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Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage: „Welche Anforderungen sind an die Selbstbestimmung demenziell erkrankter Bewohnerinnen und Bewohner in ambulant betreuten Wohngemeinschaften zu stellen?“

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Gudrun Pieper, Annette Schwarz, Norbert Böhlke (CDU) geantwortet:


Die Abgeordne­ten Gudrun Pieper, Annette Schwarz, Norbert Böhlke (CDU) hatten gefragt:

Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind nach Auffassung vieler Fachleute eine den Bedürfnissen demenziell erkrankter Menschen besonders gut entsprechende Wohnform.

Um ambulant betreute Wohngemeinschaften von Heimen abzugrenzen, sieht das Niedersächsische Heimgesetz (NHeimG) vor, dass die Wohnraumüberlassung und die Erbringung der ambulanten Betreuungsleistung nicht in derselben Hand liegen bzw. die Wohnraumüberlassung nicht an einen konkreten Betreuungsdienst gekoppelt sein darf. In diesen Fällen ist die Wohngemeinschaft nicht mehr selbstbestimmt und somit als Heim einzustufen.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 des NHeimG ist eine Wohngemeinschaft aber auch dann nicht selbstbestimmt, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner durch ambulante Betreuungsdienste in ihrem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt werden. Die rechtliche Auslegung dieser Regelung ist von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob sogenannte Demenz-WGs überhaupt selbstbestimmt sein können. Selbst in den Fällen, in denen die Wohnraumüberlassung unabhängig von der Beauftragung eines ambulanten Pflegedienstes ist und die jeweiligen Pflegeleistungen für jeden Bewohner individuell gewählt werden können, gibt es Unsicherheiten, was den Grad der Selbstbestimmung und demzufolge auch den rechtlichen Status dieser Wohngemeinschaften betrifft.

Der Deutsche Ethikrat verweist darauf, dass ambulant betreute Wohngemeinschaften sich als gute und die Selbstbestimmung weitestgehend wahrende Möglichkeit der Betreuung demenziell erkrankter Menschen erwiesen haben. Der Deutsche Ethikrat tritt auch dafür ein, den Begriff der Selbstbestimmung zum Wohle der Menschen mit Demenz möglichst weit zu fassen. Entscheidend bleibe, wie die für die Pflege und Betreuung Verantwortlichen bei der Bestimmung des Wohls der Betroffenen deren eigene Impulse und Mitwirkungsmöglichkeiten gewichten. Die bei Fortschreiten der Krankheit zunehmend immer weniger mögliche Selbstbestimmung werde dann durch die Bestimmung des Wohls seitens der Pflegenden und Betreuenden ersetzt.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Schließt sich die Landesregierung der Beurteilung des Selbstbestimmungsbegriffes durch den Deutschen Ethikrat an?
  2. Welche Handlungen dürfen ambulante Betreuungsdienste zum Wohle der Bewohnerinnen und Bewohner einer Demenz-WG vornehmen, ohne deren Selbstbestimmungsrecht einzuschränken?
  3. Ist die Einstufung einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft als selbstbestimmt oder nicht selbstbestimmt vom Fortschreiten der Erkrankung bei den Bewohnerinnen und Bewohnern abhängig?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

In der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde im Interesse einer Ausrichtung auf die demographischen Herausforderungen und die Stärkung der ambulanten Pflege nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ vereinbart, die Bil­dung innovativer selbstbestimmter Wohnformen wie Demenz-Wohngemeinschaften zu sichern. Darüber hinaus soll älteren Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, solange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben und Wohnen ermöglicht und ge­meinschaftliches Wohnen im Alter – auch für Demenzerkrankte – gefördert wer­den. Derzeit bereitet die Landesregierung eine entsprechende Weiterentwicklung des Niedersächsischen Heimgesetzes (NHeimG) vor.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 und 2:

In Anbetracht des Krankheitsbildes demenziell Erkrankter sowie der unterschiedlichsten denkbaren Situationen im Rahmen des vielfältigen Pflegealltags ist es nicht möglich, insbesondere die Frage 2 konkret oder gar in enumerativer Form zu be­antworten.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Klärung von Rechtsfragen oder der Abschluss von Rechtsgeschäften (z. B. Beantragung sozialer Leistungen, Abschluss von Kauf- oder Dienstverträgen) durch die Vorsor­gebevollmächtigten oder rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer erfolgen muss, wenn die Bewohnerinnen und Be­wohner krankheitsbedingt selbst dazu nicht mehr in der Lage sind.

Das Fort­schreiten einer demenziellen Erkrankung erschwert es den Betroffenen, ihr Selbstbestimmungsrecht umfassend wahrzunehmen und auszuüben. Gleichwohl ist es diesen Menschen möglich, verbal oder bei stärkerem Fortschreiten der Erkran­kung z. B. auch nonverbal, ihren Willen gegenüber Dritten zu vermitteln. Auch dieser so ausgedrückte Wille ist ungeachtet von Form und Art der Äußerung im Alltag zu beachten. Dabei hat beispielsweise das in der Pflege und Betreu­ung tätige Personal unter Berücksichtigung der Biografiearbeit in jedem Einzelfall den – ggf. vermuteten – Willen der Betroffenen zu ermitteln und zu beachten. Wenn eine Vorsorgevollmacht existiert, ist diese zur Wil­lensermittlung heranzuziehen und im Zweifel, gemeinsam mit dem Vorsorgebevoll­mächtigten, zu interpretieren. Soweit rechtliche Betreuerinnen oder Betreuer bestellt sind, sind Zweifelsfragen in direktem Kontakt mit diesen zu klären.

Zu 3:

Nein.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.12.2013

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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