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Antwort auf die mündliche Anfrage: Zukunft der geschlossenen intensivtherapeutischen Wohngruppe in Lohne

HANNOVER Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte, Holger Ansmann, Immacolata Glosemeyer, Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers, Doris Schröder-Köpf, Uwe Schwarz, Dr. Thela Wernstedt (SPD), Julia Hamburg und Miriam Staudte (Grüne) geantwortet:

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Zukunft der geschlossenen intensivtherapeutischen Wohngruppe in Lohne

Am 17. Mai 2010 erhielt das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth in Vechta die Erlaubnis zum Betrieb einer geschlossenen intensivtherapeutischen Wohngruppe (GITW). Sieben Plätze stehen für Jungen im Alter von zehn bis vierzehn Jahren zur Verfügung. Um die Belegungssituation zu verbessern, wurde durch das Sozialministerium am 27. September 2010 die Erweiterung des Aufnahmealters auf 15 Jahren beschlossen.

Während das Bundesland Hamburg nach einer kritischen Debatte die vergleichbare Einrichtung „Feuerbergstraße“ schloss, eröffnete die GITW in Niedersachsen. Bereits in der 16. Wahlperiode führten der Landtag und der Sozialausschuss eine intensive Diskussion über die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung und die pädagogische Konzeption - dies besonders vor dem Hintergrund, dass die inhaltliche Konzeption für die Einrichtung ohne Beteiligung des Sozialausschusses des Landtages alleinig durch das Sozialministerium erarbeitet wurde. Die Kritiker lehnten die geschlossene Einrichtung als untaugliches Mittel ab. Auffällig war die Belegung: Viele der Jungen kamen nicht aus Niedersachsen, sondern wurden aus anderen Bundesländern in Lohne untergebracht.

Das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth in Vechta hatte als Träger zu Beginn mit einer sehr schlechten Belegungssituation der GITW zu kämpfen. Unterbringungskosten von 9 000 Euro pro Kind und Monat erschwerten neben einer unklaren Bedarfssituation die Situation. Dies führte zu Überlegungen, die Einrichtung aus wirtschaftlichen Gründen wieder zu schließen. Das Gerücht der Insolvenz machte die Runde. Der Träger musste ein sechsstelliges Defizit aus der GITW vor sich herschieben. Nur bei einer Belegung von mehr als 95 % war die Einrichtung wirtschaftlich zu führen. Die damals von CDU/FDP-geführte Landesregierung suchte nach Wegen, um eine finanzielle Entlastung des Trägers für die Einrichtung herbeizuführen. Aus dem Landeshaushalt wurden 400 000 Euro Investitionskostenzuschuss gewährt. Die ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“ beteiligte sich mit 262 000 Euro an den Sanierungs- und Umbaumaßnahmen des Gebäudes der GITW. Es gab Gerüchte über Betriebskostenzuschüsse oder eine Entlastung bei Personalkosten für die Beschulung der untergebrachten Jungen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Belegung der GITW in Lohne seit Inbetriebnahme im Jahr 2010 entwickelt, und aus welchen Bundesländern kamen die untergebrachten Jugendlichen?

2. Sieht die Landesregierung weiterhin den Bedarf für eine geschlossene intensivtherapeutische Wohngruppe in Niedersachsen, und wie werden das pädagogische Konzept und die Wiedereingliederung der Jugendlichen gerade auch vor dem Hintergrund der hohen Anzahl meldepflichtiger Vorkommnisse sowie der hohen personellen Fluktuation bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung beurteilt?

3. Mit welchen öffentlichen finanziellen Ressourcen wurde die GITW in Lohne bislang gefördert, und welche Zusagen wurden gemacht (Zuschüsse, Ausfallbürgschaften, Übernahme Personalkosten etc.)?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

2003 führte das Kriseninterventionsteam (KIT) Fallanalysen hochdelinquenter Kinder durch. Im Rahmen dieser Fallanalysen sollte u. a. festgestellt werden, ob die Durchführung einer geschlossenen Unterbringung für die zu untersuchenden Fälle eine adäquate Lösung darstellen würde. Die Ergebnisse hat das KIT im August 2003 in seinem Bericht über die "Untersuchung schwerwiegender Fälle von Intensivtätern im Kinderbereich" vorgelegt und einen Bedarf von sechs bis zehn Plätzen in Niedersachsen für bis 14-Jährige festgestellt.

Die Landesregierung beschloss am 16. Dezember 2008, diese Plätze zur geschlossenen (freiheitsentziehenden) Heimunterbringung durch einen Träger der freien Jugendhilfe zu schaffen. Zwischen den Ministerien für Justiz (MJ), Inneres und Sport (MI) und Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (MS) wurden Eckpunkte eines Anforderungsprofils vereinbart und im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung an freie Träger der Jugendhilfe versandt.

Der Landesbeirat für Kinder- und Jugendhilfe ist vom Beginn des Verfahrens zur Schaffung einer geschlossenen Unterbringung einbezogen worden. Am 11. März 2009 wurden die Mitglieder des Landesbeirats über das beschränkte Ausschreibungsverfahren und das Anforderungsprofil informiert. In jeder folgenden Sitzung wurde der aktuelle Sachstand vorgetragen.

Da die Realisierung der geschlossenen Heimunterbringung auf der Grundlage einer entsprechenden Konzeption und dafür erforderlicher baulicher Maßnahmen für den zukünftigen Träger mit erheblichen Kosten verbunden sein würde, wurden Haushaltsmittel bis zu einer Million Euro in den Landeshaushalt eingestellt.

Das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth erhielt am 17. Mai 2010 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII) die Erlaubnis zum Betrieb der geschlossenen intensivtherapeutischen Wohngruppe (GITW) in Lohne mit sieben Plätzen für Jungen im Alter von 10 bis 14 Jahren.

Die Belegungssituation der Einrichtung wurde in einer Besprechung am 27. September 2010 mit Vertreterinnen und Vertretern der Einrichtung, des MI, des MJ, des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie (LS) und des MS erörtert. Als eine Möglichkeit von mehreren, die Belegungssituation der GITW zu verbessern, wurde die Aufnahme von bis zu 15-Jährigen im Einzelfall und nur in Absprache mit dem LS besprochen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Nach anfänglichen Belegungsschwierigkeiten werden in der GITW aktuell sieben Jungen betreut, drei aus Niedersachsen, drei aus Nordrhein-Westfalen und ein Junge aus Thüringen.

Seit der Inbetriebnahme der GITW wurden insgesamt 19 Jungen betreut. Sie kamen aus Niedersachsen, Hamburg, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Zu 2.:

Gemäß Koalitionsvereinbarung beabsichtigt die Landesregierung, das geschlossene Kinderheim in Lohne zu einer nicht geschlossenen, intensivpädagogischen Jugendhilfeeinrichtung weiter zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurde am 22. April 2013 ein erstes Gespräch mit dem Träger geführt. Dieser wurde um eine Neukonzeptionierung als offene Einrichtung gebeten.

In der Aufbau- und Konzeptionsphase wurde der Träger im Rahmen der Beratung und Prüfung durch das LS eng und intensiv, mit dem Blick auf die Sicherstellung des Kindeswohls und die Beurteilung von Gefährdungspotenzialen, begleitet.

Die Einrichtung ist über den verbindlich eingerichteten „Runden Tisch“ mit allen beteiligten Institutionen vernetzt und im kontinuierlichen fachlichen Dialog. Am Runden Tisch sind die Stadt Lohne, die Polizei Vechta, das Familiengericht Vechta, die Kinder- und Jugendpsychiatrie Aschendorf, die Clemens-August-Klinik Neuenkirchen-Vörden, ein externer Psychotherapeut aus Oldenburg, ein Hausarzt vor Ort, der Schulträger „Bethel im Norden“, die Universität Vechta und das LS beteiligt. Der Runde Tisch trifft sich halbjährlich zum Erfahrungsaustausch.

2012 wurde mit dem LS und dem örtlichen Jugendamt ein neues Leistungsangebot entwickelt, das speziell für die Anschlussversorgung an die GITW genutzt wird. Das Caritas Sozialwerk St. Elisabeth hat vier Intensivtherapeutische Wohnplätze im Jugendwohnhaus geschaffen, für die am 13. Januar 2013 die Betriebserlaubnis erteilt wurde.

Die Personalsituation in der GITW hat sich - nach einer Teamentwicklungsphase am Ende des ersten Jahres - seit Frühjahr 2011 stabilisiert. Insgesamt hat es seit Bestehen der GITW sieben Personalwechsel gegeben. Von Anfang 2012 bis Juni 2013 erfolgten drei Wechsel, darunter waren der Leiter der Einrichtung und die stellvertretende Leiterin.

Die in der Anfrage erwähnte „hohe Anzahl meldepflichtiger Vorkommnisse“ stellt sich in der Entwicklung wie folgt dar: Seit Betriebsbeginn hat es insgesamt 27 Meldungen gegeben. Im Vergleich zu der Anlaufphase ist die Zahl der Meldungen zurück gegangen. 2012 gab es drei Meldungen und 2013 bisher zwei Meldungen. Entweichungen wurden weder 2012 noch im laufenden Jahr 2013 gemeldet.

Zu 3.:

Mit Zuwendungsbescheid vom 23. Dezember 2009 wurde dem Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth eine Zuwendung für den Um- und Erweiterungsbau eines Gebäudes zu einer "Geschlossenen, Intensivtherapeutischen Wohngruppe" auf dem Grundstück der Von-Stauffenberg-Strasse 16 in Lohne in Höhe von 400.000 € als Anteilsfinanzierung bewilligt und ausgezahlt.

Aufgrund der Zufinanzierung durch Dritte hat sich zugunsten des Landes Niedersachsen eine Überzahlung in Höhe von 54.348,84 € ergeben. Das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth hat beim LS den Erlass dieses Betrages gem. § 59 Abs. 1 Nr. 3 Niedersächsische Landeshaushaltsordnung beantragt.

Presse

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.06.2013

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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