Kündigungsfristen für Eigenbedarf
Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Christian Dürr und Dr. Marco Genthe (FDP) geantwortet.
Die Abgeordneten Sylvia Bruns, Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Christian Dürr und Dr. Marco Genthe (FDP) hatten gefragt:
Die Ratsmehrheit der Stadt Braunschweig beschloss bei nur zwei Gegenstimmen in der Sitzung am 2. Februar 2016, dem Land Niedersachsen u. a. eine zehnjährige Kündigungssperrfrist für Eigentumswohnungen wegen Eigenbedarfs in Braunschweig zu empfehlen.
1. Sind der Landesregierung bisher ähnlich lange Kündigungsfristen bekannt, und, wenn ja, in welchen Bereichen?
2. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage, dass eine solche Regelung zu mehr Leerständen auf dem Wohnungsmarkt führen werde?
3. Welche Probleme können sich generell aus einer Kündigungssperrfrist von zehn Jahren ergeben?
Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Allgemein gilt der Grundsatz „Kauf bricht Miete nicht“, d.h. bestehende Mietverträge werden mit der neuen Eigentümerin oder dem neuen Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses im bisherigen Umfang weitergeführt. In den Fällen, in denen Käuferinnen oder Käufer Eigenbedarf geltend machen, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. Durch die Möglichkeit, ein Mietshaus nach dem Wohnungseigentumsgesetz in einzelne Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese in das Grundbuch einzutragen, erhält die Eigentümerin oder der Eigentümer des Hauses die Möglichkeit, die Wohnungen einzeln zu verkaufen. In diesem Fall kann sich die Erwerberin oder der Erwerber einer vermieteten Wohnung auf Eigenbedarf oder auf Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Wohnung zur Begründung der Kündigung des Mietvertrages erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen. Dies ergibt sich aus § 577a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Keine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen liegt bei Ersterwerb des Wohnungseigentums oder bei Erstellung eines Gebäudes vor. Ebenso wenig ist der Umwandlungstatbestand gegeben, wenn die zu vermietende Wohnung nach Errichtung von einem Bauträger erworben wird. Die Kündigungssperrfrist bei Veräußerung findet ebenfalls keine Anwendung auf Mietverhältnisse in Eigentumswohnungen, wenn das Wohnungseigentum vor Beginn des Mietverhältnisses begründet worden war sowie auf vermietete Einfamilien-, Reihen- oder Doppelhäuser.
Die gesetzliche dreijährige Kündigungssperrfrist kann nach § 577a Absatz 2 BGB von der jeweiligen Landesregierung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt durch Rechtsverordnung auf höchstens zehn Jahre verlängert werden.
Zurzeit existiert in Niedersachsen keine entsprechende Rechtsverordnung. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Einführung mietrechtlicher Verordnungen erwägt die Landesregierung jedoch, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt auch die Kündigungssperrfrist bei Umwandlung von Mietwohnraum in Wohnungseigentum zu verlängern. Hierzu wurden die von der NBank identifizierten Städte und Gemeinden am 9. Dezember 2015 um Stellungnahme gebeten.
Zu 1.:
Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat am 9. Juni 2015 eine Rechtsverordnung erlassen, nach der die Kündigungssperrfrist in den Gemeinden Altbach, Asperg, Bad Krozingen, Bad Säckingen, Baienfurt, Denzlingen, Dossenheim, Edingen-Neckarhausen, Emmendingen, Eppelheim, Fellbach, Freiberg am Neckar, Freiburg im Breisgau, Friedrichshafen, Grenzach-Wyhlen, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Kirchentellinsfurt, Konstanz, Leimen, Lörrach, March, Merzhausen, Möglingen, Neckarsulm, Offenburg, Radolfzell am Bodensee, Rastatt, Ravensburg, Reutlingen, Rheinfelden (Baden), Rheinstetten, Rielasingen-Worblingen, Singen (Hohentwiel), Steinen, Stuttgart, Tübingen, Ulm, Umkirch, Waldkirch, Weil am Rhein, Weingarten und Wendlingen am Neckar fünf Jahre beträgt.
Nach der Bayerischen Mieterschutzverordnung vom 10. November 2015 beträgt die Kündigungssperrfrist zehn Jahre in den Gemeinden Ainring, Allershausen, Altdorf, Andechs, Anzing, Aschaffenburg, Aschheim, Attenkirchen, Augsburg, Aying, Bad Aibling, Bad Heilbrunn, Bad Reichenhall, Bad Tölz, Baierbrunn, Bamberg, Bayerisch Gmain, Berg am Starnberger See, Bergkirchen, Brunnthal, Dachau, Dießen am Ammersee, Dorfen, Ebersberg, Eching, Egmating, Eichenau, Emmering, Erding, Erdweg, Eresing, Erlangen, Fahrenzhausen, Feldafing, Feldkirchen, Forstinning, Frauenneuharting, Freilassing, Freising, Fürstenfeldbruck, Fürth, Garching bei München, Gauting, Gerbrunn, Germering, Gilching, Glonn, Goldbach, Gräfelfing, Grafing bei München, Grasbrunn, Gröbenzell, Grünwald, Haar, Haimhausen, Hallbergmoos, Herrsching am Ammersee, Hilgertshausen-Tandern, Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Hohenlinden, Holzkirchen, Irschenberg, Ismaning, Karlsfeld, Kempten (Allgäu), Kirchheim bei München, Kirchseeon, Kolbermoor, Krailling, Kranzberg, Kreuth, Landsberg am Lech, Landshut, Lenting, Maisach, Manching, Markt Indersdorf, Markt Schwaben, Marzling, Miesbach, Moosach, München, Murnau am Staffelsee, Neubiberg, Neuburg an der Donau, Neuching, Neufahrn bei Freising, Neuried, Neutraubling, Neu-Ulm, Nürnberg, Oberding, Oberhaching, Oberschleißheim, Olching, Otterfing, Ottobrunn, Pfaffenhofen an der Ilm, Piding, Planegg, Pliening, Pöcking, Poing, Puchheim, Pullach im Isartal, Putzbrunn, Regensburg, Reichertshofen, Rosenheim, Sauerlach, Schäftlarn, Schöngeising, Schwabhausen, Seefeld, Starnberg, Straßlach-Dingharting, Sulzemoos, Taufkirchen, Türkenfeld, Tutzing, Unterföhring, Unterhaching, Unterschleißheim, Vaterstetten, Waakirchen, Weichs, Weilheim, Weßling, Wolfratshausen, Würzburg, Zirndorf und Zorneding.
Der Berliner Senat hat mit der Kündigungsschutzklausel-Verordnung vom 13. August 2013 die Kündigungssperrfrist auf zehn Jahre festgesetzt. Gleiches gilt für die Kündigungsschutzfristverordnung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. November 2013.
Die Rechtsverordnung des Landes Hessen vom 21. Juli 2004 bestimmt, dass die Kündigungssperrfrist in Darmstadt, Frankfurt am Main, Wiesbaden, Rüsselsheim, Kronberg im Taunus, Oberursel (Taunus), Bad Soden am Taunus, Kelkheim (Taunus) und Schwalbach am Taunus fünf Jahre beträgt. Für die Städte Darmstadt, Frankfurt am Main, Wiesbaden, Kelsterbach, Rüsselsheim, Kronberg im Taunus, Oberursel (Taunus), Maintal, Kelkheim (Taunus) und Schwalbach am Taunus beträgt die Frist zehn Jahre, wenn an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an die Mieterin oder den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum vor dem 31. Dezember 2009 veräußert worden ist. Für die Städte Kelsterbach und Maintal beträgt die Frist fünf Jahre, wenn an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an die Mieterin oder den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum vor dem 13. Dezember 2014 veräußert worden ist.
Nach der Kündigungssperrfristverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 2012 beträgt die Frist in Bonn, Düsseldorf, Köln und Münster acht Jahre seit der Veräußerung. In folgenden Gemeinden beträgt die Kündigungssperrfrist fünf Jahre: Aachen, Alfter, Bad Honnef, Bedburg-Hau, Bornheim, Bottrop, Dortmund, Drensteinfurt, Emmerich, Hattingen, Herzogenrath, Kerken, Kranenburg, Langenfeld, Leopoldshöhe, Leverkusen, Lindlar, Mettmann, Monheim, Neunkirchen-Seelscheid, Niederkassel, Niederkrüchten, Ostbevern, Paderborn, Ratingen, Rheinbach, Roetgen, Siegburg, Wachtberg, Waltrop, Weilerswist, Willich und Würselen,
Weitere Kündigungssperrfristverordnungen sind der Landesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt.
Zu 2.:
Eine solche Aussage wird von der Landesregierung nicht geteilt. Da die Erwerberin oder der Erwerber der umgewandelten Eigentumswohnung nach der Kündigung der Mieterin oder des Mieters wegen Eigenbedarfs die Wohnung selbst nutzen kann, wird ein Leerstand für unwahrscheinlich gehalten. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Kündigungssperrfrist.
Zu 3.:
Es wird nicht verkannt, dass eine zehnjährige Kündigungssperrfrist einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum der Wohnungsinhaberin oder -inhabers darstellen kann. Um diesen Eingriff rechtfertigen zu können, bedarf es einer erheblichen Marktanspannung, insbesondere im preisgünstigen Segment des Mietwohnungsangebotes. Eine zehnjährige Kündigungssperrfrist kann zur Folge haben, dass der Umwandlungsdruck von Miet- zu Eigentumswohnungen nachlässt, weil die Aussicht auf eine baldige Selbstnutzung des umgewandelten und veräußerten Wohneigentums sinkt.
10.03.16
Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger