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Ministerin Cornelia Rundt: "Wir werden die niedrigen Pflegesätze und -löhne nicht länger nicht länger hinnehmen"

Beim Expertenhearing „Gute Pflege, gute Jobs statt Pflegenotstand“ in Niedersachsens Landesvertretung in Berlin geht es u.a. um Eingriffsmöglichkeiten der Länder bei Pflegesatz-Verhandlungen, mehr Kompetenzen für die Kommunen und um den Weg zu einem Tarifvertrag Soziales

„Unter den niedrigen Pflegesätzen in Niedersachsen leidet die Qualität der Pflege, die unterdurchschnittlichen Löhne verschärfen den Fachkräftemangel und haben so Versorgungsengpässe insbesondere im ländlichen Raum zur Folge – wir werden das nicht länger hinnehmen“, kündigt Niedersachsens Sozial- und Gesundheitsministerin Cornelia Rundt anlässlich des von ihr initiierten, heute Abend stattfindenden Expertenhearings in der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin an . Der Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen beim Bund, Michael Rüter, sagt: „Ich darf Ministerpräsident Stephan Weil zitieren, er hat kürzlich sinngemäß gesagt: Gute Pflege sicherstellen zu können, ist aktuell die wohl größte sozialpolitische Herausforderung unseres Landes“, so Rüter: „Für die niedersächsische Landesregierung ist klar: Gute Pflege ist auf die Dauer nur möglich, wenn es bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung in der Pflege gibt.“

Sozialministerin Cornelia Rundt fordert Eingriffsmöglichkeiten der Länder bei der Pflegesatz-Gestaltung für den Fall, dass den Einrichtungsträgern und Pflegekassen nicht eine schnelle Lösunggelingt. „Wir können nicht länger zusehen, wie die Pflege in Niedersachsen unter Druck gerät, denn unter diesen Rahmenbedingungen leiden die Pflegebedürftigen und die Pflegekräfte gleichermaßen – scheitert die Selbstverwaltung von Einrichtungen und Pflegekassen, in der die Pflegesätze ausgehandelt werden, muss der Bund den Ländern eine Eingriffsmöglichkeit in Form einer Verordnungsermächtigung gewähren.“ Drohende Versorgungsengpässe durch Fachkräftemangel infolge unzureichender Pflegesätze müssen ein ausreichender Grund für Interventionen der strukturverantwortlichen Länder sein, so Rundt.

Auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, hat in dieser Woche vor den negativen Folgen des Preiskampfes in der Pflege gewarnt. Eine Altenpflegefachkraft in Niedersachsen verdiene im Schnitt monatlich fast 500 Euro weniger als die Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen. Das Zusammenspiel von Pflegekassen und Sozialhilfeträgern habe in Niedersachsen die Löhne erheblich gedrückt, so Laumann. Zudem habe sich eine Anbieterstruktur entwickelt, die den Wettbewerb über den Preis führen wolle. Ebenso wie Niedersachsens Sozial- und Gesundheitsministerin Cornelia Rundt fordert Laumann, der Wettbewerb müsse stattdessen über die beste Qualität geführt werden.

Cornelia Rundt diskutiert heute mit Vertreterinnen und Vertretern von Fachverbänden, Kommunen und dem Bund sowie Wissenschaft und Politik über das Thema „Gute Pflege, gute Jobs statt Pflegenotstand“. Um eine demografiefeste Pflege zu erreichen, setzt sie sich auch für die schnelle Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und für eine stärkere Rolle der Kommunen in der Pflege- und Sozialplanung ein: „Ich bin fest davon überzeugt, dass ohne eine stärke Rolle der Kommunen in der Pflege, also ohne eine erhebliche Aufwertung der kommunalen Bedarfsplanung, der Weg in die zukunftsgerechte Pflege nicht nachhaltig beschritten werden kann. Mit den von der Bund-Länder AG dazu gerade veröffentlichten Empfehlungen wurde hier der erste Schritt in die richtige Richtung getan. Wichtig ist jetzt, dass die Empfehlungen in die Tat umgesetzt werden!“

Bei der Höhe der Pflegelöhne und Pflegesätze ist Niedersachsen derzeit Schlusslicht. Ministerin Cornelia Rundt: „Die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass in keinem westdeutschen Bundesland die Arbeit einer Fachkraft in der Altenpflege so schlecht entlohnt wird wie hier in Niedersachsen. Fachkräfte in der Altenpflege in Niedersachsen verdienen heute durchschnittlich rund 23 Prozent weniger als vergleichbare Berufsgruppen." Rundt warnt, dass es bei derart unterdurchschnittlicher Bezahlung kaum möglich sein werde, den großen Fachkräftebedarf in der Pflege zu decken. Nach aktuellen Prognosen (Cima-Gutachten) müssen bis 2030 gut 21.000 Vollzeitstellen besetzt werden, um die Fachkräftelücke zu schließen, ausscheidende Fachkräfte zu ersetzen und neue Bedarfe zu decken. Unter Berücksichtigung der Teilzeitquote bedeutet das einen Bedarf von bis zu 41.000 Nachwuchskräften. Bis 2020 würden nach den vorliegenden Berechnungen bereits 6.500 Nachwuchskräfte fehlen.

Während das Land bei der Höhe der Pflegesätze (werden zwischen Kassen und Einrichtungen ausgehandelt) und Löhnen keinen direkten Einfluss nehmen kann, ist es derzeit dabei, alle von ihm bedienbaren Stellschrauben zu drehen: So wird beispielsweise die Zahl der Auszubildenden durch die Einführung einer Ausbildungsplatz-Umlage gesteigert, die Schulgeldfreiheit in der Altenpflege gesetzlich abgesichert und mit dem Projekt „Eine Stunde für die Altenpflege" bei jungen Menschen für den Beruf geworben. Mit der Gründung einer Pflegekammer erhalten die Pflegekräfte in Niedersachsen eine starke Stimme. Außerdem widmet sich der neu zusammengetretene niedersächsische Landesarbeitskreis Pflegedokumentation dem Abbau der Dokumentationspflichten in der Pflege. Ziel ist die flächendeckende Einführung eines neuen Dokumentationssystems - auch das ist ein wichtiger Schritt, um den Beruf attraktiver zu machen. „Den Pflegekräften muss mehr Zeit zur Verfügung stehen, um sich direkt den Pflegebedürftigen widmen zu können", so Cornelia Rundt.

Nun wendet sich Niedersachsens Sozialministerin anlässlich des heutigen Expertenhearings gezielt an den Bund: „Wenn die Selbstverwaltung weiterhin versagt, müssen klar definierte Eingriffsmöglichkeiten für die Länder geschaffen werden.“ Cornelia Rundt: „Derzeit gefährden Pflegeunternehmen ihre Existenz auf dem Pflegemarkt, wenn sie ihre Mitarbeiter tarifmäßig entlohnen, da die Billiglohnkonkurrenz gleich um die Straßenecke wartet. Der Wettbewerb in der Pflege wird zunehmend ein Wettbewerb um den Preis.“

Damit sich mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden, muss also die Vergütung in der Pflege deutlich angehoben werden – was die Pflegekassen entsprechend in den Entgelten bei der Refinanzierung der Personalkosten berücksichtigen müssen. Niedersachsens Sozialministerin macht sich für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Soziales stark: „Die beteiligten Tarifpartner in Niedersachsen haben sich mit dem Tarifvertrag für die Beschäftigten der Diakonie in Niedersachsen bereits angenähert. Auch der im Februar von der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege und ver.di unterzeichnete Tarifvertrag über die Ausbildungsbedingungen in der Pflege ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Die jetzt laufenden Verhandlungen für einen umfassenden Tarifvertrag Soziales kommen hoffentlichbereits in diesem Jahr zum Erfolg – Niedersachsen ist hier Vorreiter.“ Die Ministerin wendetsichaber auch in dieser Frage an den Bund: „Am Ende dieses Prozesses muss die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für einen Tarifvertrag Pflege – und damit die gerechte Entlohnung für alle Pflegende – stehen. Auch dafür muss der Bund den Weg frei machen.“

Die aktuelle Initiative der Niedersächsischen Landesregierung für nachhaltige Verbesserungen in der Pflege trägt den Titel „Gute Pflege, gute Jobs - Niedersachsen macht sich stark für gute Pflege".


Artikel-Informationen

erstellt am:
11.06.2015
zuletzt aktualisiert am:
21.07.2015

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