„beRATen“ in Niedersachsen - Wie verläuft der Start der Präventionsstelle?
Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte, Dr. Christos Pantazis, Uwe Schwarz, Dr. Thela Wernstedt, Holger Ansmann, Immacolata Glosemeyer (SPD) und Julia Willie Hamburg und Belit Onay (Grüne) geantwortet.
Die Abgeordneten Marco Brunotte, Dr. Christos Pantazis, Uwe Schwarz, Dr. Thela Wernstedt, Holger Ansmann, Immacolata Glosemeyer (SPD) und Julia Willie Hamburg und Belit Onay (Grüne) hatten gefragt:
Am 10. Dezember 2014 wurde in Hannover der Verein „beRATen“ gegründet. Der Verein ist Träger der Präventionsstelle gegen neo-salafistische Radikalisierung in Niedersachsen. Gründungsmitglieder sind u. a. die islamischen Verbände DITIB und Schura, das Land Niedersachsen, der Niedersächsische Städtetag, Wohlfahrtsverbände und der Landespräventionsrat. Das Land Niedersachsen stellt für die Aufgabe im Jahr 2015 500 000 Euro zur Verfügung.
„beRATen“ bietet unterstützende Angebote für Menschen an, die selber von neo-salafistischer Radikalisierung betroffen sind oder in ihrem Umfeld betroffene Menschen haben.
1. Wie viele Beratungen hat die Präventionsstelle „beRATen“ seit Gründung durchgeführt?
2. Welche Maßnahmen hat die Präventionsstelle „beRATen“ mit welchen Kooperationspartnern im Rahmen der Beratungen ergriffen?
3. Welche Angebote (Veranstaltungen, Broschüren, Schulung von Multiplikatoren) über die direkte Beratung hinaus hat „beRATen“ durchgeführt, bzw. welche sind geplant?
Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Zu 1.:
Seit Aufnahme der Beratungs- und Begleitungstätigkeit erhielt die Beratungsstelle ca. 30 Anfragen mit konkretem Beratungsbezug. Diese kamen von Familienangehörigen, aus dem sozialen Umfeld und dem schulischen Bereich sowie von Behörden (z.B. Sicherheitsbehörden, Jugendhilfe). Hieraus sind bisher 15 intensive Beratungsfälle hervor gegangen. Es handelt sich inhaltlich um sehr unterschiedliche Konstellationen mit zum Teil erheblichem Beratungs- und Begleitungsaufwand. Über diese konkreten Beratungsfälle hinaus gibt es eine Vielzahl von Anfragen allgemeiner Natur bzw. ohne dass es zu einem konkreten Beratungsfall kommt. Darüber hinaus sind die Beschäftigten der Beratungsstelle auch in die notwendige und umfängliche Netzwerkarbeit sowie Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen eingebunden.
Zu 2.:
Wesentlicher Grundlage einer Betroffenenberatung ist der systemische Ansatz der Familienberatung, also eine strukturierte Hilfeplanung. Hier werden nach einer umfänglichen Anamnese Ziele, Strategien und Umsetzungsschritte definiert. Voraussetzung hierfür ist ein umfassender Beziehungs- und Vertrauensaufbau. Dieser benötigt Zeit; erst dann sind gemeinsame Aktivierungsmaßnahmen im Rahmen einer Aufstellungsarbeit zusammen mit den entsprechenden Kooperationspartnern möglich. Von besonderer Bedeutung im Beratungs- bzw. Begleitungskontext ist das Aufbrechen der Isolation der Betroffenen.
Abhängig von der Fallkonstellation werden mit den zu Beratenden Vereinbarungen über nächste Schritte sowie die Einbindung anderer Akteure getroffen. Dies beinhaltet auch die Klärung, wo steht der bzw. die Betroffene in seiner bzw. ihrer Lebenswelt bzw. in seinem oder ihrem sozialem Umfeld. Anschließend werden im Idealfall Perspektiven herausgearbeitet und ggf. ein Casemanagement unter Einbeziehung weiterer Akteure aufgebaut. Hier kommen u.a. Fallkonferenzen mit Lehrkräften, Schulsozialarbeiterinnen und –arbeitern sowie den Schulleitungen, Maßnahmen der Jugendhilfe oder auch im Ausbildungs- bzw. Arbeitsumfeld in Betracht. Bei entsprechender Sicherheitsrelevanz können auch Polizeidienststellen Teil des Casemanagements sein.
Im Bereich der Fachberatung werden zum Teil unabhängig von individuellen Fallkonstellationen Einzelgespräche mit den jeweiligen Akteuren geführt, oder auch Informations- und Sensibilisierungstreffen mit den jeweiligen Gruppen bzw. Institutionen durchgeführt. Hierbei waren bisher u.a. Schule, Eltern, Jugendamt, andere Beratungsstellen, Ausbildungsbetriebe und Justizvollzugsanstalten Kooperationspartner.
Zu 3.:
Im Rahmen der für eine neu aufgebaute Beratungsstelle notwendigen umfänglichen Netzwerkarbeit wurden bereits vielfältige Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen zum Themenbereich neo-salafistischer Radikalisierung, Prävention und Intervention zusammen mit zivilgesellschaftlichen und staatlichen Kooperationspartnern durchgeführt bzw. sind geplant.
Hierzu zählen unter anderem:
-
Landesjugendamt Niedersachsen: Informationsveranstaltungen für Jugendamtsleitungen und Fachkräfte der freien Jugendhilfe,
-
DITIB: Information von Religionsbeauftragten und Gemeinden
-
Muslimische Jugend Deutschland, Schura und Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover: Vernetzung und mögliche Zusammenarbeit im Bereich soziale Reintegration
-
Präventionsstelle Politisch Motivierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Niedersachsen: Informations- und Präventionsveranstaltungen für Akteure aus dem schulischen Bereich
-
Polizeidienststellen: Information und Sensibilisierung
-
Justizvollzugsanstalten: Information und mögliche Beratung
-
Verbund der norddeutschen Beratungsstellen (kitab, legato, provention, beraten): Fachliche Beratung, Vernetzung und Information
-
Runder Tisch der bundesweite Beratungsstellen in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
-
Fachliche Einbindung in das ressortübergreifende Netzwerk Prävention neo-salafistischer Radikalisierung
-
Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren wie z.B. Netzwerk Präventiv Braunschweig, Internationales Haus Sonnenberg, Projekt Ju:an
-
Kooperative Migrationsarbeit Niedersachsen und Koordinierungsstellen Migration und Teilhabe: Informationsvorträge, Sensibilisierung und Vernetzung
-
Durchführung bzw. Beteiligung an Fachtagen für Kreisjugendpfleger, Lehrkräfte, Schulleitungen
Die Beratungsstelle verfügt über Informationsflyer und eine Internetseite, die kontinuierlich inhaltlich ausgebaut wird. Dort werden Angehörige und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren weitere Hintergrundinformationen und Handreichungen zum Thema Prävention und Intervention auch mehrsprachig und auf niedrigschwelliger Ebene finden.
Zudem wird die Entwicklung eines Schulungsformats für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren u.a. an Berufsbildenden Schulen vorbereitet.
Artikel-Informationen
erstellt am:
15.10.2015
Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt