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Rede des Niedersächsischen Gesundheitsministers Dr. Andreas Philippi anlässlich der Bundesratssitzung am 14. Februar 2025 (TOP 5 - Antrag auf Entschließung des Bundesrates zu einer gleichberechtigten Terminvergabe in Arztpraxen)


– Es gilt das gesprochene Wort –


"Die Zwei-Klassen-Medizin ist keine Theorie - für Millionen gesetzlich Versicherte ist sie frustrierende Realität. Tag für Tag erleben sie, dass Privatversicherte schnell Arzttermine bekommen, während sie selbst oft wochenland warten müssen. Das sorgt für Ärger und schwindendes Vertrauen in unser Gesundheitssystem.

Eines muss klar sein: Gerechtigkeit darf kein Privileg sein – sie muss das Fundament unseres Gesundheitswesens bilden. Wer krank ist, braucht Hilfe – unabhängig davon, welche Versichertenkarte sie oder er vorlegt. Dass gesetzlich Versicherte in vielen Fällen benachteiligt werden, ist nicht hinnehmbar.

Ich weiß, dass diese Debatte vielen Ärztinnen und Ärzten nicht gefällt, weil sie das als persönliche Kritik oder als Kritik an der Ärzteschaft empfinden. Ganz klar: Darum geht es nicht! Unsere Initiative ist kein Vorwurf an die Ärzteschaft. Wir wissen, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen alles tun, um möglichst vielen Menschen zu helfen. Die HausärztInnen und die FachärztInnen arbeiten oft am Limit und der persönlichen Leistungsgrenzen – der Druck in den Praxen ist hoch. Das erkennen wir an.

Die Probleme sind systemimmanent und über Jahre gewachsen. Umso wichtiger ist, dass sich eine neue Bundesregierung diesem Missstand annimmt und Gerechtigkeit im Wartezimmer schafft. Es muss immer zuerst um den medizinischen Bedarf gehen, der Versichertenstatus darf nicht länger das entscheidende Kriterium sein. Ich hoffe auf viel Zustimmung aus den anderen Bundesländern.

Besonders in ländlichen Regionen spitzt sich die Problematik weiter zu. Dort wird die Versorgungslücke immer größer – ein Zustand, den wir nicht akzeptieren dürfen. Es ist wichtig, dass wir dieser Entwicklung entschieden entgegentreten.

Die Menschen erwarten Lösungen – zu Recht. Die Forderung nach einer gerechten Gesundheitsversorgung ist längst keine Einzelmeinung mehr, sondern sie spiegelt die Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger wider. Es ist unsere Aufgabe, auf diese berechtigte Kritik zu reagieren und konkrete Verbesserungen umzusetzen.

Denn es geht nicht nur darum, Wartezeiten zu verkürzen – sondern generell um das Vertrauen der Menschen in die Daseinsvorsorge und unser politisches Handeln. Ein Gesundheitssystem, das Menschen ungleich behandelt, gefährdet dieses Vertrauen massiv.

Die historisch gewachsene Zwei-Klassen-Medizin passt nicht in ein modernes und gerechtes Gesundheitssystem. Wir müssen sie schrittweise überwinden und sicherstellen, dass alle Patientinnen und Patienten eine faire Chance auf eine zeitnahe Behandlung haben.

Deshalb sind jetzt gezielte gesetzliche Anpassungen erforderlich. Mit unserer Bundesratsinitiative fordern wir den Bund auf, innovative Lösungsansätze zu prüfen. Dazu gehören unter anderem:

· eine Kontingentierung von Terminen für Privatpatientinnen und -patienten,

· eine verpflichtende Mindestquote für gesetzlich Krankenversicherte in Arztpraxen und

· finanzielle Anreize für Ärztinnen und Ärzte, die überwiegend gesetzlich Versicherte behandeln.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für einen Reformimpuls. Mit der kürzlich beschlossenen Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung – die ja heute hier ebenfalls auf der Tagesordnung steht – ist ein wichtiger Schritt getan. Das schafft die Voraussetzungen dafür, dass Hausärztinnen und Hausärzte mehr Kapazitäten anbieten können. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass diese Kapazitäten auch tatsächlich allen Versicherten zugutekommen.

Es geht nicht darum, die freiberufliche Führung von Arztpraxen infrage zu stellen. Aber: Wenn Steuerungsmechanismen und Anreize zu Ungleichbehandlung führen, dann müssen wir sie anpassen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

Meine Damen und Herren, es gibt viel zu tun. Die Entbudgetierung war ein erster Schritt – die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin muss der nächste sein. In Niedersachsen bündeln wir unsere Maßnahmen in einem „Aktionsplan gegen den Hausärztemangel“, den wir in der kommenden Woche vorstellen. Nur mit solchen Maßnahmenpaketen können wir eine gerechte und gleichwertige Versorgung für alle sicherstellen.

Eine moderne, solidarische Gesundheitsversorgung darf keine Frage des Versicherungsstatus sein.

Ich warne ausdrücklich davor: Wenn wir nicht handeln, wird die Kluft zwischen privat und gesetzlich Versicherten weiter wachsen – mit allen negativen Folgen für unser Land.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam für ein gerechteres, zukunftsfähiges Gesundheitssystem eintreten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.02.2025

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