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Mission: Inklusion stärken! Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen Petra Wontorra appelliert zum 29. Protesttag der Menschen mit Behinderungen „Gerade mit Corona muss Inklusion gelebt werden!“

Petra Wontorra appelliert zum 29. Protesttag der Menschen mit Behinderungen „Gerade mit Corona muss Inklusion gelebt werden!“


Angedacht waren für den Protesttag Themen wie ein besserer Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt sowie mehr Teilhabe- und Teilgabe-Möglichkeiten in allen Gesellschaftsfeldern. Die Corona-Krise zeigt uns jedoch noch viele weitere Defizite auf. Barrierefreie Informationen, die alle Menschen miteinbeziehen, fehlen genauso wie passende Hilfen zur Beschulung zu Hause. Diejenigen, die Assistenz oder Unterstützung benötigen, leiden besonders unter der Situation. Der Weg aus dieser Krise muss daher barrierefrei und inklusiv gestaltet werden.

„Teilhabe ohne Einschränkungen brauchen wir im täglichen Leben wie auch in Ausnahmesituationen. Auch hier müssen alle Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedarfen mitgedacht werden“ fordert die Landesbeauftragte alle Verantwortlichen auf. Wenn in diesem Jahr im Rahmen des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung der lautstarke Protest digital erfolgen muss“ so Wontorra „wird noch einmal besonders deutlich, dass nicht alle Menschen beim digitalen Protest mitmachen könnten. Nicht jede und jeder hat den Zugang zum Internet und zu barrierefreien Informationen.“ Noch sind nicht alle Einrichtungen so ausgestattet, dass Internetanschluss und Endgeräte vorhanden sind. Dazu kommen oft weitere Kommunikations-Hemmnisse. Die Landesregierung stellt inzwischen aktuelle Informationen in Gebärdensprache und Leichter Sprache zu den Wirkungen des Virus sowie zu den Kontaktbeschränkungen zur Verfügung.

Weil die Privatwirtschaft bisher noch nicht zur barrierefreien Kommunikation verpflichtet ist, kann beispielsweise das Online-Einkaufen für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen zu einem Alptraum werden. Gerade die aktuelle Situation verschlimmert schon bestehende Barrieren. „Die Tendenz zu Ausgrenzung und Separation von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten nimmt weiter zu", heißt es auch in einem von AbilityWatch veröffentlichten Aufruf für die Online-Kundgebung. Menschen mit Behinderungen erleben in diesen Tagen oft Ausgrenzungen, weil ihre Bedarfe noch immer nicht von Anfang an mitgedacht werden. Auch wenn die Schulen nach und nach wieder ihre Türen öffnen, so ist zu vielen Kindern mit Behinderungen der Weg zu gleichberechtigter Bildung versperrt. „Das Recht auf inklusive Bildung ist schon ohne die neuen Hygiene- und Abstandsregeln nicht auf allen Ebenen optimal umgesetzt. Nun sind alle herausgefordert, kluge Lösungen zu finden, um sowohl Schutz wie auch Rechte umzusetzen. Dabei gilt es immer, die Menschenrechte auf gleichberechtigte und vollwirksame Teilhabe im Blick zu haben und umzusetzen. Auch Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen oder mit Förderbedarf brauchen den gleichen Zugang zur Bildung wie ihre nicht beeinträchtigten Mitschülerinnen und Mitschüler.

Viele Menschen leider derzeit unter Ängsten. Sei es, wenn es in den Kliniken eng würde, kein Intensivbett zu bekommen, weil andere Menschen ohne Vorerkrankungen eine bessere Prognose haben könnten. Sie plagen Zukunftsängste oder leben mit Verstärkungen ihrer seelischen Probleme. „Das alles darf nicht unterschätzt werden, wir müssen uns jetzt darauf einstellen, dass der Bedarf an Therapieplätzen weiter stark ansteigen wird“ weist die Landesbeauftragte hin. Auch der Zugang zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation wird dringend benötigt. Therapiepausen können Verschlechterungen und weiteren zusätzlichen Behandlungsbedarf nach sich ziehen.

„Pflegekräfte erfahren momentan viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung“ begrüßt Wontorra und appelliert: „Diese Berufsgruppe ist absolut systemrelevant. Doch was passiert, wenn der Jubel verstummt? Das Problem ist lange bekannt: Es ist historisch gewachsen, dass Pflege schon immer zu den unterbezahlten Jobs zählt. Assistenten und Assistentinnen erhalten oftmals gerade den Mindestlohn, immer unter dem Sparzwang von Kostenträgern. Pflegekräfte und Assistenzen leisten hervorragende Arbeit und sind in der Zeit der Krise oft außerordentlich flexibel. Sie haben außerdem ein erhöhtes gesundheitliches Risiko, weil Schutzmaßnahmen, wie etwa Abstandsregeln, in der persönlichen Assistenz nicht möglich sind. Es muss grundsätzlich eine Veränderung der Wertschätzung durch adäquate Bezahlung der wichtigen Pflege- und Assistenzarbeit geben“.

Wenn über weitere Lockerungen entschieden wird, müssen auch jene, die mit starken Einschränkungen ihrer Grundrechte leben müssen, mitgedacht werden. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht weiterhin in Einrichtungen eingesperrt werden. Keine Besuche von Familie und Bekannten, kein Verlassen der Einrichtungen ist möglich ohne dass es bei der Rückkehr automatisch zu einer 14-tägigen Voll-Quarantäne kommt. Wer als Mensch, der seine Wohnung zumindest zum Einkaufen, Sport machen oder zum Spazierengehen oder
–rollern verlassen kann, wenn er es möchte, kann sich in die Situation der Menschen in den Einrichtungen vorstellen.

Auch wenn einige Menschen bereits Vorerfahrungen haben, wenn sie ausgegrenzt werden: Defekte Aufzüge, fehlende Hilfsmittel oder nicht geeignete Wohnungen verdammen schon viel zu lange Menschen mit Behinderungen zum Ausgeschlossen sein von der Umwelt. „Die unter der Corona verhängten und selbst erlebten Begegnungsverbote könnten zumindest bei einigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern ein Umdenken hervorrufen, wenn es um die Beachtung der Menschenrechte auch für Menschen mit Behinderungen geht. Und das gilt selbstverständlich für alle bereits bestehenden Nachteile von Menschen mit Behinderungen, diese dürften jetzt erst Recht nicht in den Hintergrund geraten“ mahnt Wontorra und ruft auf „Potentiale und Talente von Menschen mit Behinderungen zu entdecken und zu fördern“.

Schmuckgrafik (zum Artikel: Pressemitteilungen) Bildrechte: LGLN

Artikel-Informationen

erstellt am:
04.05.2020

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