Mündliche Anfrage: Ist die Droge Crystal Meth auch in Niedersachsen auf dem Vormarsch?
Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers und Dr. Thela Wernstedt (SPD) geantwortet.
Die Abgeordneten Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers und Dr. Thela Wernstedt (SPD) hatten gefragt:
Bundesweit nimmt die Zahl der Konsumierenden von Crystal Meth stark zu. So stieg die Zahl der Menschen in Deutschland, die Crystal Meth zum ersten Mal ausprobiert haben, laut BKA im Jahr 2012 um 51 %. 2013 wurden - auch das geht aus einer Statistik des BKA hervor - in Deutschland 77 kg des Metamphetamins beschlagnahmt, 2009 waren es noch 7 kg. Vor allem in den beiden an Tschechien angrenzenden Bundesländern Sachsen und Bayern ist die Droge bereits weit verbreitet.
Laut Experten gilt das Methamphetamin, das sehr schnell reizbar und abhängig macht, als eine der gefährlichsten Drogen der Welt. Eine erste öffentlich geförderte Studie hat darüber hinaus gezeigt, dass die Konsumierenden in jeder Gesellschaftsschicht zu finden sind.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie hoch sind die Beratungs- und Betreuungszahlen von Meth-Konsumierenden in den Suchtberatungsstellen in Niedersachsen, und wie haben sie sich in den letzten Jahre entwickelt?
2. Welche Mengen Crystal Meth wurden in Niedersachsen in den letzten Jahren durch Polizei, BKA und Zoll sichergestellt?
3. Was tut das Land Niedersachsen, um den Konsum von psychoaktiven Substanzen einzudämmen?
Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Sowohl Methamphetamin (Crystal) als auch Amphetamin (Speed) sind indirekte Sympathomimetika. Somit sind es Substanzen, die diejenigen Teile des Nervensystems aktivieren, die für die Körperfunktionen im Wachzustand und in Alarmbereitschaft verantwortlich sind.
Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie die Blut-Hirn-Schranke besonders gut passieren können und deshalb starke Effekte auf das zentrale Nervensystem haben, im Sinne eines bewussten Gefühls der Wachheit in Verbindung mit Euphorie und Appetithemmung. Neben der Wachheit wird häufig ein ausgeprägter Rededrang und ein übersteigertes Selbstwertgefühl beschrieben sowie häufig eine besondere Faszination darin, über lange Zeiträume ordnende oder andere repetitive Tätigkeiten auszuüben. Ein Abhängigkeitspotenzial wird sowohl bei Amphetamin als auch bei Methamphetamin beschrieben.
Psychiatrische Störungen können bei besonders disponierten Personen bereits durch moderaten Konsum, ansonsten durch intensiven und/oder langjährigen Konsum, begünstigt werden. Neben psychischen Symptomen, wie Ängsten und Depressionen, die durch den Schlafentzug und die Effekte der Substanzen auf das vegetative Nervensystem begünstigt werden, können die Substanzen auch Wahrnehmungsstörungen sowie Verfolgungs- und Zwangsgedanken hervorrufen. Auch eine besonders aggressive Grundstimmung und länger anhaltende Störungen in der Konzentrationsfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses können auftreten.
Besonders bei intensivem und/oder langjährigem Konsum können vielfältige
Körperschäden auftreten. Diese erstrecken sich von Zahnschäden bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wie häufig solche Komplikationen auftreten ist schwer abzuschätzen, da sie wahrscheinlich außerhalb des suchtbezogenen Hilfesystems behandelt und möglicherweise nicht immer mit dem Substanzkonsum in Verbindung gebracht werden.
Es gilt zu berücksichtigen, dass die illegal produzierten Substanzen von sehr unterschiedlicher Qualität sind, was Konsumenten meist nicht abschätzen können. Neben den Risiken, die von der (Haupt-) Substanz ausgehen, bedingen unerwartete zusätzliche psychotrope Substanzen, Verunreinigungen aus dem Herstellungsprozess, Streckmittel und Schwankungen im Wirkstoffgehalt ein zusätzliches Gefährdungspotenzial.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Suchthilfestatistik der ambulanten Einrichtungen in Niedersachsen (75 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention) wird für jedes Kalenderjahr von der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (NLS) erhoben. Die aktuellsten, verfügbaren Daten stammen aus dem Erhebungsjahr 2012.
In den Fachstellen für Sucht und Suchtprävention (FSS) wurden 27.434 Klienten im Jahr 2012 beraten und betreut. In der Hauptdiagnose hatten ca. 59% der Klienten eine Alkoholproblematik. Ca. 21 % der Klienten kamen in Zusammenhang mit Opioiden, ca. 16 % kamen mit einer Cannabisproblematik in die Fachstellen. Kokain war in ca. 2 % der Fälle der Anlass für die Beratungen. 1,6% der Klienten meldeten als Hauptproblem „Missbrauch oder Abhängigkeit von Stimulanzien“. In diese Gruppe gehören alle Klienten, die Ecstasy, Speed oder Crystal (u. ä.) konsumieren.
Die Beratungs- und Betreuungszahlen im Themenfeld Amphetamin/ Methamphetamin werden nicht einzeln erfasst. Es werden die Fallzahlen für die Diagnose F15.2 (Missbrauch oder Abhängigkeit von Stimulanzien) der Diagnoseklassifikation der International Statistical Classification of Deseases and Related Health Problems (ICD), die auch den Crystalmissbrauch umfasst, zusammengefasst erhoben.
In 2012 wurden insgesamt 2.406 Fälle registriert. Überwiegend war der „Missbrauch oder die Abhängigkeit von Stimulanzien“ eine Nebendiagnose. Nur in 435 Fällen (1,6 % aller Fälle) wurde F15.2 als Hauptdiagnose angegeben.
Die NLS hat in der 32. Kalenderwoche diesen Jahres eine Blitzumfrage zu Methamphetamin in den FSS und den stationären Reha-Einrichtungen in Niedersachsen durchgeführt, die folgende Momentaufnahme für den Zeitraum Januar-Juli/August 2014 ergeben hat:
87 Beratungsfälle im ambulanten Bereich
58 Behandlungsfälle in stationären Einrichtungen.
Damit bewegen sich die für Niedersachsen ermittelten Fallzahlen von Methamphetamin-Klienten (sowohl im ambulanten als auch stationären Setting) derzeit auf einem relativ niedrigen Niveau.
Zieht man als Maßstab die Klientenzahlen anderer Suchtmittel heran, ergibt sich hier derzeit eine verhältnismäßig geringe Belastung in Niedersachsen für die Methamphetamin-Problematik.
Zu 2.:
Sicherstellungen ab 1g Crystal Meth werden durch alle Bundesländer, das BKA und den Zoll in der Falldatei Rauschgift (FDR) erfasst. Die sich hieraus ergebenden Sicherstellungsmengen in Niedersachsen sind nachfolgend dargestellt:
Tabelle1: Sichergestellte Rauschgiftmengen (Chrystal) in Niedersachsen:
Jahr |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
2014 Bis (30.09.) |
Gramm |
950 |
2,5 |
1890,6 |
333 |
65,9 |
36,2 |
Zu 3.:
Die Nds. Koalitionsvereinbarung setzt einen Schwerpunkt in der Suchtpolitik in der Thematik „psychoaktive Substanzen“. Crystal ist eine von mehreren chemischen Substanzen bzw. Substanzzusammensetzungen (psychoaktiven Substanzen) auf dem Drogenmarkt.
Das Land Niedersachsen fördert mit freiwilligen sozialen Leistungen die NLS und die 75 FSS institutionell. Die Förderrichtlinie sieht vor, suchtmittelübergreifend zu arbeiten. Bereits Anfang 2013 wurde im Konsens mit den Trägern der Suchthilfeeinrichtungen (Wohlfahrtspflege), vertreten in der NLS, zwischen der Geschäftsstelle der NLS und der Landesdrogenbeauftragten eine aktuelle Schwerpunktsetzung im Thema psychoaktive Substanzen abgestimmt.
Die NLS hat ihre Jahrestagung im Juli 2014 auf das Thema „Neue psychoaktive Substanzen“ ausgerichtet. Dabei wurden pharmakologische, toxikologische und rechtliche Aspekte zu den neuen Substanzen behandelt, Informationen zu Prävalenzdaten, Konsummustern und Konsumentengruppen vermittelt und Möglichkeiten der zielgerichteten Prävention, Beratung und Behandlung aufgezeigt.
Die NLS hat weiterhin in diesem Jahr mit finanzieller Zuwendung in Höhe von ca. 20.000 Euro durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ein Projekt zu neuen psychoaktiven Substanzen durchgeführt.
Die Zielgruppe der Fachkräfte für die Suchtprävention und Suchtberatung aus dem Netzwerk der FSS wurden im Hinblick auf neue psychoaktive Substanzen fortgebildet. Zudem wurden Schulungsmaterialen zum Thema entwickelt. Die Fachkräfte sollen in die Lage versetzt werden, kompetent und angemessen im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit über die Wirkweisen und gesundheitlichen Risiken neuer psychoaktiver Substanzen aufzuklären und zu beraten bzw. gezielt in weiterführende Hilfen vermitteln zu können. Das Projekt wurde gut angenommen.
Das Thema „neue und alte psychoaktive Substanzen“ ist somit als ein wichtiges Schwerpunktthema in der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen und in den 75 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention verankert. Zusätzliche, substanzbezogene Schwerpunktsetzungen, z.B. in Bezug auf Crystal Meth, können je nach Problemlage in den Fokus genommen werden.
Die Umsetzung dieser Strategien wird von polizeilichen Präventionsmaßnahmen flankiert, wobei der Drogenprävention an sich ein hoher Stellenwert beigemessen wird. In diesem Kontext investiert das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) u.a. rund 30.000 Euro pro Jahr für zentrale Angelegenheiten der Kriminalprävention, von denen ein Teil der Drogenprävention zugute kommt. Ferner verfügen alle Polizeidirektionen über Bereichsbudgets, aus denen in eigener Zuständigkeit auch Präventionsmaßnahmen finanziert werden.
Darüber hinaus unterstützt die niedersächsische Polizei die Erstellung entsprechender Präventionsmedien, die unter der Federführung des „Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK)“ erstellt werden. Dazu gehören z.B. die Broschüre „Sehnsucht“, die PC-Spiele „Luka I & II“ und Filme „Mondlandung“, die die Themen Drogen, Sucht und Drogenprävention entsprechend behandeln.
Das LKA NI hat für die Altersgruppen ab dem 6. Schuljahrgang altersgerechte Themenflyer u.a. zum Thema Sucht und Drogenmissbrauch entwickelt. Diese Flyer werden über die Polizeidienststellen Niedersachsens nach Bedarf angefordert und entsprechend verteilt. Des Weiteren wird eine Vielzahl an Broschüren, Flyern und Faltblättern verschiedener bundesweiter Institutionen zum Thema Suchtprävention eingesetzt.
Auch wurde sichergestellt, dass Polizeidienststellen in Niedersachsen sowie sonstige Initiatoren förderungswürdiger Präventionsprojekte auf Anfrage entsprechende Unterstützung durch Ausstellungsstände, Poster, Materialien und Personal erhalten. In dem Zusammenhang werden auch Fortbildungen auf Nachfrage für Lehrer, Eltern, Erzieher und Übungsleiter etc. zum Thema Drogenprävention angeboten.
Schließlich wurde im LKA NI im Jahr 2010 ein Ordner „Suchtprävention“ als Arbeits- und Orientierungshilfe für alle niedersächsischen Polizeibeamte/innen, die im Bereich der Suchtprävention tätig sind, erstellt. Der Ordner beinhaltet alle Themenbereiche, die mit dem wachsenden Arbeitsfeld polizeilicher Suchtprävention in Verbindung stehen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
24.10.2014
Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger