Psychotherapien mit Flüchtlingen
Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat und Thomas Schremmer (Grüne)geantwortet.
Die Abgeordneten Filiz Polat und Thomas Schremmer (Grüne) hatten gefragt:
Viele Flüchtlinge in Niedersachsen haben vor und während ihrer Flucht schwere Formen von Gewalt und Krieg erlebt, einige sahen sich Formen von Folter ausgesetzt und sind zum Teil schwer traumatisiert. Um hier Hilfe bereitzustellen, wurde die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte geändert, sodass Psychotherapien mit Flüchtlingen zukünftig für einen befristeten Zeitraum als Regelleistung abgerechnet werden können.
Die bestehenden Versorgungslücken können mit der aktuellen Änderung allerdings nicht geschlossen werden. In einer Pressemitteilung vom 16. Dezember 2015 beklagt die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e. V, dass insbesondere „in Bezug auf die Sprache und den Personenkreis, auf den sich die Änderungen beziehen“, noch deutlicher Erweiterungsbedarf bestehe. So würden nur Flüchtlinge, die bereits länger als 15 Monate in Deutschland und im Besitz einer Gesundheitskarte sind, unter diese Regelung fallen.
1. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Landesregierung, den Zugang zu Psychotherapien für Geflüchtete, die nicht unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, zu erleichtern?
2. Kann die Landesregierung sicherstellen, dass Patienten, die während ihrer Behandlung durch die Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung aus dem Asylbewerberleistungsgesetz herausfallen, die Behandlung fortführen können?
3. Plant die Landesregierung eine Übernahme der mit einer Therapie verbundenen Dolmetscherkosten, um die Erfolgsaussichten der Behandlung zu maximieren?
Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Zu 1.:
Für die Beantwortung wird unter Zugrundlegung der Vorbemerkung und der dort in Bezug genommenen Pressemitteilung unterstellt, dass auf Geflüchtete abgestellt wird, die nicht von § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erfasst werden.
Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Geduldete, ausreisepflichtige Personen und Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, deren Aufenthalt zunächst nur von vorübergehender Dauer ist, haben in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland einen Anspruch auf Gesundheitsversorgung nach den §§ 4 und 6 AsylbLG. Dieser Anspruch beinhaltet regelmäßig die Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlicher Leistungen. In diesem Rahmen kommt auch psychotherapeutische Versorgung in Betracht.
Zu 2.:
Sofern durch Aufnahme einer Ausbildung bzw. einer abhängigen Beschäftigung der Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG erlischt, entsteht zeitgleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verbunden mit dem Anspruch auf Versorgung nach dem SGB V. Die von der oder dem Versicherungspflichtigen gewählte Krankenkasse entscheidet anschließend über Art und Umfang der psychotherapeutischen Behandlung gem. §§ 23 ff der Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die Landesregierung hat keinen Einfluss auf diese Entscheidung.
Zu 3.:
Während der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland können Dolmetscherkosten (beispielsweise bei Psychotherapien) bei Grundleistungsempfängern nach § 3 AsylbLG grundsätzlich über § 6 AsylbLG (Sonstige Leistungen) übernommen werden. Die Leistungsberechtigten haben jedoch zunächst vorhandene Möglichkeiten einer unentgeltlichen Sprachvermittlung durch Verwandte, Bekannte oder sonstige ihnen nahe stehende Personen auszuschöpfen. Ob und in welchem Umfang eine Übernahme von Dolmetscherkosten möglich ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Leistungsbehörde, also des zuständigen Sozialamtes.
Bei Opfern von Folter, Vergewaltigung oder sonstiger Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt ist vor dem Hintergrund der EU-Aufnahmerichtlinie die Kostenübernahme für die Herbeiziehung eines Dolmetschers zwingend, wenn dies für die Behandlung erforderlich ist.
Im Anschluss an diese Zeit gilt für die Krankenbehandlung Leistungsberechtigter nach § 2 AsylbLG (Leistungsberechtigte analog SGB XII) das Recht der GKV. Die GKV übernimmt allerdings keine Dolmetscherkosten, da diese nicht Inhalt des Leistungskataloges sind. Es besteht jedoch im Ausnahmefall die Möglichkeit, bei der Leistungsbehörde Sozialhilfemittel nach § 73 SGB XII zu beantragen. Danach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Auch hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Leistungsbehörde im konkreten Einzelfall.
Diese restriktiven Regelungen werden den Umständen häufig nicht gerecht. Es kommt dadurch immer wieder zu Fällen, in denen Asylsuchenden die Krankenbehandlung unnötig erschwert wird. Deshalb hat am 24./25. Juni 2015 die 88. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) auf Antrag Niedersachsens einen einstimmigen Beschluss gefasst, wonach der Bund aufgefordert wird, zunächst ein entsprechendes Modellprojekt zur Übernahme von Dolmetscherkosten aus Bundesmitteln zu finanzieren und anschließend zu evaluieren. In einem zweiten Schritt sollen die bundesgesetzlichen Voraussetzungen in §§ 4 und 6 AsylbLG und gegebenenfalls in anderen Gesetzen geschaffen werden, wonach notwendige Aufwendungen für Dolmetscherkosten zum Beispiel für die psychotherapeutische Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen übernommen werden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.02.2016
Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger