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Masern, Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung


Die Abgeordneten Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns, Björn Försterling, Christian Dürr und Jan-Christoph Oetjen (FDP) hatten gefragt:

Masern gelten, medizinisch gesehen, als eine hochgefährliche ansteckende Krankheit. Masern haben stets einen zweiphasigen Verlauf. Zunächst klagt der Erkrankte über hohes Fieber, Mattheit, Husten, Schnupfen sowie Entzündungen im Nasen-Rachen-Raum und der Augenbindehaut. Erst in Phase zwei bildet sich, wiederum begleitet von hohem Fieber, der charakteristische Masernausschlag. Da das Masernvirus das Immunsystem schwächt, treten in vielen Fällen bakterielle Folge- oder Begleiterscheinungen wie Mittelohrentzündungen oder Durchfall auf.

Die akute postinfektiöse Enzephalitis - eine Entzündung des Gehirns, zu der es in ca. einem von tausend Fällen kommt - tritt etwa 4 bis 7 Tage nach Auftreten des Ausschlags mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma auf. Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen endet sie tödlich, bei etwa 20 bis 30 Prozent muss mit Schäden am zentralen Nervensystem gerechnet werden.

Die gefürchtetste Komplikation ist jedoch die subakute sklerosierende Panenzephalitis - eine weitere Entzündung des Gehirns, die noch Jahre nach der Infektion als Spätfolge auftreten kann und immer tödlich verläuft.

Diese oft schweren Komplikationen und die Ansteckungsgefahr sind bekannt, die vielleicht einfach anmutende, aber wirksame Lösung auch: Ein möglichst breiter Flächenimpfschutz zur Erreichung der sogenannten Herdenimmunität.

Die Europäische Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfolgt das Ziel, die Masern zu eliminieren. Die Elimination in einem der Mitgliedsstaaten wird von der WHO als die völlige Abwesenheit endemischer (also im Land zirkulierender) Masernfälle über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten definiert.

Im Nationalen Impfplan der Länder ist das Leitziel einer Senkung der Maserninzidenz unter
1 Fall/1 000 000 Einwohner festgeschrieben worden. Gleichzeitig wurde als eines der gegenwärtig wichtigsten Ziele definiert, die Impfquote für die erste und zweite Masern-, Mumps-, Röteln- (MMR-) Impfung bei Kindern und Jugendlichen in allen Regionen der Bundesrepublik auf mindestens 95 % anzuheben.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Anzahl der Maserninfektionen in Niedersachsen in den letzten fünf Jahren entwickelt?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Rufe nach einer Impfpflicht?

3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den Meldungen über Masernausbrüche in Berliner Flüchtlingseinrichtungen für die niedersächsischen Einrichtungen, bzw. welche Vorbereitungen werden konkret getroffen?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Im Bereich des Infektionsschutzes ist die Elimination von Masern und Röteln ein prioritäres Gesundheitsziel der Landesregierung. Sie unterstützt damit die internationalen Bemühungen des Europäischen Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Masern und Röteln auszulöschen.

Da Masern zu den ansteckendsten Krankheiten zählen, ist für die Zielerreichung eine sehr hohe Immunität der Bevölkerung erforderlich: 95 Prozent der Kinder müssen daher zwei Mal gegen Masern (am besten in Kombination gegen Mumps und Röteln) geimpft sein. So lange es weltweit noch zu Masernfällen kommt, können Fälle aus anderen Ländern importiert werden, zu einzelnen Ansteckungen führen oder sich bei ungenügender Immunitätslage ausbreiten, wie dies derzeit in Berlin beobachtet wird.

International wird seit etwa einem Jahr in Bosnien-Herzegowina ein anhaltender Ausbruch mit bislang über 3 800 Fällen beobachtet, der zu importierten Fällen auch in Deutschland und Niedersachsen geführt hat.

Seit Beginn des Jahres sind in Niedersachsen 27 Masernfälle gemeldet worden. Zusätzlich befinden sich derzeit (Stand 11.03.2015) zwei Verdachtsfälle in der Abklärung. 20 Fälle können einem Ausbruchgeschehen in mehreren Familien zugeordnet werden, die in den vergangenen Monaten aus Bosnien-Herzegowina oder Serbien eingereist sind. Für zwei weitere Fälle, die in zeitlicher und räumlicher Nähe zu diesen Fällen stehen, konnte kein direkter Zusammenhang mit diesem Geschehen ermittelt werden. Die fünf weiteren Fälle aus Niedersachsen, die im Januar bekannt wurden, waren Einzelfälle ohne dass es zu einer Weiterverbreitung durch sie gekommen ist. Sie traten in unterschiedlichen Landkreisen auf und haben weder einen Zusammenhang untereinander noch zu dem oben genannten Geschehen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind keine Masernfälle bekannt geworden.

Seit 2007 wird in Niedersachsen ein konsequentes Masernmanagement durchgeführt. Von den örtlichen Gesundheitsbehörden werden im Falle des Auftretens von Masern unverzüglich Maßnahmen des Infektionsschutzes (u. a. Besuchsverbot von Kindergemeinschaftseinrichtungen für Erkrankte, Angebot von Impfungen) eingeleitet, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Dadurch konnten größere Ausbrüche verhindert werden. Insbesondere kann damit auch erreicht werden, dass keine Masernfälle in andere Regionen exportiert werden.

Für die Bevölkerung in Niedersachsen ist das Risiko einer ausgedehnten Weiterverbreitung der Masernviren aufgrund der hohen Durchimpfung als gering einzuschätzen. So waren in der Schuleingangsuntersuchung 2013 96,7 Prozent der Kinder mindestens ein Mal und 93,5 Prozent der Kinder zwei Mal gegen Masern geimpft.

Gleichzeitig wird beobachtet, dass inzwischen ein hoher Anteil der Erkrankten in Deutschland erwachsen ist. Dies bestätigt die hohe Durchimpfungsquote im Kindesalter. Es wird aber auch deutlich, warum die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln allen nach 1970 Geborenen von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut und damit in Niedersachsen öffentlich empfohlen ist.

Die Landesregierung empfiehlt daher allen Erwachsenen unter 45 Jahren, den Impfstatus zu überprüfen und sich ggf. ärztlich beraten zu lassen. Diese Empfehlung gilt unabhängig von dem aktuellen Geschehen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

In den Jahren 2010 bis 11.03.2015 wurden in Niedersachsen folgende Masernfälle übermittelt:

2010: 17

2011: 57

2012: 7

2013: 30

2014: 9

2015: 27 – Erläuterungen s. Vorbemerkung.

Bei den öffentlich ausgewiesenen Statistiken zu Masernfällen kann es zu geringfügigen Unterschieden kommen. So werden gemeldete Fälle vom Robert Koch-Institut nicht in die Statistik aufgenommen, wenn nicht alle typischen Symptome für eine Masern-Erkrankung vorliegen. Für 2015 sind dies bislang vier Fälle. Da bei diesen Fällen jedoch ein Labornachweis vorliegt, werden sie hier mit aufgeführt.

Zu 2.:

Die Landesregierung lehnt die Einführung einer Pflicht zur Impfung gegen Masern ab. Wie bereits in der Antwort vom 30. August 2013 (LT-Drs. 17/500) auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns u. a. (FDP) „Wie begründet die Landesregierung ihre Ablehnung der Impfpflicht?“ ausgeführt, wird durch eine Impfung in die körperliche Unversehrtheit eingegriffen. Sie bedarf daher der Einwilligung des Impflings oder der Sorgeberechtigten. Eine gesetzliche Impfpflicht greift stark in das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht ein und bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung. Auch ist immer zuvor zu prüfen, ob die Abwendung der gesundheitlichen Gefahr für die Bevölkerung nicht durch andere, mildere Maßnahmen erreicht werden kann.

Die aktuell in Niedersachsen beobachteten Fälle, wie sie einleitend beschrieben sind, und der Umstand, dass seit 2003 kein größerer Masernausbruch in Niedersachsen mehr aufgetreten ist, zeigt, dass es einer Impfpflicht nicht bedarf. Angesichts des geringen Risikos der flächenhaften Ausbreitung hält die Landesregierung eine flächendeckende Impfpflicht als staatliche Vorsorgemaßnahme für unverhältnismäßig; sie wäre mit dem Grundgesetz nach ihrer gegenwärtigen Einschätzung nicht vereinbar.

Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass andere, wirksame Vorsorgemaßnahmen zur Verfügung stehen: Neben der Durchführung eines konsequenten Ausbruchsmanagements stehen als weitere zentrale Elemente die Information der Ärzteschaft, die Aufklärung der Bevölkerung und letztlich die Möglichkeit zur eigenen Vorsorge durch eine freiwillige Impfung zur Verfügung. In diesem Zusammenhang wird auch die aktuelle Initiative der Bundesregierung begrüßt, dem Impfschutz von Kindern in Tageseinrichtungen ein besonderes Augenmerk zu schenken, indem vor Aufnahme die Inanspruchnahme einer ärztlichen Impfberatung nachzuweisen ist.

Zu 3.:

Personen, die in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, sind mitunter auch wegen der engen Wohnbedingungen grundsätzlich einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Aus diesem Grund besteht für diese Personen nach den Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes die Pflicht, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden. Diese Gesundheitsuntersuchung dient letztlich dem Ziel, andere in der Einrichtung lebende Personen sowie die Betreuenden und Bediensteten vor Infektionen und den hierdurch drohenden Gefahren zu schützen.

Neben einer körperlichen Untersuchung zum Ausschluss von Infektionskrankheiten wird durch serologische Untersuchungen auch festgestellt, ob eine Immunität gegen die weitgehend verhaltensunabhängig und leicht übertragbaren Krankheiten Masern, Röteln und Varizellen gegeben ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen dienen dazu, im Falle des Auftretens der genannten ausbruchsrelevanten Erkrankungen schnell zu reagieren und im Rahmen des Ausbruchsmanagements die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen einzuleiten; dies schließt das Angebot von Schutzimpfungen ein.

Im Falle eines Masernausbruchs in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge greifen darüber hinaus die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes. Der Landkreis oder die kreisfreie Stadt entscheidet grundsätzlich in eigener Verantwortung und nach den konkreten Umständen vor Ort über die erforderlichen Schutzmaßnahmen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes, die zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sind. Dazu kann die zuständige Gesundheitsbehörde insbesondere Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige absondern und unter Beobachtung stellen. Die entsprechenden Maßnahmen werden jeweils in Zusammenarbeit mit der Leitung der Einrichtung vor Ort umgesetzt.

Gemeinschaftseinrichtungen, zu denen auch Asylbewerberunterkünfte gehören, sind nach dem Infektionsschutzgesetz überdies verpflichtet, in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festzulegen. Hierfür stellt das Landesgesundheitsamt unterstützend Muster-Hygienepläne zur Verfügung. Gemeinschaftseinrichtungen obliegen der infektionshygienischen Überwachung durch die Landkreise und kreisfreien Städte.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.03.2015
zuletzt aktualisiert am:
20.03.2015

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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