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„Wie erklärt sich die Landesregierung den Anstieg der Syphilis-Fälle in Niedersachsen?“

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Gabriela König, Almuth von Below-Neufeldt und Björn Försterling (FDP) geantwortet.

Die Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Gabriela König, Almuth von Below-Neufeldt und Björn Försterling (FDP) hatten gefragt:

Verschiedene Medien, darunter Spiegel Online und die ÄrzteZeitung, berichten aktuell über die steigende Anzahl von Fällen von Syphilisinfektionen in Deutschland. So registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) im Jahr 2015 insgesamt 6.834 Fälle von Syphilis. Mit 19 % mehr als im Vorjahr (5 722 Fälle) ist ein neuer Höchststand erreicht. Nachdem es gelungen war, zwischen dem Ende der 70er-Jahre und Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts die Neuinfektionen von Syphilis deutlich zu reduzieren und die Krankheit somit weitgehend zurückzudrängen, ist insbesondere in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg neuer Fälle zu verzeichnen. Damit scheint eine von vielen Menschen beinahe vergessene sexuell übertragbare Infektionskrankheit wieder auf dem Vormarsch zu sein.

Die Syphilis ist eine bakterielle, durch die Spirochätenart Treponema pallidum verursachte Erkrankung, die nur beim Menschen vorkommt und sexuell, durch Blut und intrauterin von der Mutter auf das Kind übertragbar ist. Sie verläuft typischerweise in drei Stadien: ein sogenannter Primäraffekt (ein meist schmerzloses Geschwür an der Eintrittsstelle) bildet sich wenige Tage bis Wochen nach der Infektion, im Sekundärstadium macht sich die Erkrankung durch Allgemeinsymptome und Hauterscheinungen bemerkbar, und im Tertiärstadium (Jahre nach der Erstinfektion) kann es zur Schädigung des Gehirns und der Blutgefäße kommen. Symptomfreie Phasen werden als Latenz bezeichnet. (…) Infektiös sind Personen im Primär- und Sekundärstadium sowie während der Frühlatenz (bis etwa ein Jahr nach der Infektion). Die Infektion kann durch Antibiotika geheilt werden; wiederholte Infektionen sind möglich (Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI, Seite 204).

Auch in Niedersachsen ist Zahl stark gestiegen. Das RKI registrierte im vergangenen Jahr 5,2 Syphilisfälle auf 100 000 Einwohner in Niedersachsen. Insgesamt infizierten sich in Niedersachsen im vergangenen Jahr 408 Menschen (2014: 372).

1. Welche gesundheitlichen Programme und Angebote für eine erfolgreiche Syphilis-Prävention unterstützt die Landesregierung?

2. Wie will die Landesregierung das Bewusstsein in der Bevölkerung über die Gefahren von Syphilis und anderer sexuell übertragbarer Infektionen stärken?

3. Wie will die Landesregierung einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu Diagnostik und Therapie der Syphilis unterstützen?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Gem. § 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der direkte oder indirekte Nachweis von Treponema pallidum, dem Erreger der Syphilis, vom nachweisenden Labor nicht namentlich direkt an das Robert Koch-Institut zu melden.

Der kommunale öffentliche Gesundheitsdienst sowie das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) haben somit keine eigenen anonymen oder personenbezogenen Daten. Epidemiologische Auswertungen der Meldedaten stehen jedoch über das Robert Koch-Institut (RKI) zur Verfügung.

Tabelle 1: Anzahl der jährlich dem RKI anonym gemeldeten Nachweise von Treponema pallidum gemäß IfSG in Niedersachsen von 2006 bis 2015 nach Geschlecht;
Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 20.10.2016

Geschlecht

Diagnosejahr

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

männlich

150

191

165

167

210

261

242

286

344

376

weiblich

32

26

26

13

15

28

19

27

28

32

Gesamt

182

217

191

180

225

289

261

313

372

408

Tabelle 2: Anzahl der jährlich dem RKI anonym gemeldeten Nachweise von Treponema pallidum gemäß IfSG in Niedersachsen von 2006 bis 2015 nach Übertragungsweg;
Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 20.10.2016

Übertragungsweg

Diagnosejahr

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

Männer, die Sex mit Männern haben

66

101

96

90

130

139

125

158

196

228

Heterosexuelle Kontakte

37

39

32

30

22

48

38

49

60

69

Mutter-Kind (konnatale) Infektion

1

unbekannt

79

77

63

60

73

102

98

106

116

110

Das Robert Koch-Institut berichtet in seinem Epidemiologischen Jahrbuch 2015 sowie zuletzt im Epidemiologischen Bulletin 49/2015 über die Situation der Syphilis in Deutschland. Die Anzahl der an das Robert Koch-Institut gemeldeten Syphilis-Fälle ist in den meisten Bundesländern in den vergangenen Jahren angestiegen, auch in Niedersachsen (s. Tabelle 1). Insbesondere städtische Ballungszentren weisen hohe Inzidenzen auf.

Der Anstieg der übermittelten Fallzahlen war in den vergangenen Jahren nach Angaben des Robert Koch-Instituts in erster Linie auf Infektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), zurückzuführen. Bei mindestens einem Drittel dieser Infektionen handelt es sich um Reinfektionen. Dies wird als Hinweis darauf gesehen, dass MSM eine Gruppe mit einer kontinuierlichen Übertragung von Syphilis darstellen. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass Infektionen mit HIV auf die Syphilis wie auch andere sexuell übertragbare Infektionen (STI, englisch für sexually transmitted infections) einen wichtigen Einfluss haben. Die Gründe dafür sind vielfältig:

• Personen mit einer HIV-Infektion werden häufiger auf sexuell übertragbare Infektionen untersucht, gleichzeitig werden asymptomatische Infektionen unter HIV-negativen Personen seltener diagnostiziert.

• Es besteht ein zunehmender Trend zur Wahl des Sexualpartners mit gleichem HIV-Status. In der Annahme eines dann sicheren ungeschützten Geschlechtsverkehrs steigt allerdings das Risiko der Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen, wie der Syphilis.

• Bei Personen mit positivem HIV-Status kann aufgrund eines eingeschränkten Immunstatus auch eine höhere Empfänglichkeit für sexuell übertragbare Infektionen bestehen.

Zu 1.:

Das Sozialministerium befindet sich im regelmäßigen Austausch mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), dem RKI und der Deutschen Aidshilfe (DAH). Bei diesen halbjährigen Treffen werden die jeweiligen Kampagnen zu HIV und STI aufeinander abgestimmt. Ausgehend von der massenmedialen Kampagne „Liebesleben“ der BZgA, die sich öffentlichkeitswirksam hauptsächlich an die Bevölkerung richtet und den zielgruppenspezifischen Kampagnen der DAH für MSM „Ich weiß was ich tu“ (IWWIT), setzt die Landesregierung für den MSM-Bereich seit 2013 auf eine eigenständige Kampagne unter dem Motto „SVeN“ - Schwule Vielfalt erregt Niedersachsen. Diese ist eine moderne, witzige und gleichzeitig verantwortungsvolle zielgruppenspezifische Kampagne für MSM, die den besonderen Gegebenheiten eines Flächenlandes wie Niedersachsen gerecht wird.

SVeN ist ein niedersachsenweit tätiges Präventionsnetzwerk, dem sich Aidshilfen, schwule Gruppen und schwul-lesbische Zentren angeschlossen haben. Gemeinsame Ziele sind die Förderung der Gesundheit und Lebensqualität schwuler Männer sowie die gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen als wichtiger Beitrag zur strukturellen Prävention.

Auch die medizinischen Fachdienste der Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen bieten ein umfangreiches Beratungs- und Diagnoseangebot im Rahmen von anonymen STI-Sprechstunden an. In einigen Landkreisen und kreisfreien Städten werden darüber hinaus Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, oder Männer, die Sex mit Männern haben, durch die aufsuchende Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der medizinischen Fachdienste erreicht. In diesem Rahmen führt das NLGA seit vielen Jahren neben den HIV-Testungen für die Kommunen auch Untersuchungen für andere sexuell übertragbare Erkrankungen wie z.B. Syphilis durch. Dieses gebührenfreie Angebot setzt die medizinischen Fachdienste in die Lage, Untersuchungen für die Bevölkerung allgemein oder bestimmte Gruppen, die ein höheres Risikoprofil für STIs haben anzubieten. Dadurch wird die Präventionsarbeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes wesentlich unterstützt.

Da MSM den größten Anteil an den gemeldeten Syphilisfällen haben und in dieser Gruppe auch die Zunahme am stärksten ausfällt, existiert auch hier bereits seit mehreren Jahren ein gebührenfreies Syphilis-Testangebot des NLGA, das häufig mit dem anonymen HIV-Test in den AIDS-Beratungsstellen der Gesundheitsämter kombiniert wahrgenommen wird. So waren von den in den ersten 3 Quartalen der Jahre 2014-16 durchgeführten HIV-Testungen der AIDS-Beratungsstellen durchschnittlich 35% mit einem Syphilis-Test kombiniert.

Besonders hervorzuheben sind die Testkampagnen der letzten Jahre in enger Zusammenarbeit zwischen Sozialministerium, NLGA, kommunalem öffentlichen Gesundheitsdienst, der AHN, allen regionalen niedersächsischen AIDS Hilfen sowie die der Kampagne SVeN angeschlossenen Akteure. Dabei gibt es jährlich wechselnde Schwerpunkte. In der aktuellen Aktion werden neben HIV- und Syphilis-Tests auch Untersuchungen auf Chlamydien- und Gonokokken-Infektionen angeboten. Bei besonderem Risikoprofil ist auch eine Untersuchung auf Hepatitis-C-Antikörper möglich.

2016 gibt es erstmals in ganz Niedersachsens für 12 Monate kostenlose Beratungs- und Testangebote für Schwule und MSM zu HIV und anderen STIs. Unter dem Motto „SVeN kommt – SveN testet“ werden seit Juni 2016 und bis zum 31. Mai 2017 50 Termine in unterschiedlichen niedersächsischen Städten für Beratungen inklusive Tests angeboten.

Zu 2.:

Siehe Antwort zu Nr. 1.

Zu 3.:

Durch die oben genannten Angebote von Laboruntersuchungen des NLGA, die auch gebührenfrei erbracht werden, in Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, den AIDS-Hilfen und weiteren Akteuren wird bereits ein niedrigschwelliger Zugang zur Diagnostik durch die Landesregierung gewährleistet. Im Falle einer Infektion wird die weitere Therapie in der Regel durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte durchgeführt. Wesentlich ist zunächst, dass die Erkrankung bekannt wird. Daher liegt der Schwerpunkt der Initiative auf dem niedrigschwelligen Zugang zu Diagnostik.

Auf der Grundlage des IfSG bieten Gesundheitsämter bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten Beratung und Untersuchung an oder stellen diese in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen sicher. Diese sollen für Personen, deren Lebensumstände eine erhöhte Ansteckungsgefahr für sich oder andere mit sich bringen, auch aufsuchend angeboten werden und können im Einzelfall die ambulante Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt des Gesundheitsamtes umfassen, soweit dies zur Verhinderung der Weiterverbreitung der sexuell übertragbaren Krankheiten erforderlich ist. Die Angebote können bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten anonym in Anspruch genommen werden.

Über diese Regelung ist bei Bedarf auch ein niedrigschwelliger Zugang zur Therapie gewährleistet.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.10.2016

Ansprechpartner/in:
Dominik Kimyon

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