Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt: „Lohnkluft zwischen den Geschlechtern ist im 21. Jahrhundert absurd“
Lohnlücke in Niedersachsen unter Bundesdurchschnitt
Minijobs als Armutsanker enttarnt
Nach wie vor besteht in Deutschland ein deutlicher Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern: Bundesweit verdienen Frauen aktuell 22,4 Prozent weniger als Männer. Erst am 21. März 2014, dem so genannten Equal Pay Day, haben die Frauen das Lohnniveau erreicht, das die Männer bereits am 31. Dezember 2013 erzielt haben. In Niedersachsen beträgt der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern nach Berechnungen des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN; für 2013) 20 Prozent. Er liegt damit etwas unterhalb des Bundesdurchschnitts. Diese Ungerechtigkeit im Berufsleben spiegelt sich auch im Rentenniveau wider: Die Rentenbezüge von Frauen liegen wegen Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitarbeit durchschnittlich bis zu 59 Prozent unter dem der Männer.
Dazu sagt Niedersachsens Frauenministerin Cornelia Rundt: „Frauen sind im Durchschnitt besser ausgebildet als Männer. Immer häufiger sorgen sie mit ihrem Einkommen allein oder überwiegend für sich und ihre Familien. Das Modell des männlichen Alleinverdieners und Familienernährers ist längst überholt. Es ist absurd, dass Frauen im 21. Jahrhundert für die gleiche Arbeit immer noch schlechter bezahlt werden als Männer.“ Sie fordert: „Das Lohnniveau von Frauen und Männern muss sich endlich an den tatsächlichen Lebensumständen orientieren.“
Wer für die Familienphase aus dem Beruf aussteigt oder die Erwerbstätigkeit reduziert, holt die damit verbundenen Lohneinbußen in der Regel nicht mehr auf. Nachteile sind auch im beruflichen Fortkommen zu erwarten. Mit 9,3 Prozent sind Teilzeitarbeit nach Erwerbspausen und Minijobs – denn deren Stundenlohn ist im Verhältnis zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oft deutlich niedriger – für fast die Hälfte des Entgeltunterschieds zwischen Frauen und Männern verantwortlich. „Minijobs haben sich als Armutsanker entwickelt; es gibt keinen sichereren Weg in die Altersarmut. Sie bieten keine Perspektiven für ein kontinuierliches und erfolgreiches Berufsleben: Nur für 9 Prozent der Beschäftigten sind sie eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt", so Ministerin Cornelia Rundt. Die Ministerin fordert daher, Minijobs nur für bestimmte Personengruppen wie Schülerinnen und Schüler, Studierende oder Rentnerinnen und Rentner zu ermöglichen.
Deshalb ist es notwendig, das Rückkehrrecht auf größere Teilzeitanteile oder Vollzeitbeschäftigung zu verwirklichen, die Unternehmenskultur spürbar zu verändern und stärker auf teilzeitwillige Mütter und Väter Rücksicht zu nehmen. Notwendig ist eine flexible Kinderbetreuung am frühen Morgen oder späten Nachmittag, aber auch teilweise an Wochenenden.
Den Entgeltunterschied gibt es in allen Berufsqualifikationen. Frauen in Führungspositionen verdienen beispielsweise 21 Prozent weniger als ihre Kollegen.
Auffällig hoch ist der Unterscheid auch bei den fünf Berufen mit dem höchsten Frauenanteil: Hier liegt die Gehaltslücke, der so genannte Gender Pay Gap, bei den Vollzeitbeschäftigten 24 Prozent. Zu diesen Berufen zählen Verkaufskräfte im Einzelhandel, Bürokaufleute und Arzthelferinnen. Bemerkenswert ist ferner, dass Betriebe mit Tarifbindung eine geringere Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern aufweisen (18 Prozent bei Vollzeitbeschäftigten) als die ohne Tarifbindung (21 Prozent). In der alle vier Jahre erhobenen Verdienststrukturerhebung des LSN werden weitere Daten hierzu aufbereitet (siehe Servicehinweis).
Deutschland gehört mit einem Gender Pay Gap von 22,4 Prozent zu den Schlusslichtern in der EU: Hier liegt die durchschnittliche Lohndifferenz bei 16,4 Prozent. Slowenien verzeichnet hier lediglich zwei Prozent Differenz und ist damit Spitzenreiter in Sachen Lohngerechtigkeit.
Die Niedersächsische Landesregierung setzt sich für Entgeltgleichheit ein und unterstützt entsprechende gesetzliche Initiativen. Sie arbeitet deshalb an einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit, die vor allem Maßnahmen zum Abbau der Entgeltungleichheit entwickeln soll. In Niedersachsen laufen bereits frauenspezifische Förderprogramme wie FIFA (Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt). „Mit den Koordinierungsstellen Frau und Wirtschaft fördern wir gute Arbeit, die existenzsichernd ist und Perspektiven bieten kann“, so Ministerin Rundt.
Servicehinweis:
Methodische Hinweise:
Die aktuellen Daten aus 2013 basieren auf Ergebnissen der Verdienststrukturerhebung 2010, die mittels aktueller Ergebnisse laufender Verdiensterhebungen der Jahre 2012 und 2013 fortgeschrieben wurden.
Alle Zahlen beziehen sich auf den unbereinigten Gender Pay Gap. Er ist ein international üblicher Indikator zur Messung der Verdienstungleichheit zwischen den Geschlechtern und wird anhand des Bruttostundenverdienstes der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich ermittelt. Sonderzahlungen, wie z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Leistungsprämien, sind nicht berücksichtigt. Um die Vergleichbarkeit auf EU-Ebene und im Zeitverlauf zu gewährleisten, wird für die Berechnung des Gender Pay Gap der Wirtschaftsabschnitt „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung" ausgeklammert.
Während der unbereinigte Gender Pay Gap den prozentualen Unterschied des Durchschnitts der Bruttostundenverdienste aller männlichen und weiblichen Beschäftigten darstellt, versucht der bereinigte Gender Pay Gap, strukturelle Einflussfaktoren wie Alter, Qualifikation und Dauer der Betriebszugehörigkeit rechnerisch zu bereinigen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
20.03.2014
Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger