Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Niedersachsen klar Logo

Rede des Niedersächsischen Ministers für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Andreas Philippi, anlässlich der Bundesratssitzung am 05. Juli 2024 (TOP 9 – Bundesratsdrucksache 298/24, Postmodernisierungsgesetz)

„Bund muss sich einsetzen für menschenwürdige und angemessene Arbeitsbedingungen in der Paketbranche!“


– Es gilt das gesprochene Wort –

„Nach mehr als 25 Jahren wird das Postrecht endlich novelliert und an die geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst. Das ist gut. Obwohl die Fragen der Ausgestaltung der Universaldienste, des Marktzugangs für Dienstleister oder der Entgelte für Postdienstleistungen eigentlich ein klassisches Betätigungsfeld der Kolleginnen und Kollegen aus den Wirtschaftsministerien sind, möchte ich heute als Arbeits- und Gesundheitsminister zum Postrechtsmodernisierungsgesetz das Wort ergreifen.

Warum?

Das Gesetz – mit vielen seiner technischen Regelungen – wirkt durch die gesetzten Standards enorm auf die Arbeitsbedingungen der in der Branche Beschäftigten ein.

Die Arbeit im Bereich der Postdienstleistungen hat sich – wie wir alle tagtäglich beobachten können – in den letzten 20 Jahren stark verändert. Ganz praktisch möchte ich auf die Zunahme des Onlinehandels verweisen, der für eine in der Vergangenheit nicht vermutete Steigerung des Lieferverkehrs an Privathaushalte gesorgt hat.

Und damit haben sich in der Praxis – neben der mittlerweile regulierten Fleischindustrie – in einer weiteren Branche zum Teil menschenunwürdige und unangemessene Arbeitsbedingungen eingeschlichen. Darauf haben viele meiner Kolleginnen und Kollegen bereits im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens mit aller Deutlichkeit hingewiesen. Denn zahlreiche Dienstleister im Bereich der Zustellung und Logistik setzen zur Erfüllung ihrer Aufträge auf Subunternehmen, die in Konkurrenz auf die Zahlung des Mindestlohns, die Einhaltung geltender Arbeitszeitregelungen oder körperlich zumutbare Arbeitsbedingungen nicht im erforderlichen Umfang achten. Deshalb haben sich die Länder im Bundesratsverfahren mehrheitlich für ein Subunternehmerverbot und strenge Regelungen hinsichtlich der Handhabung schwerer Pakete eingesetzt.

Zwar sind während der Beratungen im Bundestag im vorliegenden Gesetz an verschiedenen Stellen Überwachungspflichten gegenüber Subunternehmen verschärft worden. Auch wurden die Regeln für den Umgang mit Paketen mit erhöhtem Gewicht strikter gefasst.

Und schließlich wurde die Bundesregierung durch den Bundestag auch verpflichtet, Kriterien für die Eignung der technischen Hilfsmittel zu bestimmen, die einer einzelnen Person die Zustellung von Paketen mit einem Einzelgewicht von über 20 Kilogramm ermöglichen sollen. Es entspricht durchaus den Grundsätzen des Arbeitsschutzrechts, solche Fragen im Technischen Regelwerk zu beantworten.

Gleichwohl – und da teile ich die Bedenken derer, die da Bauchschmerzen haben – setzt das voraus, dass die in die Pflicht genommenen Unternehmen diese Hilfsmittel dann auch tatsächlich beschaffen und zur Verfügung stellen. Ob das der Fall sein wird, werden wir genau beobachten.

Ich möchte daher an dieser Stelle noch einmal betonen: Es gibt bessere Lösungen als das jetzt vorgesehene Kontrollsystem für die Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen in einer Nachunternehmerkette. Von Vorteil wäre zum Beispiel die Direktanstellung der die Auslieferung übernehmenden Beschäftigten bei einem tariflich gebundenen Dienstleister.

Anstatt auf fehlende Branchentarifverträge in der Zustellung zu verweisen, könnte man sich auch über eine Verbesserung der Tarifbindung Gedanken machen. Die geltende Mindestlohnrichtlinie der EU verpflichtet sowieso dazu.

Bekanntermaßen beruhen die schlechten Arbeitsbedingungen in der Zustellung – und nicht nur dort – auch auf der oft fehlenden Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Der Bund könnte hier gegensteuern, wenn er endlich, wie das EU-Recht es gebietet, eine konkrete Pflicht zur Aufzeichnung der geleisteten Arbeitszeit gesetzlich regeln würde.

Wenn wir trotz dieser Kritik auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichten, dann ist das ein Zeichen an den Bund, dass wir seine regulativen Nachschärfungen als Kompromissangebot akzeptieren.

Insbesondere wollen wir der überfälligen Überarbeitung des Postrechts nicht grundsätzlich im Weg stehen. Ich hoffe, dass diese Botschaft beim Bund ankommt und nicht nur zur Kenntnis genommen wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Presseinformationen

Artikel-Informationen

erstellt am:
05.07.2024

Ansprechpartner/in:
Felix Thiel

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