Ärztliche Versorgung auf dem Lande auch in der Zukunft sicherstellen
Es gilt das gesprochene Wort!
Rede der Sozialministerin Cornelia Rundt in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 30.05.2013, TOP 18 zum Antrag der Fraktion der CDU
„Es ist vorrangiges gesundheitspolitisches Ziel der Niedersächsischen Landesregierung, dass jede und jeder - unabhängig von Einkommen, unabhängig von Alter, unabhängig von sozialer Herkunft oder gesundheitlichem Risiko – eine leistungsfähige, sichere und flächendeckende medizinische Versorgung in Anspruch nehmen kann.
Bei der ärztlichen Versorgung liegt einer unserer Schwerpunkte auf den Hausärzten. Zum einen kommt diesen gerade bei einer immer älter werdenden Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu, denn sie sind genau die Berufsgruppe, die einen ganz erheblichen Anteil der zusätzlichen Arbeit schultern wird, zum anderen zeichnet sich hier – gerade in ländlichen Regionen – ab, vor welchen Herausforderungen bei der Versorgung wir schon stehen.
Die isolierte Betrachtung einer Arztgruppe allein ist aber nicht die Lösung der medizinischen Herausforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft. Das genaue Gegenteil ist richtig. Und zwar nicht nur, weil dies die Versorgung in ihrer Qualität verbessern kann, sondern weil wir schlicht aus finanziellen Gründen keine andere Alternative haben. Jedenfalls dann, wenn wir unser unstreitig hohes und anerkanntes Niveau weiter möglichst halten wollen.
D.h., dass wir die immer noch stark nebeneinander agierenden Versorgungssektoren besser miteinander verzahnen müssen – gerade in ländliche Regionen ist besonders für die alten und chronisch kranken Menschen eine regional abgestimmte Versorgung „aus einer Hand“ erstrebenswert.
Und auch die stärkere Einbindung nicht-ärztlichen Fachpersonal muss einen größeren Raum einnehmen. Dies soll und wird sich übrigens ausdrücklich nicht gegen die Ärzte richten, die tagtäglich ein hohes Arbeitspensum liefern, sondern ist als Entlastung und Unterstützung gedacht – was dann auch wiederum geeignet ist, die Attraktivität des Berufes zu erhöhen und auch Nachbesetzungen zu erleichtern.
Das Gesundheitsversorgungsstrukturgesetz aus dem Jahr 2012 – von dem ich zwischendurch den Eindruck hatte, Herr Böhlke hätte es allein auf den Weg gebracht – schafft neue Möglichkeiten eben gerade den „Landarzt“ und die „Landärztin“ zu fördern.
Und insbesondere die mit dem Versorgungsstrukturgesetz auf den Weg gebrachte neue Bedarfsplanung für die Niedergelassenen wird Auswirkungen entwickeln, die im Detail noch nicht absehbar sind.
Für mich ist eine „grundlegende Reform der Bedarfsplanung“ eine solche, die stärker auf einen sektorenübergreifenden Ansatz setzt.
Allerdings ist die Chance für einen breiten Einstieg in eine echte „integrierte Bedarfsplanung“ von der alten Landesregierung verpasst worden. Nach wie vor steht im Prinzip ausschließlich die ambulante ärztliche Versorgung im Fokus, ohne dass angrenzende Versorgungsstrukturen – z.B der stationäre Bereich - grundsätzlich einbezogen werden. Daran ändert z.B auch nur wenig, dass ermächtigte Krankenhausärzte jetzt in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen sind. Mit der ambulanten spezialärztlichen Versorgung nach § 116b SGB V (integrierte Versorgung) – das will ich hier nicht verschweigen – gibt es einen solchen, allerdings sehr eng umgrenzten, Ansatz, der in der Praxis nur relativ geringe praktische Bedeutung hat.
Ich möchte den Antrag wie folgt kurz kommentieren:
1. Ich habe ja schon angedeutet, dass sich die neue Bedarfsplanung zur Zeit in der Umsetzungsphase auf Landesebene befindet. Gerade gestern hat der zuständige Lan-desausschuss [§ 90 SGB V, Krankenkassen-/Ärztevertreter plus Vorsitzender und zwei unparteiische Mitglieder] auf der Grundlage des neuen Bedarfsplans u.a. beschlossen, wo Ärzte noch zugelassen werden können.
2. Meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – das Land nimmt ja seit kurzem beratend an den Sitzungen des Landesausschusses teil – haben in der gestrigen Sitzung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es aus Sicht des Landes von erheblicher Bedeutung ist, die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten – wie es die neue Bedarfsplanung erlaubt – zu prüfen.
3. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, die – daran sei ausdrücklich erinnert – den Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versorgung in Niedersachsen hat, hat als „Herrin“ der Bedarfsplanung zugesagt, sich dieses Themas in der zweiten Jahreshälfte gemeinsam mit den Krankenkassen anzunehmen. Der Landesausschuss hat darüber hinaus klargestellt, dass er sich – unabhängig von den Zahlen der Bedarfsplanung – die tatsächlichen Gegebenheiten in den Regionen sehr genau anschauen will, um die Frage der Unterversorgung im Rahmen des Möglichen anhand der Lebenswirklichkeit zu entscheiden.
Das alles benötigt Zeit. Zahlen sind zu analysieren, Stellungnahmen anderer Institutionen sind auszuwerten – und auch die Position des Landes ist klar: Von den Abweichungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesregelungen ist in begründeten Fällen im Interesse der Versorgung der Menschen in Niedersachsen in sinnvoller Weise Gebrauch zu machen. Insgesamt ist ein von uns begleiteter Prozess angestoßen worden, der auf Dauer angelegt ist und bei dem Nachjustierungen die Regel sein werden. Aber alle Beteiligten sind nach meinem Eindruck gewillt, aus den vorhanden Rahmenbedingungen das Beste herauszuholen – dafür möchte ich den Selbstverwaltungspartnern und ihren Institutionen an dieser Stelle auch meinen Dank aussprechen.
Was folgt nun für die Landesregierung aus dem Vorhergesagten.
Wir sehen zum einen die Notwendigkeit stärker regional zu handeln. Die kommunale Ebene muss flächendeckend dabei unterstützt werden, Gesundheitsversorgung im Rahmen des Möglichen mit zu gestalten.
Es sind die Strukturen zu schaffen, die es den Beteiligten vor Ort ermöglicht, passende Versorgungsmodelle zu finden und zu erproben.
Den richtigen Rahmen dafür können nach unserer Auffassung Gesundheitsregionen bilden. Dabei – und das soll nicht verschwiegen werden – wollen wir auf den Erfahrungen zum Modellprojekt „Zukunftsregionen Gesundheit“ der Vorgängerregierung aber auch der zahlreichen anderen bundesweit verbreiteten regionalen Ansätze aufbauen. Insbesondere auch wollen wir es in den Fällen tun, wo die Effektivität verbessert werden kann.
Es sollte für Niedersachsen einen deutlich breiteren Ansatz und auch andere Schwerpunkte geben. Wir wollen landesweit interessierte Kommunen beim Auf- und Ausbau von Gesundheitsregionen und – konferenzen unterstützen und auch innovative Versorgungsmodelle unterstützen.
Über das parallel dazu einzurichtende neue Landesgremium nach § 90a SGB V, das sich besonders mit sektorenübergreifenden Fragen auseinandersetzen soll, werden wir weiteren fachlichen Input für die kommunale Ebene auf den Weg bringen. Im 90a-Gremium besteht die Möglichkeit, den Rahmen für neue Versorgungsansätze - landesweit abgestimmt – abzustecken und damit konkrete Verhandlungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern vor Ort zu erleichtern.
Dies ist auch der Ort, um sich z.B. über die grundsätzlichen Möglichkeiten von Delegation, Kooperationen zwischen Ärzten usw. zu verständigen, woraus – wie gesagt – in den Regionen dann konkrete Versorgungsmodelle auf den Weg gebracht werden können.
Trotz des eingangs erwähnten Sicherstellungsauftrages der KVN halte ich aber auch die Fortführung zweier sehr punktuell wirkender Fördermaßnahmen des Landes für angezeigt, die wir mit Unterstützung der KVN bereits umsetzen:
Zum einen die Förderung des Wahlfaches „Allgemeinmedizin“ im Praktischen Jahr der Medizinerausbildung, abhängig vom Einsatzort in den vier PJ-Monaten mit 400,- oder 600,- €/mtl. Denn ich halte es für ausgesprochen wichtig, unsere Nachwuchsmediziner und Nachwuchsmedizinerinnen bereits während es Studiums mit den Vorzügen einer hausärztlichen Tätigkeit vertraut zu machen.
Und zum anderen die Niederlassungsförderung, mit der insbesondere Hausärzte in weniger gut versorgten Regionen bei Niederlassung, Anstellung eines Arztes oder Eröffnung einer Zweigniederlassung mit bis zu 50.000 € unterstützt werden können.
Mein Ministerium wird die weitere parlamentarische Behandlung des Antrags gern weiter eng begleiten.“
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.05.2013
zuletzt aktualisiert am:
19.06.2013
Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger