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Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt am 31.10.2013 im Niedersächsischen Landtag

„Ist die Geschichte des mit rot-grüner Mehrheit verabschiedeten Prostitutionsgesetzes eine Geschichte voller Missverständnisse?“


- Es gilt das gesprochene Wort -

„Ich begrüße sehr, dass mit dieser Dringlichen Anfrage ein Thema wieder aufgegriffen wird, das in der Vergangenheit wenig parlamentarische Aufmerksamkeit erlangte.

Das Prostitutionsgesetz trat in der Tat am 1. Januar 2002 in Kraft und fällt in die Zeit der

rot-grünen Bundesregierung. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes verbanden sich viele Erwartungen von ganz unterschiedlichen Seiten. Es sollte nicht nur die Sittenwidrigkeit von sexuellen Dienstleistungen beendigt werden, sondern vor allem sollte auch eine deutliche Verbesserung der sozialen Absicherung der Prostituierten, ihrer Arbeitsbedingungen sowie der Ausstiegsmöglichkeiten erreicht werden. 2007 wurde die Evaluation des Gesetzes vorgelegt. Hier wurde deutlich, dass viele der Erwartungen, die mit dem Gesetz verbunden waren, sich nicht erfüllt haben.

– Nur wenige Prostituierte erhielten tatsächlich einen Arbeitsvertrag.

– Der Zugang zur Sozialversicherung (Kranken – und insbesondere Rentenversicherung) wurde kaum genutzt.

– Der Umgang mit den Behörden war weiter schwierig.

Diese Evaluation fällt bekanntlich in die Zeit der Regierung Merkel. Nun lag es an der schwarz-gelben Regierung in Berlin, aus der Evaluation die richtigen Schlüsse zu ziehen und letztlich eine Änderung des Gesetzes vorzubereiten.

Was ist jedoch in dieser Hinsicht auf Bundesseite geschehen? Nichts. Eckpunkte wurden angekündigt, aber bis heute nicht vorgelegt. Das Prostitutionsgesetz – eine Geschichte von Missverständnissen? Dazu lautet meine eindeutige Antwort: Nein!

Das Prostitutionsgesetz – ist eine Geschichte von Untätigkeit der schwarz-gelben Bundesregierung. Das ist der richtige und aktuelle Befund. Seit 2007 hat es die Bundesregierung versäumt, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, die die Rahmenbedingungen für Prostituierte und ihren Schutz wirklich verbessert.

Dabei hat es an Forderungen und Vorschlägen von Seiten der Länder an die Bundesregierung nicht gemangelt, die politisch wirklich richtungweisend sind und die auf die Behebung rechtlicher Defizite bei der Umsetzung des Prostitutionsgesetzes abzielen.

Dabei geht es zum Beispiel um verbesserte Meldepflichten und Aufsichtsbefugnisse bei Prostitutionsstätten sowie um die Einführung einer entsprechenden Erlaubnispflicht. Die Forderungen liegen aufgrund von Beschlüssen der zuständigen Fachministerkonferenzen und des Bundesrates auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der neuen Bundesregierung hier entsprechend tätig zu werden. Ich warne jedoch vor Aktionismus. Es bedarf eines breiten Ansatzes der Reglementierung von Prostitution. Hierin sind sich die Fachleute einig. Einigkeit besteht aber auch darin, dass es keine einfachen und keine Patentlösungen gibt.

Prostitution ist Realität. Sie hat unterschiedliche Erscheinungsformen und unterschiedliche Ausprägungen. Sie reicht von frei gewählter Prostitution über Beschaffungsprostitution bis hin zu Zwangsprostitution und Menschenhandel. Sie umfasst Straßenprostitution über Prostitution in Bordellbetrieben und Wohnungsprostitution bis hin zum Escort-Service.

Zu keinem Augenblick dürfen wir aber die Bekämpfung von Zwangsprostitution und Minderjährigenprostitution aus dem Auge verlieren! Ein größtmöglicher Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Prostitutionsausübung bleiben stets unsere Eckpunkte. Wenn es hierüber im Landtag einen Konsens gibt, so dürfte dieses als wichtiges, aktuelles politisches Signal aus Niedersachsen an die Koalitionäre in Berlin verstanden werden. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Es liegen keine Kenntnisse über den Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Prostituierten in Niedersachsen vor. Statistische Angaben hierfür stehen letztlich nicht zur Verfügung, weil die Sozialversicherungsträger kein eigenes statistisches Erfassungsmerkmal hierfür vorgesehen haben, sondern diese Beschäftigten unter einer Sammelbezeichnung führen, die auch noch andere Tätigkeiten umfasst.

Zu Frage 2:

Hier ist teilweise der Arbeitsschutz zuständig. Eine Abfrage bei den Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern, die für diejenigen Prostituierten in Beschäftigungsverhältnissen zuständig sind, konnte auf Grund der sehr kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit jedoch nicht vorgenommen werden.

Unabhängig von hygienischen Arbeitsbedingungen in den Prostitutionsstätten einschließlich der Wohnmobilprostitution spielt die Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten eine Rolle. Es obliegt dem kommunalen öffentlichen Gesundheitsdienst auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten Beratungen und Untersuchungen anzubieten oder diese in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen sicherzustellen. Für Personen, deren Lebensumstände eine erhöhte Ansteckungsgefahr für sich oder andere mit sich bringen, werden diese auch aufsuchend angeboten und können im Einzelfall die ambulante Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt des Gesundheitsamtes umfassen, soweit dies zur Verhinderung der Weiterverbreitung der sexuell übertragbaren Krankheiten erforderlich ist.

Um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu gewährleisten, können die Angebote auch anonym in Anspruch genommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen des Infektionsschutzes noch vor dem Prostitutionsgesetz in Kraft traten und durch dessen Regelungen nicht verändert wurden.

Zu Frage 3:

  1. Über die Fachministerkonferenzen und den Bundesrat hat sich Niedersachsen in den vergangenen Jahren immer wieder für die Veränderung von rechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit Prostitution eingesetzt.
  2. Die Landesregierung ist im Sinne der Schaffung eines breiten Ansatzes zur Verbesserung von Regelungen im Zusammenhang mit Prostitution bereits initiativ geworden. Dem Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten ist die Landesregierung erfolgreich mit dem Antrag zur Anrufung des Vermittlungsausschusses entgegengetreten. Hier wurde nämlich die Chance vertan, ein der Komplexität der Thematik angemessenes Regelwerk, das eine Vielzahl von Rechtsgebieten betrifft, zu schaffen.
  3. Eine weitere Initiative Niedersachsens ist im Sommer dieses Jahres gestartet. Sie liegt in einer Bundesratsinitiative zur Umsetzung der EU-Menschenhandelsrichtlinie (2011/36/EU), die bereits in den Bundesrat (BR-Drs. 528/13) eingebracht wurde. Die konsequente Bekämpfung des Menschenhandels und die in diesem Zusammenhang geplante Änderung verschiedener Strafnormen, die eine effektivere Verfolgung und Verurteilung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Menschenhandel ermöglichen, tragen nicht unerheblich zu einem breiteren Ansatz der Reglementierung der Prostitution bei. In der öffentlichen Wahrnehmung wird somit das undurchdringlich und das in einer rechtlichen Grauzone erscheinende Milieu transparenter. Die Akzeptanz frei gewählter Prostitutionsausübung kann somit erhöht werden. Auch bei einer neuen parlamentarischen Gesetzesvorlage auf Bundesebene zur Umsetzung der RL 2011/36/EU wird sich die Landesregierung in Rahmen ihrer Beteiligung im Bundesrat zur Verabschiedung effektiverer Strafnormen einbringen.
  4. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es eines breiten gesellschaftlichen und länderübergreifenden Konsenses bedarf, um wirksame Regelungen zur Prostitution zu schaffen. Sie wird sich daher auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die rechtzeitige und umfassende Beteiligung der Länder erfolgt sowie die fachspezifischen Kenntnisse der Fachberatungsstellen und das Fachwissen der unterschiedlich betroffenen Institutionen in den möglichen Gesetzentwurf einfließen.“

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
31.10.2013

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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