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Unterliegt die Tätigkeit als Honorarnotarzt im Rettungsdienst der Sozialversicherungspflicht?, Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung


Der Abgeordnete Volker Meyer (CDU) hatte gefragt:

Mit Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. Juni 2014, aber auch durch obergerichtliche Entscheidungen in anderen Bundesländern wurde festgestellt, dass die Tätigkeit von Honorarnotärzten und von Notärzten, die den Trägern des Rettungsdienstes von Trägervereinen und ähnlichen Selbstorganisationsformen der freiberuflich tätigen Ärzte zur Verfügung gestellt werden, der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Dabei wertet die Deutsche Rentenversicherung die Tätigkeit der Honorarärzte als Scheinselbstständigkeit und geht von einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV aus. Damit gilt für das Arbeitsverhältnis die volle Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Die Bereitschaft freiberuflicher Ärztinnen und Ärzte zur Übernahme von Notarzttätigkeiten im Rahmen des kommunalen Rettungsdienstes sinkt durch diese Rechtsprechung stetig. Schließlich sind sie regelmäßig Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke und unterliegen in ihrer freiberuflichen Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung diese Entwicklung im Hinblick auf die Sicherstellung eines leistungsfähigen Rettungsdienstes, insbesondere in Bezug auf die Luftrettung, für die das Land den Sicherstellungsauftrag hat?

2. Bei welchen Trägern des Rettungsdienstes im Land Niedersachsen hat die Deutsche Rentenversicherung einen entsprechenden Bescheid zur (Nach-)Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen erlassen bzw. einen entsprechenden Vergleich geschlossen?

3. Welcher rechtliche und tatsächliche Handlungsbedarf besteht aus Sicht der Landesregierung, um auch künftig freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzte in ausreichender Zahl für eine Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst zu gewinnen?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Die Sicherstellung des bodengebundenen Rettungsdienstes, die auch die Notarztversorgung umfasst, ist Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Landkreise, kreisfreien Städte sowie der Städte Cuxhaven, Göttingen, Hameln und Hildesheim. Dem Land obliegt hier lediglich die Rechtsaufsicht.

Träger der Luftrettung ist das Land Niedersachsen. Mit der Durchführung der Luftrettung hat das Land gemäß § 5 Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz (NRettDG) die drei Unternehmen ADAC, DRF und JUH beauftragt. Die Beauftragten haben zur Deckung des Bedarfs an Notärzten für die sechs Luftrettungsstandorte zum überwiegenden Teil Kooperations- und Gestellungsverträge mit den Kliniken am Stationierungsort geschlossen. Lediglich an einem Standort wird ein Teil der erforderlichen Notärzte durch freiberuflich Tätige abgedeckt.

Das Land führt auch die Rechtsaufsicht über die landesunmittelbaren Rentenversicherungsträger. Diese prüfen gemäß § 28p Abs.1 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV) mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Diese Prüfungen schließen auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten mit ein, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. In diesem Zusammenhang wird bewertet, ob bei diesen Personen die Voraussetzungen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegen oder ob evtl. eine sogenannte „Scheinselbständigkeit“ anzunehmen ist.

Die verschärfte Arbeitsmarktsituation seit Anfang der 80er Jahre hat zu einer Zunahme der selbständigen Berufe geführt, wobei es sich oftmals um „Ein-Personen-Unternehmen“ handelt, die keine weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Solche Personen werden als Scheinselbständige bezeichnet, wenn sie vertraglich zwar als Selbständige behandelt werden, tatsächlich jedoch wie abhängig Beschäftigte arbeiten.

Die Landesregierung ist der Überzeugung, dass die von den kommunalen Rettungsdienstträgern im Rahmen der Notarztversorgung geschlossenen Verträge grundsätzlich nicht hierunter zu subsumieren sind.

Die Bekämpfung von Scheinselbständigkeit ist der Niedersächsischen Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Gute Arbeit verdient angemessene Rahmenbedingungen.

Weder im Sozialgesetzbuch noch in den spezialgesetzlichen Vorschriften über die Versicherungspflicht werden die im Regelfall für das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zugrunde zu legenden Prüfmaßstäbe näher definiert.


Die Merkmale einer Beschäftigung und diejenigen einer selbständigen Tätigkeit sowie die Grundsätze, nach denen die festgestellten Tatsachen gegeneinander abzuwägen sind, sind daher in einer umfangreichen Rechtsprechung entwickelt worden. Die betroffenen Gerichtszweige (Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit) legen bei der Beurteilung der jeweiligen Sachverhalte im Wesentlichen zwar dieselben Kriterien zugrunde. Im Rahmen der Einzelfallrechtsprechung zur Tätigkeit der Honorarärzte kommt es jedoch bei vergleichbaren Sachverhalten zu unterschiedlichen Beurteilungen bei der Statusbestimmung.

Ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, wird jeweils durch die Rentenversicherungsträger (RV-Träger) im konkreten Einzelfall unter Würdigung der Gesamtumstände betrachtet und bewertet. Hierbei werden unter anderem die betrieblichen Verhältnisse vor Ort sowie die vertraglichen Vereinbarungen in die Prüfung mit einbezogen. Prüfkriterien sind hierbei unter anderem die Weisungsgebundenheit des Beschäftigten, die Art der Einbindung in die betrieblichen Abläufe und das Maß der wirtschaftlichen Abhängigkeit.


Die getroffenen Feststellungen durch die RV-Träger unterliegen der Überprüfung im Rechtsmittelverfahren vor den Sozialgerichten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Durch Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG) vom 04.06.2014 zur Sozialversicherungspflicht wurde die jahrzehntelange Praxis der Träger des Rettungsdienstes und der Beauftragten, durch Honorarärztinnen und -ärzte und von Trägervereinen und ähnlichen Selbstorganisationsformen zur Verfügung gestellte freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzte die Notarztversorgung insbesondere im ländlichen Bereich sicherzustellen, in Frage gestellt. Gegen dieses Urteil hat der Beigeladene, ein niedersächsischer Landkreis als Träger des Rettungsdienstes, Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht in Kassel mit dem Ziel der Zulassung der Revision erhoben. Über diese Beschwerde ist noch nicht entschieden, auch ist ein Termin für eine Entscheidung noch nicht bekannt. Insoweit handelt es sich um ein „schwebendes Verfahren“.

Die Landesregierung sieht die möglichen Folgen insbesondere für den bodengebundenen Rettungsdienst grundsätzlich kritisch, da die Sicherstellung der Notarztversorgung durch die Träger des Rettungsdienstes insbesondere im ländlichen Raum erschwert und die Bereitschaft von Ärztinnen und Ärzten, im Rettungsdienst nebenberuflich tätig zu werden, geringer werden könnte. Derzeit sind in Niedersachsen jedoch keine spürbaren Probleme festzustellen.

Für den Luftrettungsdienst in der Verantwortung des Landes ist das Urteil des LSG aus den in Absatz 2 der Vorbemerkung genannten Gründen, die Notärzte werden aufgrund von Kooperations- und Gestellungsverträgen von den am jeweiligen Stationierungsort ansässigen Krankenhäusern abgestellt, von nachrangiger Bedeutung. Nach Auskunft der Beauftragten für die Luftrettung in Niedersachsen hat das Urteil keine Auswirkungen auf den Sicherstellungsauftrag des Landes.

Sollte sich die Rechtsauffassung aus dem oben genannten LSG-Urteil durchsetzen, wären die Träger des Rettungsdienstes gehalten, mögliche Mehrkosten durch die Träger der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungen zu refinanzieren.

Zu 2.:

Die Arbeitgeberprüfungen in Niedersachsen verteilen sich insgesamt auf die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund sowie die DRV Braunschweig-Hannover und Oldenburg-Bremen als landesunmittelbare Rentenversicherungsträger.

Die DRV Braunschweig-Hannover und Oldenburg-Bremen haben auf Nachfrage mitgeteilt, dass bis zum heutigen Tage bei keinem Träger des Rettungsdienstes in Niedersachsen Bescheide zur (Nach-)Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen erlassen bzw. entsprechende Vergleiche geschlossen wurden.

Zu den Arbeitgeberprüfungen durch die DRV Bund liegen der Landesregierung keine Angaben vor.

Zu 3.:

Die Bundesländer werden sich in den für den Rettungsdienst und die Gesundheitsversorgung zuständigen Gremien mit dem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen und ähnlicher Urteile aus anderen Ländern befassen.

Das Thema ist aktuell Gegenstand der Beratungen in der Sitzung des Länderausschusses „Rettungswesen“, der dem Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz (AK V) und der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) zugeordnet ist. Auch für die AOLG ist hierzu eine Befassung vorgesehen. Die Sitzungen finden am 18./19.03.2015 statt.

Der Beschlussvorschlag im Länderausschuss „Rettungswesen“ sieht vor, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufzufordern, sich für eine Lösung im Sinne der unveränderten Beibehaltung der bisherigen Organisationsformen der Notarztgestellung auf kommunaler Ebene einzusetzen. Alternativ soll die AOLG und der AK V gebeten werden, sich der Problematik anzunehmen.

Zudem hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände mit Schreiben vom 26.01.2015 an das BMG diese Problematik herangetragen und um eine „zeitnahe Lösung im Sinne der Beibehaltung der bisherigen Organisationsformender Notarztgestellung auf kommunaler Ebene“ gebeten.

Nach Auffassung der Landesregierung könnte u.a. eine mögliche Änderung der entsprechenden Sozialgesetzbücher durch den Bund zu mehr Rechtssicherheit führen.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts als auch die Gespräche auf verschiedenen Ebenen mit dem BMG sollen abgewartet werden.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.03.2015

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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