Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt „Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Vergütungsrechts für Krankenhäuser“
909. Sitzung des Bundesrats am 03.05.2013, TOP 26
Es gilt das gesprochene Wort!
„Die finanzielle Notlage der Krankenhäuser im gesamten Bundesgebiet hat Existenz bedrohende Ausmaße angenommen. Das ist kein Gerede, nein, das ist Fakt. Die Bundesregierung hat nun auch endlich erkannt, dass durch die chronische Unterfinanzierung viele Krankenhäuser hohe Defizite aufweisen. Die Schließung zahlreicher Standorte im Bundesgebiet ist zu befürchten.
In Niedersachsen erwirtschaften 75 % der Krankenhäuser derzeit ein Defizit. Viele sind in ihrer Existenz bedroht. Einzelne haben bereits einen Insolvenzantrag stellen müssen.
Dieses Problem ist seit langer Zeit bekannt und offenbart die Konzeptlosigkeit der schwarz-gelben Koalition. Sie hat nichts getan, um ein solides Fundament für eine auskömmliche Vergütung zu schaffen. Es gab allenfalls kurzfristige Finanzspritzen ohne Konzept und Nachhaltigkeit.
Das jahrelange Aussitzen der grundlegenden Probleme der Krankenhausfinanzierung durch die Bundesregierung hat dazu geführt, dass unser Krankenhaussystem in eine dramatische Schieflage geraten ist.
Ich trage die politische Verantwortung für eine hochwertige Krankenhausversorgung in einem Flächenland. Die dauerhafte Versorgung der Bevölkerung kann nur sichergestellt werden, wenn endlich wirksame Maßnahmen eingeleitet werden, die die auskömmliche Vergütung von Krankenhausleistungen sicherstellen und die Trägervielfalt in der Krankenhauslandschaft auch in Zukunft wahren. Die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen sind hierfür gänzlich ungeeignet, das ist in Fachkreisen seit Jahren unumstritten.
Ich will hier nur einige der vielen Kernprobleme kurz ansprechen.
Beginnen möchte ich mit dem „Hamsterradeffekt“. Wenn Krankenhäuser mehr Leistungen erbringen als ursprünglich vereinbart, werden diese bei der Vergütung doppelt absenkend berücksichtigt. Einmal auf der Ebene des Krankenhauses, welches Abschläge in Kauf zu nehmen hat. Darüber hinaus aber auch auf der Ebene des Landesbasisfallwertes, der zwangsläufig auch sinkt. Diese Auswirkung trifft gerade die Krankenhäuser der Grundversorgung in den ländlichen Regionen, die keine oder nur wenige Mehrleistungen erbringen.
Dann möchte ich zum Sicherstellungszuschlag kommen. Ein Sicherstellungszuschlag muss an unverzichtbare Krankenhäuser gehen, die akut existentiell gefährdet sind. Die bundesrechtlichen Vorgaben sind hierfür aber seit langem vollkommen unzureichend und haben dazu geführt, dass dieses Instrument bislang nicht genutzt werden konnte.
Ich fordere gerade für die Krankenhäuser im ländlichen Raum, die für eine wohnortnahe Versorgung gerade von älteren Menschen unverzichtbar sind, eine grundlegende Neuregelung des Sicherstellungszuschlages, damit die Länder endlich Rechtssicherheit bei der Anwendung dieses Instrumentes erhalten.
Zuletzt möchte ich auf die Berücksichtigung von Kostensteigerungen in Krankenhäusern zu sprechen kommen. Kostensteigerungen in den Krankenhäusern sollen seit letztem Jahr durch den „Orientierungswert“ angemessen berücksichtigt werden. So weit die Theorie. Die Praxis aber zeigt, dass durch die geltenden Rahmenbedingungen eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten alles andere als gesichert ist. Gerade die Personalkosten - und von einem qualifizierten und motivierten Personal lebt ein Krankenhaus - steigen seit vielen Jahren wesentlich stärker als die über den „Orientierungswert“ oder die davor zugrunde gelegte Grundlohnsummenentwicklung berechnete Refinanzierung. Der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser und die Arbeitsverdichtung für die nach wie vor hoch engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat mittlerweile unerträgliche Ausmaße angenommen. Die Krankenhäuser werden so geradezu gezwungen, die Defizite mit zusätzlichen Leistungen zu reduzieren – ein absurdes System von Fehlanreizen.
Damit nimmt die schwarz-gelbe Koalition das finanzielle Aus vieler Krankenhäuser bewusst in Kauf. Und mindestens genauso schlimm: Sie akzeptiert auch die Gefahr, dass durch dieses System möglicherweise auch Leistungen durchgeführt werden, die vielleicht nicht immer zwingend indiziert sind. Damit muss sich die jetzige Bundesregierung den Vorwurf gefallen lassen, nichts für eine hochwertige Krankenhausversorgung und die Patientensicherheit getan zu haben.
Nach jahrelanger Untätigkeit fordere ich die Bundesregierung auf, zumindest den kürzlich verabschiedeten Maßnahmenkatalog für die finanzielle Unterstützung der Kliniken kurzfristig umzusetzen.
So wie diese Unterstützung derzeit ausgelegt ist, kommen die Mittel allerdings viel zu spät bei den Krankenhäusern an, und das mit höchstem bürokratischen Aufwand, insbesondere beim sogenannten Versorgungszuschlag.
Krankenhäuser brauchen die finanzielle Unterstützung jetzt! Und sie brauchen ein zuverlässiges System der Finanzierung von Krankenhausleistungen, das Krankenhäusern gerade auch im ländlichen Raum ermöglicht, eine immer älter werdende Bevölkerung sicher und auf Dauer wirtschaftlich zu versorgen. Und wir sind inzwischen an einem Punkt angelangt, der uns zwingt, nachzudenken, ob das derzeitige gesamte hochkomplexe Finanzierungskonzept für Krankenhäuser noch auf Dauer den Herausforderungen gewachsen ist. Wir müssen handeln. Die Unterstützung der Krankenhäuser muss schnell kommen. Dank Ihrer jahrelangen Tatenlosigkeit ist es mittlerweile fünf nach zwölf.“
Artikel-Informationen
erstellt am:
03.05.2013
Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger