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Wie soll künftig die flächendeckende medizinische Versorgung in Niedersachsen gewährleistet werden?

̶ Es gilt das gesprochene Wort ̶


Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage

Niedersachsens Sozialminister Dr. Andreas Philippi hat namens der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU geantwortet.

Die Abgeordneten der Fraktion der CDU hatten gefragt:

Seit geraumer Zeit wird medienübergreifend von zunehmenden Problemen im medizinischen Bereich berichtet. So lag Niedersachsen im Jahr 2022 im deutschlandweiten Vergleich auf dem vorletzten Platz hinsichtlich der Anzahl an Ärzten pro 100 000 Einwohner. Nach einer Meldung des Norddeutschen Rundfunks vom 10. März 2023 unter der Überschrift „Landkreise: Gesundheitsversorgung in Niedersachsen bedroht“ warnte der Niedersächsische Landkreistag schon im März des vergangenen Jahres, dass die medizinische Versorgung im gesamten Bundesland in allen Säulen des Gesundheitssystems „akut bedroht“ sei.

Zudem sind ausweislich eines Berichts der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 4. April 2024 unter der Überschrift „Landarzt-Quote: Wenig Bewerber, Studienplätze bleiben frei“ derzeit in Niedersachsen fast 550 Hausarztpraxen unbesetzt. Der Berichterstattung folgend sind nicht mehr nur ländliche Bereiche, sondern auch einzelne Städte, darunter Wolfsburg und Stade, betroffen. Die zur Bekämpfung des Ärztemangels auf dem Land eingeführte Landarztquote für angehende Medizinstudierende weckt ausweislich der aktuellen Berichterstattung der HAZ außerdem weniger Interesse als erhofft. In der diesjährigen Bewerbungsphase sei die Anfrage niedriger als letztes Jahr, und lediglich drei Viertel aller ausgewählten Kandidaten hätten sich tatsächlich immatrikuliert. In dem Artikel fordert die Kassenärztliche Vereinigung zudem, dass zusätzliche Anreize geschaffen werden müssten, um die Ansiedlung junger Hausärzte in ländlichen Bereichen attraktiver zu machen. Außerdem müsse die Anzahl der Medizinstudienplätze aufgestockt werden.

Eine weitere Herausforderung betrifft den anstehenden Renteneintritt zahlreicher Medizinerinnen und Mediziner: Aus der Unterrichtung der Landesregierung zu den Drucksachen 19/1228 und 19/3661 geht hervor, dass über 34 % der aktuell im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung in Niedersachsen tätigen Ärztinnen und Ärzte das 60. Lebensjahr erreicht haben. Bei hausärztlichen Praxen beträgt die Quote danach fast 38 %.

1. Wie bewertet die Landesregierung die relativ niedrige Nachfrage für Medizinstudienplätze, die nach der Landarztquote vergeben werden?

2. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die medizinische Versorgung mit hinreichend Ärztinnen und Ärzten in Hausarzt- und Facharztpraxen sowie in Kliniken in Niedersachsen in den kommenden zehn Jahren trotz der altersbedingten Abgänge sicherzustellen?

3. Vor dem Hintergrund, dass die CDU-Landtagsfraktion bereits mit einem Entschließungsantrag vom 24. April des letzten Jahres ‑ Drs. 19/1228 ‑ gefordert hat, 200 zusätzliche Studienplätze in der Humanmedizin in Niedersachsen zu schaffen: Wann wird die rot-grüne Landesregierung die Medizinstudienplätze verlässlich ausbauen?

Minister Dr. Andreas Philippi beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

„Die Frage, wie künftig die flächendeckende medizinische Versorgung gewährleistet werden kann, wird leider immer noch häufig allein auf die rein quantitative Frage nach der Anzahl der erforderlichen Ärztinnen und Ärzte verengt. Dass dies eine unzureichende Perspektive ist, hat bereits die Enquetekommission zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen in ihrem Bericht in der letzten Legislaturperiode konstatiert.

Sie hat folgerichtig ein Bündel abgestimmter Maßnahmen, effiziente Ressourcennutzung, stärkere Nutzung nicht-ärztlicher Fachkräfte und sektorenübergreifende Versorgungsplanung empfohlen. Denn Deutschland verfügt im internationalen Vergleich bereits über eine hohe Zahl an Ärztinnen und Ärzten pro Einwohner und das bestehende Verteilungsproblem wird allein durch eine Erhöhung von Studienplatzkapazitäten nicht gelöst.

Der Enquetebericht enthält die richtigen Forderungen. Als Landesregierung setzen wir uns für die Umsetzung der Empfehlungen ein und unterstützen aktiv die im Kern verantwortlichen Akteurinnen und Akteure. Die Zuständigkeiten und Eingriffsmöglichkeiten – das muss an dieser Stelle gesagt werden – liegen primär beim Bundesgesetzgeber und den verantwortlichen Akteurinnen und Akteuren der Selbstverwaltung. Das Land hat den Bund vielfach angestoßen und Forderungen eingebracht – und das zeigt Wirkung.

Aktuell bringt der Bund mit der Krankenhausreform erhebliche Veränderungen auf den Weg, die die Versorgungslage neugestalten. Darüber hinaus sollen sich auch im Gesundheitsversorgungsstrukturgesetz (GVSG) Forderungen der Enquetekommission des Niedersächsischen Landtages wiederfinden.

Die Landesregierung setzt sich in den schwierigen Verhandlungen – das wissen Sie – stetig und hartnäckig für die Interessen unseres Flächenlands ein. Grundsätzlich wird die Zentralisierung im stationären Sektor dafür sorgen, dass Personal effizienter eingesetzt wird und für ambulante Bedarfe mehr Kapazitäten frei werden.

Aktuell sind in Deutschland – im internationalen Vergleich – sehr viele ärztliche und pflegerische Kapazitäten in Krankenhäusern gebunden, die im ambulanten Bereich fehlen. Das wird sich ändern.

Mit dem GVSG werden zudem wichtige Impulse für die Stärkung der Attraktivität hausärztlicher Tätigkeit gesetzt. Auch hier bestehen im Gesetzentwurf noch Konkretisierungs- und Anpassungsbedarfe, aber die politische Intention ist richtig und wichtig.

Als Landesregierung sind wir über diese Planungen auf Bundesebene und die Empfehlungen der Enquetekommission hinausgehend in sehr konkreten Vorbereitungen für weitergehende Vorschläge zur Verbesserung von Medizinstudium und ärztlicher Weiterbildung, die die Rolle von Hausärztinnen und -ärzten bzw. Generalisten stärken.

Auch hier ist der Bund verantwortlich für die Umsetzung – wir werden entsprechende Anträge vorbereiten. Ziel ist es, die Versorgung der Zukunft innovativ zu gestalten, statt nur das bestehende System anzupassen.

Dies vorangeschickt beantworte ich die Fragen wie folgt:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die relativ niedrige Nachfrage für Medizinstudienplätze, die nach der Landarztquote vergeben werden?

Aus Sicht der Landesregierung ist die Kritik an den Bewerbungszahlen für Studienplätze nach der Landarztquote nicht gerechtfertigt. Auch im zweiten Durchgang konnte mit 278 Bewerbungen auf 60 im Rahmen der Landarztquote zur Verfügung stehenden Studienplätzen (Verhältnis von knapp 5 Bewerbungen auf 1 Studienplatz) beinahe das Ergebnis vom Vorjahr erreicht werden. Mit diesem Ergebnis ist die Landesregierung zufrieden.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Landarztquoten auch in anderen Bundesländern implementiert wurden und Bewerberinnen und Bewerber sich somit auf mehrere Landarztplätze parallel bewerben können.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die medizinische Versorgung mit hinreichend Ärztinnen und Ärzten in Hausarzt- und Facharztpraxen sowie in Kliniken in Niedersachsen in den kommenden zehn Jahren trotz der altersbedingten Abgänge sicherzustellen?

Der Bundesgesetzgeber hat der ärztlichen Selbstverwaltung die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung übertragen. In Niedersachsen obliegt diese Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Der Sicherstellungsauftrag umfasst Maßnahmen und Initiativen, um die Versorgung der gesetzlich Versicherten sicherzustellen.

Zu diesem Zweck hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die vertragsärztliche Versorgung zu garantieren, zu verbessern oder zu fördern. Die konkrete Planung der Bedarfe wird durch bundesweite Vorgaben im SGB V und in den Bedarfsplanungs-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt.

Für die Landesregierung ist eine hochqualitative, flächendeckende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ein zentrales Anliegen. Deshalb unterstützt die Landesregierung die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen durch ein breites Portfolio an Maßnahmen.

Dazu zählten in den letzten Jahren z. B. Stipendien für Medizinstudierende, Förderung des Wahltertials Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr oder der sogenannte Quereinstieg, bei dem Fachärztinnen und -ärzte für den hausärztlichen Bereich qualifiziert werden.

Umfangreiche Mittel sind auch für 2024 für die sogenannte Landarztquote und die Gesundheitsregionen vorgesehen.

Die Bundesregierung treibt zudem – wie eingangs ausgeführt – mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz und dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz Strukturreformen voran, die Ressourcenbündelung im stationären Bereich und mehr Kapazitäten sowie bessere Rahmenbedingungen für die ambulante, hausärztliche Versorgung erwarten lassen. Zudem ist ein Aufwuchs von Studienplätzen geplant (vgl. Frage 3).

Die Landesregierung fordert vom Bund erneut die Einführung einer sektorenübergreifenden Planung. Diese wird vor dem Hintergrund der Strukturveränderungen im stationären Bereich umso dringender benötigt.

  1. Vor dem Hintergrund, dass die CDU-Landtagsfraktion bereits mit einem Entschließungsantrag vom 24. April des letzten Jahres Drs. 19/1228 gefordert hat, 200 zusätzliche Studienplätze in der Humanmedizin in Niedersachsen zu schaffen: Wann wird die rot-grüne Landesregierung die Medizinstudienplätze verlässlich ausbauen?

MWK:

Es ist ein Aufwuchs an der EMS um 80 Studienanfängerplätze auf insgesamt 200 Plätze geplant. Außerdem wird ein zusätzlicher Aufwuchs von jeweils 50 zusätzlichen Studienanfängerplätzen an jedem der drei Medizinstandorte geprüft und angestrebt.

Eine Realisierung hängt vor allem von der Darstellbarkeit im Haushalt ab.“


Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.04.2024

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

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