Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage: Bewertung von Pflegeheimen durch den MDK
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ronald Schminke (SPD) geantwortet.
Der Abgeordnete Ronald Schminke (SPD) hatte gefragt:
Die Qualität der stationären Pflegeeinrichtung Haus der Heimat in Oberode wurde auf Grundlage der ab 1. Januar 2014 gültigen Transparenzvereinbarung mehrfach geprüft. Das Gesamtergebnis der Qualitätsprüfung wurde vom MDK Niedersachsen zuletzt mit der Gesamtnote 3,3 festgesetzt.
Besonders auffällig waren schwere Mängel im Qualitätsbereich 1 bei den Dekubitusprophylaxen, bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen, bei der Medikamentenversorgung und bei der Körperpflege insgesamt. Im Qualitätsbereich 3 wurden bei der sozialen Betreuung und Alltagsgestaltung durch das Heim keinerlei Angebote für die Bewohner gemacht, und das Bewertungsergebnis wurde mit 4,1 festgesetzt. Der Qualitätsbereich 4 schließt mit der Gesamtnote 2,5 ab, obwohl festgestellt wurde, dass der Gesamteindruck der Einrichtung im Hinblick auf Sauberkeit, Ordnung und Geruch nicht gut ist.
Vor dieser Prüfung gab es noch viel bessere Bewertungen für das Haus der Heimat in Oberode, denn die Gesamtnote wurde bei der vorherigen Kontrolle noch mit 1,6 festgesetzt.
Auch das inzwischen insolvente Haus Inselfrieden auf Norderney war mit der Gesamtnote 1,1 bewertet worden, obwohl es in der Einrichtung nach Medienberichten schwere Missstände über einen langen Zeitraum gegeben haben soll. Es ist somit zu klären, wie aussagefähig die Bewertungen der Einrichtungen sein können und wie dabei die Gefahr einer Verbrauchertäuschung vermieden werden kann.
1. Wie lässt sich erklären, dass bei den Prüfungen des MDKN im Haus der Heimat in Oberode im Zeitraum 12. bis 15.07.2016 schwerste Pflegemängel und menschenunwürdige Zustände festgestellt wurden, wenn für den Zeitraum vor dieser unangemeldeten Prüfung die Heimbewertung noch mit der Gesamtnote 1,6 festgeschrieben war?
2. Wie ist eine Gesamtnote von 3,3 in der Bewertung durch den MDKN zu erklären,
obwohl schwere Mängel im Qualitätsbereich 1 bei den Dekubitusprophylaxen, bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen, bei der Medikamentenversorgung und bei der Körperpflege insgesamt festgestellt wurden, im Qualitätsbereich 3 bei der sozialen Betreuung und Alltagsgestaltung durch das Heim keinerlei Angebote für die Bewohner gemacht wurden, obwohl im Qualitätsbereich 4 festgestellt wurde, dass der Gesamteindruck der Einrichtung im Hinblick auf Sauberkeit, Ordnung und Geruch nicht gut ist und obwohl der Bericht selbst an drei Stellen von mit der Menschenwürde nicht vereinbaren Zuständen spricht?
3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung, und welche möglichen Planungen gibt es, um zukünftig eine aussagefähige Bewertung der Pflegeheime für Verbraucher zu ermöglichen, die den tatsächlichen Verhältnissen entspricht?
Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Nach § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB XI veranlassen die Landesverbände der Pflegekassen in zugelassenen Pflegeeinrichtungen regelmäßig im Abstand von höchstens einem Jahr eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Prüfdienst) oder durch von ihnen bestellte Sachverständige (Regelprüfung). Bei Auffälligkeiten sind Anlass- oder Wiederholungsprüfungen möglich.
Die Prüfung richtet sich nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR), die der Spitzenverband und der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) und des PKV-Prüfdienstes beschließt. Zu beteiligen sind die Verbände der Leistungserbringer, die Verbände der Pflegeberufe, die Träger der Sozialhilfe sowie die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen. Die QPR werden vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt.
Nach § 115 Abs. 1a SGB XI veröffentlichen die Landesverbände der Pflegekassen die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form (sog. Pflegenoten). Die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik werden zwischen den Verbänden der Kostenträger und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Beteiligung des MDS vereinbart (sog. Pflegetransparenzvereinbarung).
Die Pflegenoten setzen sich aus insgesamt 77 Einzelbewertungen (Transparenzkriterien) zusammen, die fünf Qualitätsbereichen zugeordnet sind:
1. Pflege und medizinische Versorgung (32 Kriterien)
2. Umgang mit demenzkranken Bewohnerinnen und Bewohnern (9 Kriterien)
3. Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung (9 Kriterien)
4. Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene (9 Kriterien)
5. Befragung der Bewohnerinnen und Bewohner (18 Kriterien)
Für die Qualitätsbereiche werden jeweils Einzelnoten berechnet; in die Berechnung der Gesamtnote gehen nur die Bewertungen aus den Bereichen 1 bis 4 ein.
Zu 1.:
Die Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) sehen vor, dass die Prüfung schwerpunktmäßig anhand der Auswertung der Dokumentation, der Befragungen der Bewohnerinnen und Bewohner, ihrer Angehörigen und der Beschäftigen und der Beobachtungen in der stationären Einrichtung sowie der Erhebung der personenbezogenen Pflegequalität bei ausgewählten Bewohnerinnen und Bewohnern erfolgt. Die Bewertung bezieht sich auf den aktuell vorgefundenen Zustand sowie retrospektiv auf die dokumentierten Sachverhalte und die Berichte der befragten Personen.
Die Bewohnerinnen und Bewohner, bei denen die personenbezogene Pflegequalität geprüft wird, werden gemäß QPR als zufällige Stichprobe ausgewählt. Bei zwei aufeinander folgenden Prüfungen werden somit in der Regel unterschiedliche Bewohnerinnen und Bewohner in Augenschein genommen. Zudem sind nicht alle Kriterien auch bei allen einbezogenen Bewohnerinnen und Bewohnern prüfbar (z. B. die Dekubitusprophylaxe nur bei Bewohnerinnen und Bewohnern, die dekubitusgefährdet sind).
Es handelt sich bei den vergebenen Noten somit zeitlich und inhaltlich nur um einen Ausschnitt der tatsächlichen Versorgungsqualität. Keinesfalls können auf der Basis der Prüfergebnisse Prognosen zur weiteren Entwicklung des Qualitätsniveaus in der Einrichtung abgegeben werden. Dass es in den folgenden Monaten zu einer massiven Verschlechterung der Versorgungsqualität im Haus der Heimat kommen würde, war für die Prüferinnen und Prüfer am 23.02.2016 deshalb nicht absehbar. Mittels eines Vergleichs der Ergebnisse der Prüfungen vom 23.02.2016 und 12.07.2016 lässt sich dies in der rückwirkenden Betrachtung jedoch ablesen: Die Gesamtnote im Qualitätsbereich 1 hat sich – insbesondere aufgrund der deutlich schlechteren Bewertungen bei der Dekubitusprophylaxe und -versorgung, bei der Überprüfung der freiheitsentziehenden Maßnahmen und der Körperpflege – von 2,1 auf 3,8 verschlechtert. Im Qualitätsbereich 4 führte der Wegfall von Angeboten der sozialen Betreuung dazu, dass die Note von 1,7 auf 2,5 sank.
Zu 2.:
Die Bewertungssystematik der Qualitätsprüfungen sieht keine Gewichtung einzelner Kriterien vor. Die Gesamtnote wird aus dem arithmetischen Mittel aller bewerteten Kriterien der Qualitätsbereiche 1 bis 4 gebildet. Gute Bewertungen für aus pflegerischer Sicht weniger relevante Kriterien (z. B. gut lesbarer Speiseplan) können somit schlechte Ergebnisse bei Kriterien aus dem Kernbereich der Pflege (z. B. Dekubitusprophylaxe) ausgleichen.
Im Vergleich zum Landesdurchschnitt, der bei 1,3 liegt, ist die bei der Prüfung am 12.07.2016 vergebene Gesamtnote von 3,3 allerdings keinesfalls als befriedigende Qualität zu werten, wie dies die Anlehnung an Schulnoten vermuten lässt. Die Einzelnoten in den wichtigen Qualitätsbereichen „Pflege und medizinische Versorgung“ (3,8) sowie „Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“ (4,1) lassen noch deutlicher erkennen, dass die Versorgungsqualität zum Prüfzeitpunkt weit unterdurchschnittlich war.
Zu 3.:
Die Überprüfung der Pflegequalität und die Herstellung der Transparenz für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sind im Sinne des Verbraucherschutzes wichtig. Die Pflegenoten (auch Pflege-TÜV genannt) sind jedoch zunehmend in die Kritik geraten, da sie keine verlässlichen Aussagen über die Qualität einer Pflegeeinrichtung ermöglichen. Die Kriterien und ihre Bewertung sind nicht dazu geeignet, gute von weniger guten Einrichtungen zu unterscheiden. Es ist unwahrscheinlich, dass nahezu alle Pflegeheime sehr gute oder gute Qualität aufweisen, wie der Landesdurchschnitt von 1,3 dies suggeriert. Unter allen Beteiligten besteht Einigkeit, dass Verfahren, Inhalte und Ergebnisdarstellung der Qualitätsprüfungen nach SGB XI verbessert werden müssen.
Mit dem Pflegestärkungsgesetz II wurden die Regelungen zur Qualitätssicherung, -prüfung und -darstellung in Pflegeeinrichtungen deshalb grundlegend überarbeitet und die Entscheidungsstrukturen der Selbstverwaltung in diesem Bereich gestrafft. Die Schiedsstelle Qualitätssicherung nach § 113b SGB XI wurde zu einem Qualitätsausschuss und damit zu einem effizienten Verhandlungs- und Entscheidungsgremium umgebildet. Der Qualitätsausschuss ist mit jeweils bis zu zehn Vertreterinnen und Vertretern der Kostenträger und der Leistungserbringer besetzt. Die konstituierende Sitzung fand im Mai 2016 in Berlin statt. Eine wichtige Aufgabe des Qualitätsausschusses ist die Entwicklung (neuer) Instrumente für die Prüfung der Qualität von Pflegeleistungen und für die Qualitätsberichterstattung und eines bundesweiten datengestützten Qualitätssicherungsverfahrens in der stationären Pflege, wobei vor allem die Ergebnisqualität eine größere Rolle spielen soll. Dies soll bis zum 31.03.2017 erfolgen; entsprechend wurden am 01.09.2016 die Vergabeverfahren zur Beauftragung fachlich unabhängiger wissenschaftlicher Einrichtungen durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene eingeleitet.
Mit den gesetzlichen Neuregelungen wurden die langjährigen Forderungen der Länder weitgehend umgesetzt. Mit der wissenschaftlichen Begleitung kann besser als bislang sichergestellt werden, dass die Qualitätsanforderungen nicht nur den Minimalkonsens der Selbstverwaltungspartner abbilden. Die inhaltliche Neuausrichtung in Richtung der Ergebnisqualität und Lebensqualität ist zu begrüßen. Die Landesregierung wird sorgfältig im Blick behalten, welche Ergebnisse die beauftragten Institute vorlegen und wie diese umgesetzt werden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
24.11.2016
Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt