Juliane Bartel Medienpreis verliehen
Niedersachsens Sozial- und Frauenministerin Cornelia Rundt: „Medien tragen dazu bei, ein modernes Rollenbild zu fördern“
Niedersachsens Sozial- und Frauenministerin Cornelia Rundt hat sechs Autorinnen und Autoren mit dem Niedersächsischen Juliane Bartel Medienpreis 2013 ausgezeichnet. Gewinnerinnen und Gewinner der Sparte Fernsehen sind Sarah Judith Mettke, Jesko Friedrich und Dennis Kaupp sowie Maria Blumencron. Im Bereich Hörfunk erhielten den Preis Laura Freisberg und Julia Fritzsche.
„Medien können entscheidend dazu beitragen, in unserer Gesellschaft ein modernes Rollenbild von Frauen und Männern zu fördern“, sagt Niedersachsens Sozial- und Frauenministerin Cornelia Rundt. „Sie haben die Chance, eine aktive Rolle zu übernehmen und neue Bilder zu entwickeln. Gerade im Fernsehen zeigen sich auch Veränderungen. Es gibt starke Frauenbilder, kompetent und sozial engagiert. Allerdings: Wenn wir Details genau unter die Lupe nehmen, zeigen sich immer noch viele Geschlechterstereotypen: Frauen spielen seltener die Hauptrolle, sie sind im Durchschnitt deutlich jünger als die Männer und passen in das Idealbild uniformer Schönheit. Männer spielen häufiger die aktiven, zupackenden Rollen.
Der Preis, der dieses Jahr zum 13. Mal verliehen wird, würdigt die kreative Auseinandersetzung mit einer differenzierten und geschlechtergerechten Darstellung von Frauen und ihren Lebenswelten in den Medien. Er ist nach der Journalistin Juliane Bartel (1945 – 1998) benannt, die als gradlinige, kritische sowie humorvolle Person für einen fairen und glaubwürdigen Journalismus steht.
110 Einsendungen hatten die Jury dieses Jahr erreicht, 18 wurden nominiert. Der Preis ist mit insgesamt 12 000 Euro dotiert. Die Hauptpreisträgerinnen und -träger erhalten neben dem Preisgeld von je 3000 Euro eine Skulptur der Künstlerin Ulrike Enders.
Erst wenige Stunden vor der Auszeichnung hat sich eine siebenköpfige Fachjury auf die Siegerbeiträge geeinigt. Die Jury selbst setzt sich aus prominenten Fachleuten zusammen. Dieses Jahr waren dabei:
- Ilka Eßmüller (Moderatorin RTL-Nachtjournal)
- Verena S. Freytag (Regisseurin und Preisträgerin des vergangenen Jahrs)
- Oliver Mommsen (Schauspieler)
- Andreas Neumann (Leiter „ARD Aktuell“, Radio Bremen)
- Heide Oestreich (Redakteurin Geschlechterpolitik, taz)
- Susanne Stichler (Moderatorin NDR aktuell)
- Carmen Thomas (Journalistin und Autorin, 1. Moderationsakademie für Medien und Wirtschaft)
Die von der Jury preisgekrönten Beiträge:
Kategorie Hörfunk:
Stell dich nicht so an! Indizien für eine Rape Culture, Laura Freisberg
und Julia Fritzsche, BR, 60 Min.
Leben wir in einer „Rape Culture“, also in einer Kultur und Gesellschaft, in der Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt in hohem Maße vorkommen und in der Kultur, Normen und Politik dazu beitragen, dass diese Taten verharmlost und den Opfern eine Mitschuld gegeben wird? Anhand schockierender und entlarvender aktueller Beispiele zeigen Laura Freiberg und Julia Fritzsche im Dialog mit Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen die weit verbreiteten Ausprägungen von Rape Culture von den Verunglimpfungen in der Kachelmann-, Brüderle- und Strauß-Kahn-Debatte über Hollywood-Geschlechterstereotypen bis hin zu Rap-Songs.
Das sehr dicht komponierte Feature ermöglicht umfassende und differenzierte Einblicke in die verschiedenen Aspekte dieser Rape Culture, die uns alltäglich umgibt.
Den Autorinnen gelingt es in beeindruckender Weise, bei diesem spannenden und enorm wichtigen Thema die gravierenden Defizite beim Vermeiden bzw. dem bewussten Abbau von Rape Culture in den westlichen Kulturen deutlich zu machen. Das Feature belegt die erschreckende Aktualität des Themas, sie ist „mehr als ein Aufschrei“, so die Jury.
Kategorie Fernsehen:
Transpapa, Sarah Judith Mettke, SWR, 87 Min.
Maren steckt mitten in der Pubertät, als sie erfährt, dass ihr Vater, den sie auf einem Selbstfindungstrip in Nepal wähnt, das Geschlecht gewechselt hat. Heimlich macht sie sich auf den Weg, um ihn zu suchen und findet in einer spießigen Vorstadtidylle Sophia, die am liebsten ihre Mutter (und nicht ihr Vater) wäre. Die hat nach langer Auseinandersetzung endlich die Lebensform gefunden, die zu ihr passt und verkörpert damit eine seltene Freiheit.
Das Drama um Identitätsfindung und Adoleszenz behandelt auf einfühlsame und doppelte Weise die Suche nach der Frage „Was ist Mann/Frau?“ und widmet sich einem bis heute weitgehend tabuisierten Thema.
Durch seine beeindruckende schauspielerische Leistung und sein intensives und glaubwürdiges Spiel werden die Nöte und nach wie vor engen Grenzen, mit denen vor allem Transsexuelle als Frauen in unserer Gesellschaft leben müssen, hautnah spürbar.
Mit einer entwaffnenden Erkenntnis bringt Schauspieler Devid Striesow das Problem auf den Punkt: „Es ist nicht einfach, eine Frau zu sein“.
Kategorie Information Kurz:
Schlüter: So wird die Frau zum Mann, Jesko Friedrich und Dennis Kaupp, NDR (Extra3), 3 Min.
In der satirischen Reportage wird die fiktive Figur „Johannes Schlüter“ vorgestellt, vorgeblich „Deutschlands bekanntester Karrierecoach für Frauen“. In knappen, mit dem Mittel der Übertreibung arbeitenden Spielszenen machen die Autoren die selbstverständliche männliche Sichtweise klar: Frauen müssen zu Männern werden, um die gleichen Karrierechancen zu haben. Die Vorstellungsszenen zeigen witzig, wie sehr geschlechtsspezifische Vorurteile die Kommunikation prägen. Schlüter nimmt als Mann die Männer auf die Schippe und hält seinen Geschlechtsgenossen den Spiegel vor. Mit der Form der Satire entlarven die Autoren die nach wie vor hochaktuelle Geschlechterungerechtigkeit in der Arbeitswelt. „Toll, dass wir bei diesem Thema lachen dürfen“, freut sich ein männliches Jury-Mitglied.
Kategorie Lang:
Jesus und die verschwundenen Frauen, Maria Blumencron, ZDF und ORF, 43 Min.
Vor 2000 Jahren kündigte Jesus von Nazareth das Reich Gottes an, in dem alle Menschen gleich wären – in einer streng patriarchal geprägten Zeit war das revolutionär. Und so folgten dem Wanderprediger nicht nur Männer, sondern vielfach auch Frauen. Wie konnten diese ersten Zeuginnen der Auferstehung in Vergessenheit geraten oder in Übersetzungen gar eine Geschlechtsumwandlung erfahren? Maria Blumencron folgt mithilfe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Spuren dieser „vergessenen“ Frauen.
Der Film belegt anhand von Spielszenen, Grafiken und Statements enorm eindrucksvoll die Bedeutung von Frauen für die Entstehung und Verbreitung des Christentums und zeigt, wie durch Auslese die Bibel zu einer Textsammlung von männlichen „Siegern“ geworden ist.
Er kommt überzeugend zu dem Schluss, dass eine der wesentlichsten Säulen der abendländischen Kultur auf Lügen aufgebaut ist und dass in Wirklichkeit am Anfang die Frau stand.
Das sehr durchdachte Konzept mit extrem aufwendigen Spielszenen, durchgehend perfekten Bildkompositionen, außergewöhnlich stimmigen Grafiken, sehr gutem Sound-Design und spannenden wissenschaftlichen Statements wird in einem überzeugenden Gesamtwerk zusammengeführt.
Die Jury war sich einig: Dieser Film ist „Aufklärung im wahrsten Sinne des Wortes“.
Artikel-Informationen
erstellt am:
06.11.2013
zuletzt aktualisiert am:
14.11.2013
Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt