Impfen ohne Tempo, Testen ohne Konzept, Inzidenz ohne Alternative? (Teil 2)
Antwort der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage
Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens hat namens der Landesregierung auf eine Dringliche Anfrage der Fraktion der FDP geantwortet.
Die Abgeordneten der Fraktion der FDP hatten gefragt:
Im Rahmen der 103. Sitzung des Landtags am 17. März 2021 gab Ministerin Behrens auf die Dringliche Anfrage „Impfen ohne Tempo, Testen ohne Konzept, Inzidenz ohne Alternative?“ der Fraktion der FDP (Drs. 18/8773) Antworten, die ihrerseits Fragen aufwerfen.
Die Ministerin führte aus: „Dafür betrachten wir eine Vielzahl verschiedener Entwicklungen, Parameter und Kennzahlen. Neben der Inzidenz gehören dazu sowohl der R‑Wert als auch die von den Krankenhäusern gemeldeten Belegungszahlen mit COVID‑19-Patientinnen und ‑Patienten.“
Zum Themenkomplex Schnelltests merkte sie an: „Wir sind in guten Gesprächen mit allen Wirtschaftsverbänden in Niedersachsen und führen unterstützende Gespräche. Wir helfen den Unternehmen auch, ihre Testkonzepte aufzustellen. Ich nehme die Unternehmen dort als sehr tatkräftig wahr und sehe, dass sie das in ihrem Einflussbereich sehr gut tun.“
Eine weitere Antwort lautete: „Inzwischen verimpfen wir jede Woche 180 000 Dosen.“ Auf Nachfrage aus der FDP-Fraktion führte sie allerdings aus: „Ich habe in meinen Ausführungen sehr deutlich gemacht, dass 180 000 Impfdosen in der Woche die Zielzahl ist. Wenn Sie sich die letzten fünf Tage in der letzten Woche ansehen, dann erkennen Sie, dass wir an vielen Stellen 28 000 bis 30 000 Impfungen pro Werktag verabreichen konnten. Am Samstag und am Sonntag verimpfen wir noch nicht so viel, weil wir keinen Impfstoff haben. Derzeit haben wir nicht so viel Impfstoff, um 180 000 Dosen in der Woche zu verimpfen.“
In Bezug auf die künftige Belieferung mit Impfstoffen führte die Ministerin aus: „Der Bundesgesundheitsminister hat uns beim letzten Treffen die Planung für April vorgelegt. Er hat den Ländern zugesichert, dass im April pro Woche 2,2 Millionen Impfdosen an die Länder verteilt werden. Das bedeutet für Niedersachsen eine Grundlast bei BioNTech von 180 000 in der Woche. Das ist auch die Zielzahl, die wir uns in den Impfzentren vornehmen. Sollten wir mehr bekommen, was wir uns sehr wünschen, können wir relativ schnell die Kapazität auf 240 000 bis 250 000 hochfahren.“
Aber auch über diese Aussagen hinaus ergeben sich hinsichtlich der Informationen der Landesregierung, weitere Fragen zum Themenkomplex Impfen.
Ministerin Daniela Behrens beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
̶ Es gilt das gesprochene Wort ̶
„Wir befinden uns auch nach über einem Jahr der sozialen Einschränkungen mitten in der COVID-19 Pandemie. Woran sehen wir das? An den Menschen, die sich täglich neu mit dem Virus SARS-CoV-2 infizieren, abgebildet in der sogenannten Inzidenz. Also wie viele Menschen infizieren sich an einem Tag in einem definierten Gebiet bezogen auf die dort lebenden Einwohner. Um täglich auftretende Schwankungen auszugleichen, hat sich im Laufe des letzten Jahres die Größe „7-Tages-Inzidenz“ etabliert. Nach wie vor ist dies die Größe, mit der sich das Infektionsgeschehen am besten ableiten lässt. Außerdem setzen hier die Infektionsschutzmaßnahmen an. Denn schon kurz bevor Symptome auftreten und ein Nachweis vorliegt, ist eine infizierte Person ansteckend. Bleiben diese Maßnahmen aus, breitet sich die Erkrankung rasch aus.
Selbstverständlich werden zur Lagebeurteilung auch weitere Indikatoren herangezogen. Vor allem auch die Belegungszahlen der Krankenhäuser, also belegte Betten auf Normalstationen, auf Intensivstationen und auch wie viele Menschen aktuell beatmet werden.
Und es sind die Zahlen über die Verstorbenen. Sie liefern ein wichtiges Bild über die aktuellen Auswirkungen der Pandemie. Das Problem dabei ist, dass diese Indikatoren die Krankheitswelle im Verlauf erst mehrere Wochen nach der beobachteten Inzidenz abbilden.
Dann ist es für die oben genannten Infektionsschutzmaßnahmen schon zu spät, da sich das Infektionsgeschehen schon stark ausgebreitet hätte, wenn man es nicht vorher eindämmt. Anders gesagt: Wenn wir erst handeln, wenn viele Menschen im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist es zu spät!
Selbstverständlich liefert die Beziehung zwischen Inzidenz und schweren Verlaufsformen wichtige Informationen, welche Inzidenzwerte denn tolerabel sein werden. Die unterschiedlichen Varianten des Virus, aber auch die Impfungen beeinflussen diese Beziehung. Insofern ist es schon heute nicht nur die Inzidenz, die betrachtet wird, sie ist aber aktuell noch immer der beste Leitwert für unsere Maßnahmen, auch was die jeweiligen Grenzwerte betrifft.
Außerdem würden zusätzliche oder andere Zahlen nicht zu anderen Maßnahmen führen. Die Impfungen in Niedersachsen auf der Grundlage der CoronaImpf-Verordnung zeigen bereits erste Effekte. Nun werden wir alles daran setzen schnell genug ausreichend viele Menschen zu impfen, damit diese Effekte nicht durch die neuen Virusvarianten nivelliert werden.
Die absolut richtige Entscheidung war, mit den Menschen höheren Alters und Bewohnerinnen und Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen zu beginnen. Denn das Risiko, dass diese Menschen im Falle einer Infektion ins Krankenhaus müssen oder im Verlauf daran sterben, ist um ein vielfaches höher im Vergleich zu allen anderen Gruppen. Mit dieser Maßnahme haben wir den nur begrenzt zur Verfügung stehenden Impfstoff sehr effektiv eingesetzt. Hier zeigen sich die genannten Effekte: das Durchschnittsalter der stationär behandelten Infizierten ist niedriger als noch im Januar.
Neben den Impfzentren sollen nach Ostern auch Arztpraxen impfen können. Hier schafft der Bund entsprechende Voraussetzungen. Sie werden über das Regelsystem bedient.
Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:
1. Wo und in welcher Weise genau ist die Hinzuziehung weiterer Kennzahlen über die Inzidenz hinaus in Entscheidungen der Landesregierung eingeflossen?
Der R-Wert zeigt uns die Tendenz der Infektionszahlen (Maß für die Steigerung/Abfall der Fallzahlen). Das wird natürlich neben dem Inzidenzverlauf immer mit betrachtet. Darüber hinaus sind die Zahlen der intensivmedizinisch behandelten und der beatmeten Patientinnen und Patienten von ganz besonderer Bedeutung.
Es könnte ja sein, dass wir durch den vermehrten Einsatz von Schnelltests mehr Infektionsfälle erkennen, ohne dass tatsächlich mehr Infektionen aufgetreten sind. Um diesen Effekt abschätzen zu können ist auch der Blick auf die Anzahl der durchgeführten PCR-Testungen und deren Positivrate hilfreich.
Außerdem wird sehr genau auf die Altersverteilung der übermittelten Fälle geachtet. Bei der Altersverteilung sehen wir erfreulicherweise, dass die Inzidenz bei den über 80-Jährigen deutlich zurückgegangen ist. Ich gehe davon aus, dass diese positive Entwicklung den Erfolg der Impfungen in dieser Altersgruppe widerspiegelt.
Die Altersverteilung spielt natürlich auch eine sehr große Rolle, wenn es darum geht, wie die Konzepte für Schulen und Kindertageseinrichtungen aussehen.Für die Abschätzung der zukünftigen Entwicklung ist auch der Anteil der besonderen Varianten wichtig.
Wegen der starken Zunahme der Variante B1.1.7. müssen wir zukünftig mit einer leichteren Übertragbarkeit und somit schnellerer Verbreitung der Erkrankung rechnen. Die Empfehlungen des RKI bezüglich der Quarantänezeiten wurden deshalb verschärft.
Auch unter einer umfassenden Berücksichtigung all dieser Parameter bleibt die Erkenntnis gleich: die Infektionslage ist ernst. Die Zahl der Covid-19 Patienten auf den Intensivstationen steigt. Das können und wollen wir nicht beschönigen. Am 25. März 2021 wurden 247 Covid-19 Patientinnen und Patienten auf Intensivstation behandelt. Am 07. März 2021 waren es dagegen nur 207.
Ich setze alles daran, dass eine konsequente Umsetzung der Teststrategie das Infektionsgeschehen beherrschbar macht, bis wir ausreichend Impfstoff zur Verfügung haben, um flächendeckend impfen zu können.
2. Wie viele Impfdosen wurden in Niedersachsen in den letzten Wochen geliefert und konkret pro Woche verimpft?
Die Impfstoffe werden zunächst in zwei Zentrallager geliefert, dort konfektioniert und auf die einzelnen Impfzentren verteilt. Die jeweils kleinste Verpackungseinheit für die Impfzentren sind 100 Dosen der Impfstoffe von Moderna und AstraZeneca, jedoch 1.170 Dosen des Impfstoffs der Firma BioNTech.
In der Regel werden die Impfzentren einmal pro Woche mit Moderna und Biontech und einmal mit AstraZeneca beliefert. Dieser Hintergrund ist insofern von Bedeutung, da die Anlieferung nicht in derselben Woche erfolgt wie die Auslieferung. Für die letzten zwei Wochen wurden folgende Mengen an Impfstoffen geliefert. In der 10. Und 11. KW wurden 289.800 Dosen insgesamt ausgeliefert und 319.572 Dosen verimpft.
3. In welcher Form sind kleine und mittelständische Strukturen wie freiberuflich Tätige (Anwälte, Ingenieure …) und das Handwerk bei den Gesprächen der Landesregierung mit Wirtschaftsverbänden zur Schnellteststrategie vertreten?
Bei den Gesprächen der Landesregierung – vertreten durch MS und MW – zum Thema Schnelltests (jeweils freitags) sind vertreten die Unternehmerverbände Niedersachen e.V. (UVN), die Dienstleistungsgesellschaft der Norddeutschen Wirtschaft mbH (DNW) und die Unternehmensverbände Handwerk Niedersachsen (UHN).
Darüber hinaus findet alle 2 Wochen das sogenannte Wirtschaftsfrühstück statt, an dem der Ministerpräsident und weitere Kabinettsmitglieder teilnehmen. Auch hier wird natürlich das Thema Schnelltests besprochen.“
26.03.2021
Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Anne Hage