonne und Sand. Diese Funktion als Turban oder Kopftuch, nur für Männer, wird bei uns kaum beachtet; hier diente es als uminterpretiertes, antibürgerliches Gruppenabzeichen.

Zur Schutzkleidung zählen auch alle Helme. Im Kampf sollten sie Hiebe und Stiche, später Kugeln aus Schusswaffen abhalten. Dafür mussten sie aus solidem Material, Metall und Leder gearbeitet sein. Ihre Konstruktion wurde laufend verbessert. Zudem wurde viel Wert auf die Form und Farbe gelegt, denn sie sollten schmücken und zur Abwehr des Feindes imposant sein, man denke etwa an Kelten und Germanen mit Fellen, Tierhörnern oder Geweihen, an Mars und Athena, an die Römer, an die Ritter mit ihren Helmzierden oder Kaiser Wilhelm II. bei Paraden, an Grenadiere (die langen Kerls Friedrich II. von Preußen) oder die Pickelhauben. Aber auch Helme der Feuerwehr, Bergleute, Bauarbeiter, Motorradfahrer sowie beim Sport, etwa Baseball, Rad oder Inlineskating, folgen einem schmucken Design. Die Kopfbedeckungen der meisten militärischen und zivilen Uniformen sollen den Trägern ebenfalls mehr Ansehen durch Größe und Farbigkeit verleihen. Eine Stewardess z.B., ein Polizist, Portier oder Soldat – sie alle wirken repräsentativer mit Hut oder Schirmmütze; für Schmutzarbeiten verfügen sie zudem noch über bequemere Kappen, Schiffchen oder sichere Helme.

Uniformträger haben sich an die Vorschriften einer Kleiderordnung zu halten. Dem "Diktat der Mode" müsste im privaten Leben zwar keiner folgen, aber – da wir alle Menschen sind – selbst Uniformen, Hüte und Helme werden häufig den Modeströmungen angepasst. Die Uniform der Heils-Armee und manche Kapuzen, Hauben, Schleier, etwa bei Mönchen, Nonnen, Krankenschwestern, sowie Hüte einzelner Berufe gehören dabei zu den traditionell kaum veränderten Ausnahmen.

Jahrhundertelang dienten Kopfbedeckungen auch als Standesabzeichen und Festschmuck. Der dunkle, hohe Zylinder des 19. Jahrhunderts hielt sich als Herrenhut in modischen Varianten bis heute, etwa zum Staatsbegräbnis oder in Grau zur eleganten Hochzeit oder auf dem Rennplatz. Für Frauen galt, dass sie nach ihrer Heirat im Haus ein weißes Häubchen und außer Hause darüber eine farbige Haube oder einen Hut zu tragen hatten. Offenes Haar war ein Zeichen der jungen, unverheirateten Mädchen. Die Braut trug über dem weißen Schleier ein grünes Kränzchen. War es nicht kreisförmig geschlossen, war sie keine Jungfrau mehr – darüber wachten die Gemeinde und der Pastor. Auch von Witwen wurde eine klare Zeichensprache verlangt. Sie hatten eine schwarze Haube, einen Witwen-Schleier oder in höheren Ständen eine Schnebbe zu tragen. Mit Kleiderordnungen wurde im Mittelalter und Absolutismus versucht, die Rangordnung der Stände sichtbar zu machen und die Ausgaben für Luxus- und Importwaren einzuschränken – offenbar oft vergeblich. Durch besondere Verordnungen wurden Andersgläubige ausgegrenzt. Dazu gehörten vom 12. bis 16. Jahrhundert für Juden neben Schutzgeldforderung ihre Kennzeichnung durch das Tragen von gelben Judenhüten, oben spitz mit Knauf oder von gelben Ringen am Mantel.

Wer etwas trägt, was in seiner Umwelt nicht üblich ist, fällt auf, positiv oder negativ. Das Bedürfnis, sich zu schmücken, erotisch attraktiv zu wirken, sich vor anderen extravagant herauszuheben oder sich ganz anzupassen, etwa als Mitglied einer Jugendgruppe, ist uralt und unterliegt stetem Wechsel. Von 1685 bis 1713 gab es in ganz Europa Nachahmerinnen der Mätresse König Ludwigs XIV. von Frankreich. Die Herzogin von Fontange hatte sich mit Bändern, Draht und Häubchen eine hohe, gestützte Frisur geschaffen; nach ihr wurde der Kopfputz "Fontange" benannt. Der Fez, der lange im Orient verbreitet war und 1832 in der Türkei anstelle des Turbans für Staatsbeamte und Soldaten eingeführt wurde (bis 1926; in Ägypten bis 1953), war im 19. Jahrhundert Vorbild für die Mode der oft bestickten Hauskappen für deutsche Männer. Heute trägt man, weil die Räume besser geheizt sind, selten Mützen im Haus. Und die meisten Frauen verzichten auf modische Hüte, weil sie legere, sportliche Kleidung bevorzugen, zu der keine Hüte gehören. Zudem haben sie es viel einfacher, ihre Frisur instand zu halten – oder die Modeentwicklungen interessieren sie gar nicht.

Die phrygische Mütze, auch Jakobinermütze genannt, war seit der französischen Revolution ein Symbol der nach Freiheit strebenden Bürger. Auch heute noch gelten Hüte mit Krempe als Zeichen des Arbeitgebers, Aufsteigers oder Etablierten und Schirmmützen als Zeichen von Arbeitern. Von manchen Personen, etwa orthodoxen Juden, muslimischen Frauen oder Sektenmitgliedern, wird durch die Kopfbedeckung ein religiöses Bekenntnis in der Öffentlichkeit kundgetan. Da in unserem Kulturkreis Religiosität als Privatangelegenheit gilt, die Bindung an die Kirchen rückläufig ist und Traditionen, dass z.B. Männer in der Kirche den Hut abnehmen, Frauen jedoch mit bedecktem Haupt teilnehmen, kaum noch bekannt sind, erregen fremde Sitten wie Käppi, Kopftuch oder indischer Turban Aufsehen und manchmal Unwillen, weil geargwöhnt wird, dass der kundgetane Glaube mit unerwünschten politischen Zielen verknüpft ist und bei manchen Trägern und Trägerinnen die Freiwilligkeit nicht eindeutig und die politische Steuerung nicht genügend bedacht sind. Auch wenn diese Gruppen Minderheiten sind, fühlen sie sich – zu Recht oder Unrecht – im doppelten Sinn "wohl behütet".

Dr. Alheidis von Rohr, Leiterin der Abteilung Landesgeschichte im Historischen Museum, Hannover

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