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Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Niedersachsen – Verbände und Land unterzeichnen Übergangsvereinbarung

Sozialministerin Carola Reimann: „Das Bundesteilhabegesetz verbessert die Teilhabe für Menschen mit Behinderungen und ist ein echter Systemwechsel. Mit der jetzt unterzeichneten Vereinbarung sorgen wir für einen reibungslosen Übergang“


Die Leistungen der Eingliederungshilfe sollen Menschen mit Behinderungen eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen. Zum 1. Januar 2020 tritt die 3. Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Damit wird die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem des Sozialhilferechts herausgelöst und in das Recht der Rehabilitation überführt. „Das ist ein großer Schritt, der entscheidend zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beiträgt und die Möglichkeiten der Menschen mit Behinderungen auf Teilhabe und Selbstbestimmung stärkt. Es ist ein echter Systemwechsel“, betont Sozialministerin Carola Reimann. Der Übergang vom bisherigen in das neue System stellt die Akteure in der Eingliederungshilfe vor große Herausforderungen. „Diesen begegnen wir mit einer Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. So schaffen wir klare Regelungen für alle Beteiligten“, so die Ministerin.

Diese Vereinbarung hat das Land gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, der privat-gewerblichen Leistungsanbieter, der Kommunalen Spitzenverbände und der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen erarbeitet und unterzeichnet. Sie gilt für alle erwachsenen Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen.

Der mit dem Bundesteilhabegesetz erfolgte Systemwechsel macht es erforderlich, dass die Rahmenbedingungen der vertraglichen Beziehungen zwischen den Leistungsträgern, den Leistungsanbietern und den Menschen mit Behinderungen neu geregelt werden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass die Neuregelungen des Bundesteilhabegesetzes vorsehen, die Menschen mit Behinderungen zum ersten Mal direkt an diesem Prozess zu beteiligen.

Hierzu betont Petra Wontorra, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen: “Mein großer Dank gehört besonders denen, die sich in so vielen Sitzungen ehrenamtlich eingebracht haben. Als Vertretungen der Menschen mit Behinderungen machen wir dabei immer wieder deutlich, dass das Bundesteilhabegesetz einen Rechtsanspruch bis hin zu Personenzentrierung vorgibt. Mit der Übergangsvereinbarung erfolgt nun zunächst die so genannte Trennung der Leistungen und damit die Übertragung des Status quo auf die neue Rechtslage. Eng getaktet müssen nun in den kommenden Jahren die Verhandlungen zu einem Landesrahmenvertrag geführt werden. In diesen Verhandlungen sind die Strukturen so nachhaltig zu verändern, dass Menschen mit Behinderungen wirklich von der Änderung der Denkweise (Paradigmenwechsel) profitieren und an der Gesellschaft vollumfänglich teilhaben! Teilhabe verbindet!“

Nun heißt es, keine Zeit für die Umsetzung der getroffenen Regelungen zu verlieren. „Bis Januar müssen 24.000 leistungsberechtigte Personen mit den Leistungsanbietern neue Wohn- und Betreuungsverträge abschließen und die Kommunen müssen ebenso viele neue Leistungsbescheide erlassen“, betont Dr. Carola Reimann.

Für die kommunalen Spitzenverbände sind die anstehenden Arbeitsschritte von besonderer Bedeutung. „Die Umsetzung des neuen Rechts hat für die verantwortlichen Kommunen höchste Priorität. Die Landkreise, die Region Hannover und die zuständigen Städte werden alles tun, damit die Leistungsberechtigten am 1. Januar 2020 die ihnen zustehenden Leistungen der Sozialhilfe erstmals direkt auf einem eigenen Konto erhalten“, betont der Hauptgeschäftsführer des Nds. Landkreistages, Prof. Dr. Hubert Meyer. „Auch die Einrichtungen können darauf vertrauen, dass die vereinbarten Vergütungen für die von ihnen erbrachten Fachleistungen ab 1.1.2020 weitergezahlt werden“, schließt der Hauptgeschäftsführer des Nds. Städtetages, Dr. Jan Arning, an.

Die Vereinbarung sieht ein Verfahren zur notwendigen Trennung der Fachleistungen von den existenzsichernden Leistungen in den heutigen stationären Wohneinrichtungen für Erwachsene ab Januar 2020 vor. Denn dann wird die Unterstützung erwachsener Menschen mit Behinderungen nicht mehr abhängig von der Wohnform sein, in der sie leben. Die Träger der Eingliederungshilfe erbringen ab diesem Zeitpunkt auch für Menschen, die in besonderen Wohnformen leben, lediglich die reinen Fachleistungen. Die Leistungen für den Lebensunterhalt und die Unterkunft und Heizung werden bei Bedarf – wie bei Menschen ohne Behinderungen auch – im Rahmen der Sozialhilfe bewilligt. Sozialministerin Carola Reimann hierzu: „Diese enorme Veränderung bedeutet eine große Herausforderung für alle. Das Modell der Trennung schafft Vereinbarungs- und Planungssicherheit für alle Beteiligten und stellt sicher, dass die Menschen mit Behinderungen die Leistungen erhalten, die sie benötigen.“

Der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Caritasdirektor Franz Loth, unterstreicht: „Bis das neue System greift, werden alle Beteiligten noch vor viele Fragen gestellt. Die Wohlfahrtsverbände stehen dabei an der Seite der Menschen mit Behinderungen und werden im weiteren Verfahren die Anliegen der Leistungsberechtigten und der Einrichtungen, die die vielfältigen Leistungen gewährleisten, vertreten.“

Für die privaten Träger betonen Stephan von Kroge, Landesbeauftragter bpa-Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Petra Schülke, Landesvorsitzende des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V und Timo Stein, Vorstandsvorsitzender APH Bundesverband e.V. : „Das BTHG stellt alle Akteure vor große Herausforderungen. Umso mehr freuen wir uns, dass Selbstverwaltung funktioniert, indem mit der Übergangsvereinbarung gezeigt wird, Bewährtes erhalten, Unzulängliches beseitigen und sinnvolles Neues entwickeln zu wollen. Wir wünschen uns in allen Bereichen diesen partnerschaftlichen Umgang im Sinne der Sache.“

Die Übergangsvereinbarung gilt für einen Zeitraum von zwei Jahren. Dieser wird von den Vertragsparteien dazu genutzt werden, einen endgültigen Niedersächsischen Landesrahmenvertrag mit weiteren Details für die Eingliederungshilfe zu verhandeln. „Wir wollen diesen Weg gemeinsam mit allen Beteiligten ausgestalten. Es ist noch eine Menge Arbeit in den nächsten Monaten nötig. Ich bedanke mich herzlich bei allen Beteiligten, die diese Übergangsvereinbarung in der kurzen Zeit durch konstruktive und effiziente Zusammenarbeit möglich gemacht haben“, sagt Sozialministerin Carola Reimann.

Hintergrundinformationen:

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 tritt in vier Stufen in Kraft. Mit der 3. Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes, die zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt, wird das Herzstück des Reformprozesses umgesetzt. Hierbei wird die Eingliederungshilfe aus dem bisherigen System der Sozialhilfe herausgelöst und in das Recht der Rehabilitation überführt. Der durch das BTHG vorgegebene Systemwechsel von einer „einrichtungsbezogenen“ zu einer „personenzentrierten Sichtweise“ wird hierdurch entscheidend vorangebracht und bringt tiefgreifende Veränderungen im Vergütungssystem der Eingliederungshilfe mit sich. Es auch bestand Einigkeit zwischen den Vertragspartnern, dass in Anbetracht der Komplexität der Materie zunächst eine Übergangsvereinbarung geschlossen wird.

Die Übergangsvereinbarung regelt insbesondere die Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen. Derzeit sind die Leistungen für Unterkunft und Verpflegung im stationären Wohnen Bestandteil der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungsanbietern. Ab 1. Januar 2020 erhalten Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe (ab 1. Januar 2020 als „besondere Wohnformen“ bezeichnet) ebenfalls Leistungen nach dem SGB XII oder SGB II. Der Träger der Eingliederungshilfe trägt dann nur noch die Kosten der Fachleistung, unabhängig von der Wohnform.

Die Übergangsvereinbarung gilt für einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Vertragsparteien verpflichten sich, unverzüglich in Verhandlungen zum Abschluss eines Rahmenvertrages für die Eingliederungshilfe einzutreten.

Der Systemwechsel macht für bestimmte leistungsberechtigte Personen eine Änderung der sachlichen Zuständigkeiten zum 1. Januar 2020 erforderlich. Der Entwurf des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Neunten und des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (Nds. AG SGB IX / XII) ab 1. Januar 2020 sieht eine Aufteilung zwischen dem Land Niedersachsen als überörtlichem Träger der Eingliederungshilfe und den Kommunen als örtlichen Trägern der Eingliederungshilfe anhand der Altersgrenze der Volljährigkeit vor. Das Land tritt in die Vereinbarungen, die bisher in Zuständigkeit der örtlichen Träger abgeschlossen wurden, ein und sichert auch so einen reibungslosen Übergang.


Presseinformationen

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.08.2019
zuletzt aktualisiert am:
21.08.2019

Ansprechpartner/in:
Stefanie Geisler

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