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Sicherung der Existenzgrundlagen von Werkstätten für behinderte Menschen und vergleichbaren Einrichtungen

Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt am 15.07.15 im Niedersächsischen Landtag


- Es gilt das gesprochene Wort -

„Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte unserer Gesellschaft. Das bedeutet insbesondere auch die Teilhabe am Arbeitsleben.

Aus diesem Grund begrüßt die Landesregierung die parlamentarische Initiative der Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen zur Sicherung der Existenzgrundlagen von Werkstätten für behinderte Menschen und vergleichbaren Einrichtungen ausdrücklich.

Sie ist aus meiner Sicht wichtig und richtig, damit auch künftig Werkstätten die Chance haben, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben in unterschiedlichen Bereichen zu ermöglichen.

Die Werkstätten bieten Menschen, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können eine angemessene Beschäftigung. Sie fördern zudem den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Um dieses wichtige Ziel zu erreichen, stellen die Werkstätten ein breites Angebot an verschiedenen Arbeitsplätzen zur Verfügung, einschließlich ausgelagerter Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Mit diesem differenzierten Angebot tragen sie der Art und Schwere der Behinderung, aber auch der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit sowie der Eignung und Neigung der Menschen Rechnung.

In den verschiedenen Arbeitsbereichen der Werkstätten finden sich analog zur klassischen Erwerbswirtschaft sowohl Bereiche, in denen produziert wird, als auch Bereiche in denen Dienstleistungen erbracht werden wie beispielsweise in der Garten- und Landschaftspflege oder der Gastronomie. In weiteren Bereichen werden Handelsgeschäfte, z. B. die sogenannten CAP-Märkte oder der Feinkostverkauf z.B. in den Samocca-Bistros.

Beide Bereiche – Dienstleistungen und Handelsgeschäfte – entsprechen der Realität des Arbeitsmarktes. Es ist daher aus meiner Sicht unverzichtbar, dass die Menschen in den Werkstätten Möglichkeiten haben, sich in diesen verschiedenen Tätigkeiten auszuprobieren. Denn nur so können Neigungen und Stärken festgestellt sowie vorhandene Fähigkeiten weiter ausgebaut werden.

Es wäre daher fatal, wenn Dienstleistungs- oder Handelsbereiche von Werkstätten, die ja den Zielsetzungen der Teilhabe voll entsprechen, weil sie eben Dienstleistungen in direktem Kontakt mit der ganz alltäglichen Kundschaft anbieten, aufgrund einer höheren Besteuerung geschlossen werden müssten.

Von Menschen mit Behinderung betriebene Geschäfte und Bistros – optische Zeugen der Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung - dürfen nicht aus unserem Straßenbild verschwinden.

Meiner Ansicht nach ist es daher zwingend erforderlich, dass das überholte Bild der Werkstätten, das dem Umsatzsteuergesetz bzw. dem Umsatzsteueranwendungserlass offensichtlich zu Grunde liegt, korrigiert wird.

Die Ausweitung des steuerlichen Nachteilsausgleiches auch auf Dienstleistungen und Handelsgeschäfte von Werkstätten ist aus meiner Sicht unerlässlich.

Zu den hier maßgeblichen Fragen des Umsatzsteuerrechts hat mein Kollege, Herr Minister Schneider, einen Schriftwechsel mit dem Bundesfinanzminister, Herrn Dr. Schäuble, geführt.

Daraus ergibt sich:

Auch nach der Auffassung des Bundesfinanzministeriums sind das aktuelle Umsatzsteuergesetz und der dazu ergangene bundeseinheitliche Anwendungserlass leider eindeutig. Sie begrenzen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes im Fall der Leistungen von Werkstätten für behinderte Menschen auf die Produktion und Herstellung von Gegenständen.

Mein Kollege Schneider hat gegenüber dem Bundesfinanzminister die von den Werkstätten geäußerte Kritik aufgegriffen. Niedersachsen hat deshalb gegenüber dem Bund und den übrigen Ländern vorgeschlagen, die Umsatzsteuerermäßigung künftig auch für die Dienstleistungen der Werkstätten zu ermöglichen.

Das Bundesfinanzministerium holt in dieser Angelegenheit zurzeit die umsatzsteuerfachlichen Stellungnahmen der Länderfinanzministerien ein. Ab Oktober dieses Jahres wird dann auf dieser Grundlage die Rechtslage evaluiert und der niedersächsische Vorschlag erörtert werden.

Der Bitte, sich weiter für eine Änderung des Anwendungserlasses im Sinne der Werkstätten zu verwenden, wird die Landesregierung nachkommen. Dabei werden wir versuchen, die Anwendung der neuen Regelungen auch auf noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide für vergangene Jahre zu erreichen. Da es sich dabei um Bundesrecht handelt, kann allerdings ohne oder gar gegen den Bund nichts erreicht werden.

Wir werden uns auch weiterhin beim Bund dafür einsetzen, dass dieser seine Regelungen ändert und klar stellt, dass die verringerte Umsatzsteuer für alle Bereiche der zweckbetrieblichen Betätigung der Werkstätten gilt.

Dies ist nach meiner Ansicht im Interesse der Menschen mit Behinderungen dringend geboten.

Hoffentlich bewegt sich also was auf Bundesebene! Und wenn ja, dann ist das insbesondere dem Engagement unseres Finanzministers Peter-Jürgen Schneider zu verdanken, zumal das Finanzministerium in Aussicht gestellt hat, die Finanzämter zu bitten, entsprechende Rechtsbehelfsverfahren zunächst ruhen zu lassen, so dass die Entscheidung auf Bundesebene abgewartet werden kann.“

15.07.15

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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