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Mündliche Anfrage: Sollte für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum ein „Landarztzuschlag“ gezahlt werden?

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Burkhard Jasper, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Petra Joumaah, Gudrun Pieper, Annette Schwarz (CDU) geantwortet.

Die Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper, Volker Meyer, Petra Joumaah, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) hatten gefragt:

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR-Gesundheit) konstatiert in seinem Gutachten 2014 eine „zunehmende Schieflage zwischen Ballungsräumen und der Fläche“ bei der ärztlichen, speziell hausärztlichen, Primärversorgung. Besonders der strukturschwache, ländliche Raum sei von einer gefährdeten Versorgungssituation betroffen. Gründe seien die Entleerung der ländlichen Gebiete sowie eine überdurchschnittlich stark alternde Bevölkerung. Der gesamtgesellschaftliche Prozess der Reurbanisierung führe zu einer Fehlverteilung mit Unterversorgung in ländlichen und Überversorgung in urbanen Regionen. Zusätzlich gebe es ein Fehlverhältnis bei Haus- und Fachärzten. Altersbedingt ausscheidende Hausärzte, deren Praxissitz nicht wiederbesetzt werde, könnten die Lage bereits bis 2020 extrem verschärfen.

Der SVR-Gesundheit spricht deshalb eine Empfehlung für die Einführung eines sogenannten Landarztzuschlags von 50 Prozent auf die Vergütung aus, um so einen finanziellen Anreiz für junge Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, sich in ländlichen Gebieten niederzulassen. Dies soll für Gebiete gelten, in denen der Versorgungsgrad 90 Prozent bei Hausärzten und 75 Prozent bei Fachärzten unterschreitet. Zur Planungssicherheit soll der Zuschlag eine garantierte Laufzeit von zehn Jahren haben.

Weiterhin empfiehlt der SVR-Gesundheit bei Unterschreiten eines Schwellenwertes von 75 Prozent an hausärztlicher Versorgung in einem Zulassungsbezirk, dass das Land den Auftrag der Sicherstellung der ambulanten Versorgung von den Krankenkassen oder Kassenärztlichen Vereinigungen übernimmt, um den stationären und den ambulanten Sektor zusammenzuführen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Empfehlung des SVR-Gesundheit zur Einführung eines sogenannten Landarztzuschlages?
  2. Inwieweit teilt die Landesregierung die Auffassung des SVR-Gesundheit, dass das Land Niedersachsen bei Unterschreiten eines Schwellenwertes an hausärztlicher Versorgung von 75 Prozent den Sicherstellungsauftrag selbst übernehmen sollte?
  3. Inwieweit ergreift die Landesregierung Maßnahmen zum Abbau von Überversorgung?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen

hat die Aufgabe, die Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung zu begutachten.

Gemäß § 142 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) soll er dabei Prioritäten

für den Abbau von Versorgungsdefiziten und bestehender Überversorgung entwickeln

sowie Möglichkeiten und Wege zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens

aufzeigen.

Die in der Anfrage angesprochenen Empfehlungen des Sachverständigenrates sind

Bestandteil des Gutachtens 2014 „Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für

ländliche Regionen und ausgewählte Leitungsbereiche“ und Teil der „Empfehlungen

zum Abbau von Unter- und Überversorgung“. Das Gutachten wurde am 23.06.2014

an Herrn Bundesminister Gröhe übergeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie

folgt:

Zu 1.:

Ein sogenannter Landarztzuschlag könnte ein Mittel unter mehreren sein, Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zu einer Niederlassung in schwächer versorgten Regionen zu bewegen.

Diese Maßnahme reicht aber nach Einschätzung der Landerregierung als alleiniger

Anreiz nicht aus. Weitere Faktoren, die eine Niederlassungsentscheidung beeinflussen,

wie z. B. das Angebot an Kindergärten und Schulen, Verkehrsanbindungen, Arbeitsstellen für die Ehepartnerin oder den Ehepartner spielen eine ebenso wichtige

Rolle.

Zu 2.:

Nach dem aktuellen Bedarfsplan der für die Sicherstellung der vertragsärztlichen

Versorgung in Niedersachsen zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) liegt kein hausärztlicher Planungsbereich (HPB) unter dem vom

Sachverständigenrat vorgeschlagenen Schwellenwert von 75 Prozent. Eine zuvor im August

2013 vom zuständigen Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen (LA)

festgestellte drohende Unterversorgung im HPB Munster (5,75 Hausärzte, Versorgungsgrad 61,1 Prozent) konnte durch Maßnahmen der KVN (Umsatzgarantie) beseitigt

werden. Der Versorgungsgrad beträgt nunmehr 80,2 Prozent bei 7,25 Hausärzten.

Das Bundeskabinett hat am 17.12.2014 den Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKVVersorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) beschlossen. Es ist vorgesehen, Beschränkungen beim so genannten Strukturfonds gemäß § 105 Abs. 1a SGB V aufzuheben. Aus dem Fonds können die Kassenärztlichen Vereinigungen bislang Fördermaßnahmen nur für Planungsbereiche erbringen, für die der LA (drohende) Unterversorgung oder zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf festgestellt hat. Diese einschränkende Vorgabe soll entfallen, was die Fördermöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigung deutlich ausweiten würde.

Die Landesregierung geht davon aus, dass die KVN die ihr zur Verfügung stehenden

Fördermöglichkeiten im Bedarfsfall umfassend nutzen und damit ihren Sicherstellungsauftrag weiterhin gemäß der rechtlichen Vorgaben erfüllen kann.

Ergänzend wird auf die Regelung in § 72a SGB V hingewiesen, die für einen dort

beschrieben Sonderfall den Übergang des Versorgungsauftrags an die Krankenkassen

vorsieht. Den Grundgedanken dieser Regelung aufgreifend, wäre aus Sicht der

Landesregierung auch für den unter Ziffer 2 dieser Anfrage genannten Fall auch der

Übergang an die Krankenkassen zu prüfen. Diese sind des Weiteren über ihre Beteiligung an den maßgeblichen Gremien (LA, Zulassungsausschüsse) und die vertraglichen

Regelungen in der vertragsärztlichen Versorgung bei der Sicherstellung bereits

jetzt umfassend eingebunden.

Zu 3.:

Für den Abbau von Überversorgung sieht das SGB V zwei Verfahren vor.

Gemäß § 105 Abs. 3 S. 2 SGB V kann in einem überversorgten Planungsbereich der

freiwillige Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt durch Aufkauf der Arztpraxis

durch die Kassenärztliche Vereinigung gefördert werden. Gemäß § 103 Abs. 3a SGB V entscheidet der Zulassungsausschuss im Vorfeld eines Verfahrens zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einem überversorgten Planungsbereich, ob – von bestimmten Privilegierungstatbeständen abgesehen – eine solche Nachbesetzung aus Versorgungsgründen überhaupt erforderlich ist. Der Zulassungsausschuss, der sich gemäß § 96 SGB V aus Vertretern der Ärzte und Krankenkassen zusammensetzt, verfügt in der Regel über die erforderlichen Erkenntnisse, um die regionale Versorgungssituation zu beurteilen.

Neben diesen im Rahmen des SGB V vorgesehen Möglichkeiten ergreift die Landesregierung keine Maßnahmen zum Abbau von Überversorgung.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.12.2014

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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