Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13.09.2023, TOP 4a
Rede des Niedersächsischen Sozialministers Dr. Andreas Philippi
„Insolvenzgefährdete Krankenhäuser unterstützen - Krankenhausfonds nach dem Vorbild Baden-Württembergs auch in Niedersachsen?“
– Es gilt das gesprochene Wort –
Ich weiß genau wie Sie, dass die finanzielle Situation vieler Krankenhäuser angespannt ist.
Die Gründe dafür sind vielfältig, ich möchte hier nur einige wenige davon nennen:
- die Grundfinanzierung ausschließlich über Fall, Mengen und Fallpauschalen
- Rückgang der Fallzahlen und Belegungstage, auch schon vor der Corona-Pandemie
- Der damit verbundene Rückgang der Erlöse
in den Kliniken
- Der Rückgang des stationären Leistungsangebotes in Folge fehlenden Fachpersonals
- Steigende Preise
für Energie, Strom und medizinisch-technisches Sachmaterial und
- Inflationsbedingte notwendige Tarifabschlüsse.
Prägendes Element der föderalen Krankenhausfinanzierung ist seit Jahrzehnten die sogenannte „duale Finanzierung“.
Demnach vergüten die Länder die Investitionskosten, also Infrastruktur und Großgeräte;
und die Gesetzlichen Krankenversicherungen sichern anhand bundesrechtlicher Vorgaben
die auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten von Krankenhäusern.
Als erstes Land hat Baden- Württemberg auf die Krankenhaus- Krise reagiert und kurzfristig 126 Millionen Euro bereitgestellt.
Als Begründungszusammenhang wird auf die Corona- Pandemie verwiesen.
Jedes Krankenhaus soll einen Pauschalbetrag erhalten; ein Antragsverfahren ist in Baden- Württemberg nicht vorgesehen, ebenso wenig eine „Zukunftsfähigkeitsprüfung“.
Im „Gießkannenprinzip“ werden die Kliniken je nach Größe mit 1 bis 3 Millionen Euro versorgt (sofern der Haushaltsausschuss in Stuttgart zustimmt).
Als kurzfristiges politisches Signal erscheint das Vorgehen von Baden- Württemberg nachvollziehbar:
Das Land stützt in schwierigen Zeiten seine Krankenhäuser, sichert die gewohnte Versorgung vor Ort und verhindert einen „kalten Strukturwandel“. Ziel ist es, die Zeit bis zum Wirksamwerden der Krankenhaus- Strukturreform des Bundes zu überbrücken. Diese greift bei optimaler Umsetzung zum 01.01.2026.
Es gibt eine klare Aufgabenteilung bei der dualen, föderalen Krankenhausfinanzierung:
Für die Investitionskosten (Hardware) ist das Land zuständig,
für die Finanzierung der Betriebskosten, und damit auch der daraus entstehenden Defizite der Krankenhäuser, der Bund. Kostentreiber sind ganz klar die Betriebskosten.
Ich halte das hier von der AfD geforderte Vorgehen auch aus haushalterischer Sicht für nicht angezeigt.
Die zusätzlichen Haushaltsmittel sollen aus der großen baden- württembergischen Rücklage für Haushaltsrisiken ausgezahlt werden.
Zum einen besteht selbst bei diesem Vorgehen die Gefahr eines Verstoßes gegen europäisches Beihilferecht. Zum anderen halte ich es für falsch, wenn Steuergelder in nicht unerheblicher Höhe dafür verwendet werden, nicht nur finanziell schwache Krankenhäuser für eine kurze Zeit möglicherweise vor einer drohenden Insolvenz zu retten, sondern ebenfalls auch finanziell gut gestellte Krankenhäuser mit Steuergeldern zu stützen – möglicherweise auch mit dem Ergebnis, dass sich die Bilanzen einiger privater Krankenhausträger verbessern und davon die Anteilseigner profitieren.
Damit ist niemandem geholfen, schon gar nicht den Bürgerinnen und Bürgern,
für die wir eine zukunftsfähige medizinische Versorgung sicherstellen wollen.
Wir in Niedersachsen beabsichtigen nicht, eine Akuthilfe nach dem baden- württembergischen Beispiel für die Betriebskostenfinanzierung auf den Weg zu bringen.
Gründe dafür sind:
1. dass eine solche Akuthilfe - wenn überhaupt –
nur dann rechtssicher ausgestaltet und ausgeschüttet werden kann, wenn alle Krankenhäuser davon profitieren. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass auch solche Hospitäler von der Akuthilfe profitieren, die keine Verluste machen – und solche Krankenhäuser gibt es auch.
Und
2. möchte ich auf die finanziellen Dimensionen der Hilfe hinweisen:
Stand April 2023 verfügt Baden-Württemberg über 202 Krankenhäuser/ Tageskliniken mit insgesamt 57.730 Betten/ Plätzen. Würde man die 126 Millionen anhand der Bettenzahl auf Niedersachsen umrechnen, so müsste ein Niedersächsisches Akuthilfeprogramm nach dem Vorbild Baden- Württembergs ein Volumen von rund 93 Millionen Euro haben.
Ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit z.B. 130 Betten würde somit eine Liquiditätshilfe von einmalig rund 283.000 Euro (rd. 2.182 Euro pro Bett) erhalten.
Eine solche Hilfe würde eine mögliche Insolvenz allenfalls um einen kurzen Zeitraum verzögern (Experten rechnen mit maximal 4 Wochen).
Darüber hinaus sei noch einmal klar betont:
– die Sicherstellung einer auskömmlichen Betriebskostenfinanzierung
(Energie und Tariflöhne) ist originäre Zuständigkeit des Bundes und der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Ich habe den Bundesgesundheitsminister mehrmals und eindringlich, zuletzt gestern,
darauf hingewiesen, dass es für die steigenden Kosten durch Inflation und Tarifabschlüsse
kurzfristig eines Bundesvorschaltgesetzes bedarf, bevor die Einsparungen der Krankenhausreform greifen.
Das Land Niedersachsen wird sich auf seine Aufgabe und Pflicht konzentrieren, ausreichend hohe Investitionsmittel für die Substanz unserer Krankenhäuser zur Verfügung zu stellen.
Mit dem geplanten 3 Milliarden Investitionsförderprogramm, dass in Kürze bei den Haushaltsberatungen beraten und verabschiedet wird, haben wir für Niedersachsen einen großen Schritt nach vorne gemacht (3 x mehr als der Freistaat Bayern) und sind für die anstehende Gesundheitsreform gut gerüstet.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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erstellt am:
13.09.2023
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