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"Wer hindert zugewanderte Frauen an einem selbstbestimmten Leben in Deutschland?"

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah (CDU) geantwortet.

Die Abgeordnete Petra Joumaah (CDU) hatte gefragt:

Anlässlich der Integrationsministerkonferenz in Erfurt äußerte Ministerin Rundt am 17. März 2016 dass „zugewanderte Frauen noch zu lange daran gehindert werden, in unserer Gesellschaft und im Erwerbsleben Fuß zu fassen. Die Potenziale und die Qualifikationen zugewanderter Frauen müssten früher erkannt sowie spezielle Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt werden. Wenn wir zugewanderten Frauen einen frühen Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, dann ebnen wir ihnen zugleich den Weg in ein selbstbestimmtes Leben hier in Deutschland - das ist gelebte Integration.“

Ministerin Rundt weiter: „Daher müssen zielgruppenorientierte, kultursensibel ausgelegte Konzepte und auch Angebote für Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt und ausgebaut werden. In Integrationskursen sollen außerdem die Entwicklungspotenziale der teilnehmenden Frauen gezielt erkannt und befördert werden. Dazu soll das bestehende Integrationskurskonzept des Bundes überarbeitet werden. Damit die Frauen auch wirklich an den Kursen teilnehmen können, ist eine Kinderbetreuung sicherzustellen“.

1. Wer beziehungsweise was hindert zugewanderte Frauen derzeit zu lange daran, in unserer Gesellschaft und im Erwerbsleben Fuß zu fassen?

2. Was ist unter einem kultursensibel ausgelegten Konzept zu verstehen?

3. Weshalb soll für die Teilnahme an den Integrationskursen eine Kinderbetreuung nur für Frauen und nicht auch für Männer sichergestellt werden?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Zu 1.:

Eine Studie des BAMF kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Situation und die Erwerbschancen der zugewanderten Frauen insbesondere aus den Ländern Afghanistan, Irak und Syrien ähneln, sich in Bezug auf die einzelnen Lebenssituationen jedoch unterscheiden. Je jünger die im Rahmen der Studie befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind, desto eher sind sie erwerbstätig oder befinden sich in Ausbildung und desto seltener sind sie nicht erwerbstätig. Besonders ausgeprägt ist jedoch der Unterschied zwischen den Geschlechtern: Über alle Herkunftsländer hinweg sind 49,8 % der Männer, aber nur 11,5 % der Frauen erwerbstätig, mit fast spiegelbildlichem Verhältnis bei der Nichterwerbstätigkeit (49,9 % der weiblichen und 7,0 % der männlichen Flüchtlinge). Frauen aus dem Irak (65,7 %) und Syrien (62,9 %) sind sogar zu fast zwei Dritteln nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv und suchen auch keine Arbeit oder Ausbildungsstelle. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass diese Frauen durch Kinderbetreuung gebunden sind oder ihre Arbeitsmarktchancen durch fehlende Bildungsqualifikationen, einen Mangel an deutschen Sprachkenntnissen und/oder kulturspezifische Muster der Arbeitsteilung in den Familien sinken.

Frauen sind – über die Herkunftsgruppen hinweg – häufiger von geringer oder ganz fehlender Bildung betroffen, als Männer. So gehören sie in der Altersgruppe 25 bis einschließlich 65 Jahre auch signifikant häufiger zur Gruppe der Nichtqualifizierten (17,0 %) als Männer (10,8 %). Besonders hoch ist dabei wiederum der Anteil bei den irakischen Frauen mit 27,2 %.

Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen für Einwanderinnen müssen die unterschiedlichen Startbedingungen und individuellen Bedürfnisse berücksichtigen, die sich z.B. aus traditionellen Rollenzuweisungen oder kulturellen Unterschieden im Hinblick auf bestimmte Abläufe/Regelungen des deutschen Arbeitsmarktes ergeben. Neben der Qualifikation müssen bei der Kompetenzfeststellung auch individuelle Vermittlungshemmnisse und familiärer Unterstützungsbedarf (z.B. Kinderbetreuung und/oder Pflege für Angehörige) erfasst werden.

Es fehlt außerdem an einer durchgehend geschlechtsspezifischen Aufschlüsselung aller im Zuge des Integrationsprozesses erhobenen Daten. Diese sollten in der Regel auch geschlechtsspezifisch veröffentlicht werden.

Zu 2.:

Die Integrationsministerkonferenz sieht in der Förderung der Zuwanderinnen einen wichtigen Aspekt gelingender Teilhabe und Integration. Zuwanderinnen sind keine homogene Gruppe. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf ihr Herkunftsland, ihren sozialen Hintergrund, ihr Bildungsniveau, ihre familiäre Situation, ihre Migrationsgeschichte etc. und sie verfügen über unterschiedliche Ressourcen und Bedarfe. Eine nachhaltige Migrations- und Teilhabepolitik erfordert einen sensiblen Umgang mit den Frauen, die zu uns kommen und gewährleistet ihren Schutz, ihre Sicherheit und besonders die Förderung ihrer Potentiale. Hierbei sind die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Beseitigung bestehender Nachteile von besonderer Bedeutung. Ergänzend ist die Vermittlung der Rechts- und Werteordnung als Teil des Integrationsprozesses erforderlich.

Bei der Entwicklung und Umsetzung zielgruppengerechter und kultursensibel ausgelegter Konzepte gilt es, zu individualisieren und beispielsweise in der Beratungs- und Zusammenarbeit mit den Betroffenen individuelle Lebensgeschichten zu rekonstruieren, aktuelle Interessen, Bedürfnisse und Einstellungen zu erkunden sowie Zukunftsentwürfe im Hinblick auf Familie, Erziehung und Bildung, bzw. Arbeit herauszuarbeiten. Entsprechende Maßnahmen werden dabei von dem Grundgedanken geleitet, dass Zugewanderte keinen homogenen Bevölkerungsblock darstellen, sondern dass sie sich in eine Vielzahl unterschiedlicher Gruppen ausdifferenzieren lassen. Unterschiede ergeben sich neben den bereits benannten kulturellen Differenzen (Religionszugehörigkeit, Werte, Normen) etc. auch bzgl. unterschiedlicher finanzieller Ressourcen oder bspw. dem Eingebunden sein in soziale Netzwerke. Hinzu kommen Unterschiede in der Rechtsstellung der Zugewanderten, welche die Bleibeaussichten und Zukunftsplanung von Familien entscheidend beeinflussen.

Zu 3.:

In der Vorbemerkung zu dieser Anfrage wird aus einer Presseinformation des Sozialministeriums vom 17.03.2016 anlässlich der Integrationsministerkonferenz in Erfurt zitiert. Diese Presseinformation bezieht sich auf den aus Niedersachsen eingebrachten Antrag „Integration von schutzsuchenden Frauen intensivieren - Rechte der Frauen stärken“. Insoweit standen bei der Beratung und Beschlussfassung die Lebenssituationen von zugwanderten Frauen im Fokus. Um deren Integrationshemmnisse abzubauen, wurde insbesondere auch auf die Notwendigkeit der Vorhaltung von Kinderbetreuungsangeboten während der Integrationskurse hingewiesen. Bei einer überwiegenden Zahl der zugewanderten Familien wird das klassische Rollenbild gelebt, verantwortlich für die Betreuung der Kinder sind i. d. R. die Frauen. Erkenntnisse darüber, dass Männer in der Vergangenheit aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeit nicht an Integrationskursen teilgenommen haben, liegen hier nicht vor. Die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsmöglichkeiten soll selbstverständlich beiden Elternteilen offen stehen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.04.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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