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Antwort der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage Lage der Pflege in Niedersachsen: Wie soll die Existenz von Pflegeunternehmen gesichert werden?

Niedersachsens Sozialminister Dr. Andreas Philippi hat namens der Landesregierung auf eine Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU geantwortet.

Die Abgeordneten der Fraktion der CDU hatten gefragt:

Die Meldungen über Pflegeheime und -dienste, die den Betrieb einstellen, sowie von Pflegebedürftigen, die keine adäquate Versorgung finden, häufen sich. Zunehmend sind, Berichten zufolge, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie Tagespflegen von Schließungen betroffen, welche die Beschäftigten und die Pflegebedürftigen zum Teil kurzfristig treffen.

Der Berichterstattung folgend, müssen pflegebedürftige Menschen oft lange auf einen Pflegeplatz warten, Pflegekräfte arbeiten unter hohem Druck, pflegende Angehörige sind finanziell und sozialversicherungsrechtlich schlecht abgesichert und erhalten zu wenig Unterstützung und Entlastung. Die größten Probleme stellen die mangelnde Refinanzierung von Kostensteigerungen sowie fehlendes Fachpersonal vor dem Hintergrund der weiterhin verpflichtenden Fachkraftquote von ungefähr 50 % dar. Wird diese nicht erfüllt, können Betten nicht belegt werden und kann die Einrichtung nicht kostendeckend arbeiten, da bei der Berechnung der Refinanzierungskosten immer eine Belegungsquote von mindestens 95 % vorausgesetzt wird.

Eine nachhaltig angelegte Pflegereform ist aus Sicht von Experten daher weiterhin notwendig, um für die Unternehmen der Branche und ihre Beschäftigten sowie für die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen dauerhaft eine hochwertige und bezahlbare Pflege zu sichern.

Die von der CDU-Landtagsfraktion im Laufe der aktuellen Wahlperiode eingebrachten Initiativen, wie beispielsweise die Einführung einer einjährigen Pflegehelferausbildung, wurden bislang nicht umgesetzt. Zugleich resümieren Branchenexperten, dass die Konzertierte Aktion Pflege in Niedersachsen bisher noch keine nennenswerten Ergebnisse vorlegen konnte.

Dies vorausgeschickt, fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um sich für eine bundesweite Standardisierung der den Bereich Pflege betreffenden Gesetze einzusetzen?

2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bereits ergriffen, um die in Niedersachsen bestehenden Möglichkeiten zur Refinanzierung gestiegener Personal-, Sach- und Energiekosten zu verbessern?

3. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um der steigenden Preisentwicklung bei den Eigenanteilen für Pflegebedürftige entgegenzuwirken?

Minister Dr. Andreas Philippi beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

̶ Es gilt das gesprochene Wort ̶

„Die Situation in der Pflege ist – wie wir alle wissen - tatsächlich zurzeit sehr angespannt.

Wir sind mit der großen Herausforderung konfrontiert, ausreichend Fachkräfte für diesen Beruf zu gewinnen und die Pflegebedürftigen vor einer weiteren Kostenexplosion zu schützen.

Die Landesregierung hat sich den Herausforderungen in der Pflege frühzeitig und entschlossen gestellt. Wie Sie richtig festgestellt haben, sind viele der Probleme in den aktuellen Regelungen des Elften Sozialgesetzbuches und in deren Umsetzung

– also im Bund – verortet. Daher sind wir sowohl im Bund bezüglich der Ausgestaltung einer grundlegenden Pflegereform als auch auf Landesebene mit eigenen Maßnahmepaketen und Programmen aktiv.

Wie Ihnen sicher bekannt ist, hat die Landesregierung zum Beispiel Ende des vergangenen Jahres die Niedersächsische Fachkräftestrategie beschlossen und gestartet. Auf den sozialen Berufen und damit auch auf dem Pflegeberuf liegt ein Schwerpunkt der Angebote und Maßnahmen, mit denen wir Fachkräfte für Niedersachsen gewinnen. Und nach erfolgreichem Abschluss der ersten Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen – KAP.Ni –

haben wir im vergangenen August gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern den 10-Punkte-Plan für eine neue KAP.Ni beschlossen.

Die Schwerpunkte sind

  • Fachkräftegewinnung,
  • Unterstützung für pflegende Angehörige
  • sowie Entbürokratisierung und Digitalisierung.

Wir sind mit drei schnell zu erreichenden Zielen sofort in die Umsetzung gegangen:

Dabei ging es um

  • die Verhandlung einer besseren Vergütung für die Kurzzeitpflege,
  • die Entwicklung und Testung von attraktiveren Arbeitszeitmodellen und
  • die Entbürokratisierung in der Leistungsabrechnung und bei Kontrollen.

Obwohl die KAP.Ni noch nicht lange arbeitet, haben wir schon jetzt konkrete Ergebnisse zu verzeichnen:

  • Die Einigung der Rahmenvertragspartner für eine auskömmliche Finanzierung der Kurzzeitpflege ist im Februar zu Stande gekommen, wir erwarten in diesem Zusammenhang einen Ausbau des Angebots an Kurzzeitpflegeplätzen in Niedersachsen – das wird nicht zuletzt pflegende Angehörige entlasten.

  • Bezüglich der Entbürokratisierung wird gerade eine neue Vereinbarung ausgearbeitet, mit der die Kontrollen von Heimaufsichtsbehörden und Medizinischem Dienst besser aufeinander abgestimmt werden – das entlastet die Beschäftigten in der Pflege. Es geht auch um die Digitalisierung der Leistungsabrechnung, eine weitere Entlastung für Beschäftigte.

  • Und mit Blick auf attraktivere Arbeitszeitmodelle wird beispielsweise in einer Einrichtung die Vier-Tage-Woche getestet.

Sie haben in Ihrer Vorbemerkung auch das Thema Schließungen angesprochen. Tatsächlich kommt es in letzter Zeit immer wieder zu Insolvenzen von Heimen – dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Und: Insolvenzen führen oftmals nicht zur Schließung des Heims, sondern zur Übernahme durch eine neue Betreiberin oder einen neuen Betreiber.

Auch wenn es also für Pflegebedürftige in Niedersachsen möglich ist, die für sie erforderliche pflegerische Leistung zu bekommen, so müssen wir doch ein besonderes Augenmerk auf die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung legen. Dazu tragen die von mir gerade geschilderten Aktivitäten der Landesregierung maßgeblich bei.

Zudem entwickeln wir in Niedersachsen die Pflegeberichterstattung entscheidend weiter: Die Kommunen erstellen nach dem Niedersächsischem Pflegegesetz örtliche Pflegeberichte, halten Pflegekonferenzen ab und identifizieren die in ihrer Region bestehenden Bedarfe.

Das alles ist mit der Erstellung unseres Landespflegeberichts und der Pflegestatistik synchronisiert. Die Kommunen werden in diesem Prozess mit dem vom Land finanzierten Programm Komm.Care unterstützt.

Dieses vorausgeschickt beantworte ich nun gerne Ihre Fragen:

Zu 1.:

Das zentrale Gesetz im Bereich der Pflege ist das Elfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Damit ist die Soziale Pflegeversicherung geregelt und es stellt die Grundlage für eine Vielzahl von Verordnungen und Ausführungsbestimmungen dar. Somit besteht bereits ein hoher Grad an bundesweiter Standardisierung. Dieser rechtliche Rahmen ermöglicht indes auch auf einigen Gebieten, landesspezifischen Anforderungen gerecht zu werden, beispielsweise bezüglich der Ausgestaltung der Angebote zur Unterstützung im Alltag.

Für ein Flächenland wie Niedersachsen gewisse Dinge anders regeln zu können als für einen Stadtstaat wie Bremen, ist aus meiner Sicht wichtig.

Es gibt auch Felder, in denen wir uns eine Harmonisierung der landesrechtlichen Regelungen wünschen und dieses auch gegenüber dem Bund deutlich formulieren.

Ein Beispiel: die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse: – mit dem Pflegestudiumstärkungsgesetz die bereits in Niedersachsen landesrechtlich geschaffene Möglichkeit des Verzichts auf die Gleichwertigkeitsprüfung nunmehr auch bundesrechtlich und somit für alle Bundesländer geschaffen.

Eine solche Vereinheitlichung wäre unseres Erachtens auch auf dem Gebiet der Sprachtests erforderlich. Auch das Vorhaben des Bundes, die Pflege-Assistenzausbildung bundesweit einheitlich auszugestalten, begleiten wir konstruktiv.

Zu 2.:

Die Refinanzierung der Personal-, Sach- und Energiekosten erfolgt in Deutschland im Rahmen der Selbstverwaltung der Gesundheits- und Pflegeversorgung. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Pflege sind im SGB XI geregelt. Die Finanzierung der Pflegeleistungen in den Pflegeeinrichtungen erfolgt über die Pflegesätze. Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze werden gemäß § 85 SGB XI zwischen dem Träger des Pflegeheims und den Leistungsträgern (Pflegekassen und zuständiger Träge der Sozialhilfe) verhandelt. Sie münden in einer Pflegesatzvereinbarung.

Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein und einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu refinanzieren. Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen darzulegen, für die es eine Vergütung beansprucht.

Die Pflegekassen sind verpflichtet, die steigenden Lohnaufwendungen bei den Verhandlungen zu berücksichtigen und damit die Refinanzierung der Tarifbindung oder
-orientierung zu gewährleisten. Mir ist nicht bekannt, dass Lohnsteigerungen nicht refinanziert werden, wenn im Rahmen der Kalkulation diese Kosten entsprechend nachgewiesen wurden. Welche Kostenkalkulation in den Pflegsatzverhandlungen zugrunde gelegt wird, ist Verhandlungssache aller am Pflegesatzverfahren beteiligten Verhandlungspartnerinnen und Verhandlungspartner. Das Land Niedersachsen hat keine Weisungsbefugnis gegenüber den Pflegekassen.

Teilweise kommt es in Pflegeheimen zu geringeren Auslastungsquoten, die u. a. auf den Fachkräftemangel zurückzuführen sind. Diese Situation hat die niedersächsische Pflegesatzkommission (PSK) zum Anlass genommen, Empfehlungen zu beschließen, um die einrichtungsindividuelle Auslastung besser berücksichtigen zu können.

Eine kalkulatorische Berücksichtigung der Auslastung bis zu einer Untergrenze von 90 Prozent ist damit möglich. Sie bedarf einer plausiblen Darlegung der tatsächlichen Auslastung der Einrichtung. Mein Ministerium hat bei der Entwicklung dieser Empfehlungen mitgewirkt.

Zudem beteiligt sich das Land Niedersachsen an einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, um die zukünftige Sicherstellung der Finanzierung der Pflegeversicherung auszugestalten.

In Bezug auf die Pflegesachleistungen, die Begrenzung der Eigenanteile in der stationären Versorgung und die Höhe des Pflegegeldes hat der Bundesgesetzgeber mit dem SGB XI die Regelungshoheit und gibt somit den Rahmen zur Refinanzierung der Pflegekosten vor.

Zu 3.:

Das Land Niedersachsen setzt sich in Bund-Länder-Arbeitsgruppen und über den Bundesrat dafür ein, dass Pflegebedürftige vor dem enormen Kostenanstieg geschützt werden. Zum Beispiel hatte ein entsprechender, mit Schleswig-Holstein eingebrachter Antrag die Zustimmung der anderen Bundesländer erhalten und wurde an den Bund gerichtet.

Immerhin sind mit dem im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Pflegeunterstützungs- und
-Entlastungsgesetz (PUEG) die Leistungszuschläge (nach § 43c SGB XI) für die Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen erhöht worden. Sie liegen mittlerweile zwischen 15 Prozent bei einer Verweildauer von bis zu 12 Monaten und 75 Prozent bei einer Verweildauer von mehr als 36 Monaten. Ich bin jedoch der Auffassung, dass diese Zuschläge nicht ausreichen.

Zum 1. Januar 2024 lagen die Eigenanteile mit Berücksichtigung des Leistungszuschlags nach einer Berechnung des vdek immer noch – je nach Verweildauer – zwischen 299 Euro und 1.015 Euro.

Die Begrenzung der Eigenanteile sollte an der Stelle erfolgen, an der die Kosten in den letzten Jahren massiv angestiegen sind und ohne Begrenzung weiter steigen würden. Hier ist der Bund gefordert, diese Entwicklung in den Leistungsbeträgen der Pflegeversicherung nachzuvollziehen bzw. die Höhe der Eigenanteile zu deckeln.

Wir haben über den Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich weitere, strukturelle Reformschritte einzuleiten und die Länder hierbei einzubeziehen.

Aktuell erarbeiten wir zusammen mit den anderen Ländern die Erfordernisse für eine grundlegende Reform der sozialen Pflegeversicherung. In einer vom Bund initiierten Arbeitsgruppe werden unter Beteiligung der Länder verschiedene Reformmodelle durchgerechnet, spezialisierte Institute sind beteiligt. Noch in diesem Jahr sollen aus diesem Prozess die erforderlichen Schlüsse abgeleitet werden.

Wir halten also eine grundlegende Reform der sozialen Pflegeversicherung zum Wohle der Pflegebedürftigen für unbedingt erforderlich und bringen uns in diese aktiv ein.“

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.03.2024

Ansprechpartner/in:
Sebastian Schumacher

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