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Unterrichtung des Niedersächsischen Landtages durch Gesundheitsministerin Daniela Behrens über die Aussetzung des Covid-19-Impfstoffs AstraZeneca

Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Daniela Behrens


Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17.03.2021


– Es gilt das gesprochene Wort –

„Ich möchte den Landtag heute unterrichten über die temporäre Aussetzung des Covid-19-Impfstoffs AstraZeneca.

Diese Aussetzung belastet sicherlich das Vertrauen ins Impfen insgesamt und könnte dazu führen, dass sich die bisherigen Bedenken, die einige Menschen diesem Impfstoff entgegenbringen, verstärken. Das Impfen eines Großteils der Bevölkerung ist aber der einzige Weg, um diese Pandemie zu beenden und sich einem normalen Leben, wie wir es vor der Pandemie kannten, zuzuwenden.

Zum Impfen müssen wir aufklären, informieren, Menschen Orientierung und Sicherheit geben. Daher ist es wichtig, den Landtag über die aktuellen Ereignisse zum Impfstoff AstraZeneca zu unterrichten.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat am 15.03.2021 empfohlen, die Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca vorübergehend auszusetzen. Von der Aussetzung der Impfungen sind sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen betroffen. Und auch die Lieferungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca sind seit vorgestern vorläufig ausgesetzt.

Die Bundesregierung ist der Empfehlung gefolgt. Für Niedersachsen gibt es hier keinen Spielraum, anders zu entscheiden. Und als Gesundheitsministerin könnte ich nicht verantworten, solche Hinweise zu ignorieren.

Als Grund hat das für Arzneimittelzulassungen zuständige Institut, die in Deutschland und in Europa aufgetretenen schwerwiegenden thrombotischen Ereignisse der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung benannt. Man hält weitere Untersuchungen für notwendig.

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA wird nun entscheiden, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken. Derzeit laufen wissenschaftliche Untersuchungen. Anschließend wird die EMA eine abschließende Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils des Impfstoffs vornehmen und entscheiden, ob die Zulassung weiter Bestand hat.

Das Paul-Ehrlich-Institut hat uns mitgeteilt, dass mit einem ersten Ergebnis noch in dieser laufenden Woche zu rechnen ist. Eine rasche Einordnung halte ich für dringend geboten, um das Vertrauen in den Impfstoff zu stärken bzw. wiederherzustellen.

Ich möchte unterstreichen, dass die Entscheidung der temporären Aussetzung von AstraZeneca eine Vorsorgemaßnahme ist. Damit wird sichergestellt, dass ganz selten aufgetretene Erkrankungen, die möglicherweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen hindeuten könnten, sorgfältig wissenschaftlich geprüft werden. Jedes Risiko soll bestmöglich ausgeschlossen werden.

Was ist im Zusammenhang von AstraZeneca festgestellt worden? Mit Stand vom 10.03.2021 wurden laut Europäischer Agentur für Arzneimittel (EMA) 30 Fälle von thrombo-embolischen Ereignissen bei mehr als 5 Millionen mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpften Personen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gemeldet.

Diese Anzahl ist nicht höher als die Zahl der thrombo-embolischen Ereignisse, die statistisch zufällig in der Bevölkerung auch ohne Impfung vorkommen würden. Aber sie fanden in einer zeitlichen Nähe zur Impfung statt.

In Deutschland sind bis zum 11.03.2021 insgesamt sieben Meldungen über unterschiedliche thrombo-embolische Ereignisse bei etwa 1,2 Millionen Impfungen berichtet worden. Vier Personen davon verstarben. Ein Fall von diesen 7 Fällen ist in Niedersachsen aufgetreten.

Die Impfung der betroffenen Person passierte am 26.02.2021. Laut Meldung an das NLGA ist bei der betroffenen Person am 08.03.2021 eine Bewusstseinseintrübung neu aufgetreten.

Die deutschen Fälle werden mit untersucht. Ich hoffe - wie gesagt – auf eine rasche Klärung. Für die laufende Impfkampagne in Deutschland als auch in Niedersachsen ist die Aussetzung des Impfstoffs AstraZenenca zunächst ein Rückschlag, denn der Impfstoff ist für die gesamte Impfkampagne in Deutschland grundsätzlich von großer Bedeutung.

Nach Angaben des Bundes waren mehr als 16,9 Mio. Impfdosen im 2. Quartal von AstraZeneca geplant. So müssen wir – am heutigen Tag – davon ausgehen, dass sich das Impftempo deutschlandweit und auch in Niedersachsen für die Dauer der Aussetzung der Impfung deutlich verringern.

Der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca macht derzeit in der niedersächsischen Impfkampagne rund ein Viertel der Gesamtkapazität aus. In Niedersachsen haben wir rund 160.000 Impftermine, die bereits für den Impfstoff von AstraZeneca vergeben worden sind, vorgestern gestoppt und die Betroffenen informiert. Diese Weisung habe ich sofort nach Erhalt der Meldung aus dem Bundesgesundheitsministerium gegeben.

Wir haben die Impfzentren als auch unseren Dienstleister unverzüglich gebeten, die Impftermine umzubuchen und auf den BioNTech-Impfstoff zu wechseln.

Bis einschließlich 15.03.2021 sind in Niedersachsen insgesamt 160.369 Impfungen mit AstraZeneca durchgeführt worden. Dabei handelt es sich allein um Erstimpfungen. Zweitimpfungen wurden bislang nicht verabreicht.

Ein erster Impfschutz stellt sich schon nach der ersten Impfung ein. Für einen vollständigen Impfschutz sind bei dem AstraZeneca-Impfstoff aber zwei Impfstoffdosen notwendig. Die notwendigen Zweitimpfungen haben wir ab der 15. Kalenderwoche gebucht.

Vor dem Hintergrund, dass der Impfabstand zwischen den beiden Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca zwölf Wochen betragen soll und auch ein Überschreiten des Impfabstands nicht dazu führt, dass die Impfung nicht mehr wirkt, sollten in Ruhe die Ergebnisse der aktuellen Überprüfung abgewartet werden. Denn wenn es zu einer schnellen Wiederzulassung kommt, kann die Zweitimpfung wie vorgesehen auch mit AstraZeneca durchgeführt werden.

Wir können für die Zweitimpfung keinen anderen Impfstoff verwenden. Denn es liegen derzeit noch keine Daten zu einer Kombination verschiedener Impfstoffe vor. Aktuell laufen hierzu Studien. Aus diesen Gründen sollte derzeit der Impfschutz nicht mit einem anderen Impfstoff komplettiert werden.

Wir haben – wie erwähnt – 160.000 Termine absagen müssen.

Insgesamt haben wir in Niedersachsen mit Stand vom 15.03.2021 331.200 gelieferten Dosen von AstraZeneca vorrätig. Davon wurden bislang 295.200 Dosen an die Impfzentren ausgeliefert, um verimpft zu werden. Einen kleinen Anteil halten wir – so wie vorgeschrieben – als Reserve zurück, v.a. um Lieferengpässe zu überbrücken.

Wir nutzen den AstraZeneca-Impfstoff vor allem für die Impfung der Berufsgruppen sowie der Älteren. Hier müssen wir nun zunächst umsteuern auf den BioNTech-Impfstoff. Es kann nicht abgeschätzt werden, wann die Impfungen mit AstraZeneca wieder starten können. Wenn das Go kommt, können die Impfzentren zügig wieder loslegen.

Wir hatten eigentlich vor, AstraZeneca ab Mitte April (12.04.2021) in den Impfzentren nicht mehr für Erstimpfungen einzusetzen, sondern nur noch für Arztpraxen vorzusehen, da er leichter handhabbar ist (normale Kühlung bei 2 – 8°C). Es ist erklärtes Ziel, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Zug um Zug ab April in die Impfkampagne flächendeckend einzubinden. Diese Pläne müssen wir nun zusammen mit dem Bund, der für die Versorgung mit Impfstoffen zuständig ist, überdenken.

Für die Grundlast der Impfzentren in Niedersachsen sollte AstraZeneca ab April aber keine Rolle mehr spielen. Daher müssen wir die grundsätzliche Impfplanung für die Impfzentren in Niedersachsen derzeit nicht anpassen. Für die Grundlast verwenden wir die mRNA-Impfstoffe – also BioNTech und Moderna. Die Planungen in den Impfzentren werden daher fortgesetzt, damit kann der Ausfall von AstraZeneca vorläufig kompensiert und die ausgefallenen Termine schnellstmöglich auf den mRNA Impfstoff umgebucht werden.

Der Bund hat angekündigt, dass die erwartete Liefermenge von BioNTech sich erhöht. Wir haben das nächste Treffen der GMK am Freitag. Ich hoffe, dann erfahren wir die Details.

Insgesamt haben in Niedersachsen die Impfungen an Tempo gewonnen. Derzeit haben wir rund 880.000 Impfungen (seit 27.12.2020) vorgenommen. Das System der Impfzentren steht und funktioniert einwandfrei.

Vor der Aussetzung von AstraZeneca waren wir werktäglich bei fast 30.00 Impfungen in ganz Niedersachsen. Durch den Ausfall von AstraZeneca hatten wir vorgestern eine kleine Delle mit 23.213 Impfungen (gestern: 19.896 Impfungen ohne AZ). Die Termin-Umplanungen brauchen etwas Zeit.

Wir arbeiten in der Impfkampagne mit einem klugen System von Terminvergaben in Kombination mit Wartelisten. So können wir je nach Impfstoff-Lieferung Impftermine organisieren, Personen auf der Warteliste rasch nachziehen.

Wir haben ab dieser Woche die über 70-Jährigen aufgerufen, sich jahrgangsweise für eine Impfung zu registrieren. Das wird auch sehr gut genutzt. Wir werden nun – durch den Wegfall von AstraZeneca – die Impftermin- und Wartelisten durchschauen, um sicherzugehen, dass die über 80-Jährigen entsprechend gelistet sind.

Insgesamt wird die Impfkampagne in Niedersachsen mit hohem Elan weitergeführt. Ich wünsche mir, dass die EMA jetzt sehr zügig entscheidet. Immerhin hat man mit den zahlreichen Impfungen in Großbritannien eine gute Datenbasis zur Risikoermittlung. Sobald die Wiederfreigabe des Impfstoffs AstraZeneca kommt, werden wir die Impfungen fortsetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“


Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.03.2021

Ansprechpartner/in:
Anne Hage

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