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Appell der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, Petra Wontorra: Teilhabe und Inklusion trotz Infektionsschutz aufrechterhalten

Zum heutigen internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen appelliert Petra Wontorra, die Niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, an Politik und Gesellschaft: „In diesen Zeiten der Pandemie muss der Infektionsschutz immer auch die Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen.“

Die Landesbeauftragte erreichen täglich zahlreiche Schreiben von Menschen, die sich durch die derzeitigen Umstände ausgegrenzt fühlen. „Auf der einen Seite können einige Menschen mit Behinderungen nicht völlig auf soziale Kontakte verzichten, weil sie auf Assistenz oder Pflege angewiesen sind. Auf der anderen Seite dürfen besondere Schutzmaßnahmen für die vulnerable Gruppe nicht zur Isolation führen“, betont Wontorra.

Wie ein Brennglas macht die Corona-Krise die Probleme in unserer Gesellschaft sichtbar. Sie trifft in hohem Maße besonders die verletzbare Gruppe, also die Menschen mit Vorerkrankungen oder Behinderungen, die bei einer zusätzlichen Erkrankung mit dem Virus ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Dazu gehört auch, dass der Infektionsschutz in Einrichtungen auch der Eingliederungshilfe während des ersten Lock-Downs über die Rechte auf Teilhabe gestellt wurde. Daraus hat man gelernt und vieles wird jetzt besser gemacht.

Dennoch fehlt oftmals die Perspektive der Menschen mit Behinderungen und deren Recht auf Teilhabe auch und gerade in der Pandemie in den Medienberichten. Viele Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige leben derzeit streng isoliert, aus Angst sich mit dem Virus anzustecken. Das ist eine hohe Belastung für die ganze Familie. Aufgrund von Hygienevorschriften erfahren Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen, auch wenn diese nicht zur verletzbaren Gruppe gehören, mehr Einschränkungen als Menschen, die eigenständig und selbstbestimmt leben.

Manche Menschen mit Behinderungen haben Schwierigkeiten, an umfassende Informationen zur Pandemie zu kommen. „Alle Menschen müssen beim Zugang öffentlicher Informationen, wie der aktuellen Berichterstattung rund um die Corona-Pandemie, gleichberechtigt eingebunden werden“, betont Wontorra, „Nachrichten, Fernsehauftritte oder Pressekonferenzen müssen Gebärdensprache, Audiodeskription, Untertitelung sowie Informationen in Leichter Sprache umfassen. Hier sind wir auf einem guten Weg, der noch ausbaufähig ist und verstetigt werden muss.“

Um gestärkt aus der Krise hervorgehen zu können, brauchen wir noch mehr Begleitung und Seelsorge. „Menschen mit Behinderungen müssen die Pandemie und die immer neuen Maßnahmen bei Bedarf auf Augenhöhe erklärt bekommen können. Personen, deren Rituale wegfallen, die vereinsamen oder psychische Folgeerkrankungen entwickeln, brauchen frühzeitig auch psychologische Unterstützung,“ fordert Wontorra. „Wir brauchen niedrigschwellige barrierefreie Angebote, die genau bei diesem Personenkreis ansetzen. Wir müssen immer auch auf die seelische Gesundheit schauen.“

So sollten auch pflegende Angehörige mit der vulnerablen Gruppe zusammen zuerst geimpft werden. „Denn wenn die betreuenden Personen ausfallen, dann gibt es niemanden, der sich um die zu Pflegenden kümmert“, mahnt Wontorra und ergänzt zu den Impfzentren und mobilen Teams: „Diese müssen am besten zusammen mit dem örtlichen Beirat für Menschen mit Behinderungen und den Behindertenbeauftragten vor Ort aufgebaut werden, sodass diese überall zugänglich, auffindbar und barrierefrei sind.“

„Die Belange von Menschen mit dauernden wie auch zeitweiligen Beeinträchtigungen sind nicht ausreichend im Bewusstsein von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik angekommen“, schlussfolgert Wontorra, „Dieses Beispiel der Auswirkungen der Pandemie auf die Menschen mit Behinderungen zeigt, wie wichtig die politische Arbeit für und mit Menschen mit Behinderungen als Querschnittsaufgabe vor Ort und in diversen Gremien ist. Inklusion und Teilhabe sowie die (digitale) Barrierefreiheit müssen noch mehr in politische Diskussionen und in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken.“


Warum Petra Wontorra den gängigen Begriff „Risikogruppe“ unpassend findet:

„Die Personen, die mit der „Risikogruppe“ gemeint sind, sind nicht „das Risiko“. Das Risiko sind das Virus und die Auswirkungen der Pandemie. Deshalb spreche ich von der „verletzbaren Gruppe“. Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen und/oder in hohem Alter könnten einen schwereren Verlauf der Erkrankung haben. Oft verwendet wird auch der Begriff „vulnerable Gruppe“. Hier kommen noch Menschen hinzu, die wohnungs- oder obdachlos sind und die, die sich aufgrund von Armut nicht mit teuren Masken schützen können.“

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
02.12.2020

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