Sozialministerin Cornelia Rundt zum Weltarmutstag: Die Armutsbekämpfung wird in Niedersachsen endlich angegangen
Künftig soll es einen weiterentwickelten Armuts- und Reichtumsbericht geben – Kritik an Hartz-IV-Regelsätzen
„In Niedersachsen wird künftig nicht nur die Armut genauer analysiert und nachhaltiger bekämpft, wir werden auch die Datenlage zum Thema Reichtum verbessern“, erklärt Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt und kündigt eine Weiterentwicklung der Sozialberichterstattung an. „Ziel ist es, das gewachsene Gefälle zwischen Arm und Reich deutlich zu reduzieren. Außerdem wollen wir erreichen, dass Menschen mit wenig Geld im Portmonee eine vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben offensteht.“ Besonders bedroht von Armut seien Alleinerziehende, Arbeitslose, Kinder und Jugendliche, so Rundt.
Die Sozialministerin äußert sich anlässlich des Weltarmutstages am morgigen Donnerstag sowie anlässlich des Vorliegens des neuen Statistikberichts 2013 zur Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsens (HSBN). Die HSBN soll es unter anderem Kommunen ermöglichen, sozialräumliche und regionale Problemballungen zu erkennen. Die HSBN sei allerdings von der Vorgängerregierung so angelegt worden, dass die Kommunen, die Wohlfahrtspflege und andere soziale Einrichtungen und Verbände sowie das Land daraus nur schwerlich Maßnahmen zur Armutsbekämpfung ableiten könnten, so Rundt. Die Armutsgefährdungsquote in Niedersachsen ist unter Schwarz-gelb laut Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie von 15,2 Prozent im Jahr 2011 auf 15,4 Prozent angestiegen. „Das bedeutet, dass jeder siebte Bewohner in Niedersachsen bisher von Armut bedroht war und weniger als 839 Euro monatlich zur Verfügung hat“, so Rundt, „und jedes fünfte Kind bzw. jeder fünfte Jugendliche gilt als armutsgefährdet – das muss sich ändern.“
Laut Rundt ist vor allem auch der Bund in der Pflicht, die Armutsbekämpfung endlich entschieden anzugehen. Beunruhigend seien unter anderem die Hartz-IV-Sätze für Kinder, die nicht den tatsächlichen Bedarf abbildeten und viel zu gering bemessen seien. Cornelia Rundt: „Die derzeit geltenden Regelsätze stellen nicht das menschenwürdige Existenzminimum sicher. Die aktuelle Hartz-IV-Förderung ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.“ Das vom Bund gewählte Verfahren der Regelsatzermittlung halte einer fachlichen Überprüfung nicht stand, die schwarz-gelbe Bundesregierung habe statt eines vorurteilsfreien Berechnungsverfahrens politische Vorgaben über die Regelsatzhöhe entscheiden lassen. Dieses hat das Land Niedersachsen auch in einer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht mitgeteilt.
In Niedersachsen soll die Weiterentwicklung der Sozialberichterstattung einer der wichtigen Schritte zur Armutsbekämpfung sein. „Um Armut bekämpfen zu können, müssen wir wissen, wer von Armut bedroht ist. Wir müssen wissen, wo es positive und negative Entwicklungen gibt“, sagt Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt. „Die HSBN soll ein Frühwarnsystem für soziale Schieflagen sein, das aufgrund der Breite der Datenbasis flexibel an sich wandelnde Fragestellungen angepasst werden kann“, so Rundt: „Mein Ziel ist es, diesen Bericht zu einer qualifizierten Sozialberichterstattung über die Armuts- und Reichtumssituation auszubauen. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden wollen wir die Lebenssituation der von Armut betroffenen Menschen beleuchten, um den Zahlen in diesem Bericht mehr Gewicht zu verleihen. In einem Modellprojekt wird die Wirksamkeit sozialer Maßnahmen überprüft, mittelfristig soll die HSBN auch Handlungsempfehlungen enthalten.“
Der vom Niedersächsischen Sozialministerium vorgelegte 4. Statistikbericht zur Handlungsorientierten Sozialberichterstattung beinhaltet sowohl positive Trends wie den Anstieg der Beschäftigungszahlen und eine sinkende Zahl der Empfänger von Mindestsicherungsleistungen als auch negative Entwicklungen wie das erhöhte Armutsrisiko. Zudem wird deutlich, dass Niedersachsen im Ländervergleich bei Niedrigeinkommen, Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung über dem Bundesdurchschnitt liegt. Bei den ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten waren Ende Juni 2011 in Niedersachsen 67,6 Prozent Frauen. Frauen waren zudem zunehmend von Altersarmut bedroht: Die Quote für ältere Frauen über 65 Jahre stieg unter der Vorgängerregierung im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 % und lag 2011 bei 16,2 %.
Erneut wird deutlich, dass Bildung und Qualifikation Schlüsselfaktoren sind, um den Weg aus der Armut zu finden - der Bildungserfolg der Kinder hängt immer noch stark vom Bildungsniveau und der sozialen Lage der Eltern ab. Hier sei die neue Landesregierung bereits tätig geworden, so Rundt. Die frühkindliche Bildung wird besonders gefördert, die Betreuungsangebote werden ausgebaut, die Kinder aus Familien mit wenig finanziellen Ressourcen rücken in den Fokus.
Neben der Weiterentwicklung der HSBN will sich das Sozialministerium der Armutsbekämpfung auf vielfältige Weise widmen. So werden etwa neue Modelle für die soziale Wohnraumförderung entwickelt. In Modellprojekten wird eine Ausweitung der Kinderbetreuung in den Tagesrandstunden getestet, um auch Alleinerziehenden eine Erwerbstätigkeit im Schichtbetrieb und somit eine selbständige Existenzsicherung zu ermöglichen. Zudem gibt es in Niedersachsen aktuell 242 anerkannte Beratungsstellen der Schuldnerberatung, das Land nimmt hier eine bundesweite Spitzenstellung ein.
Der HSBN-Statistikbericht 2013 kann auf der Internetseite des Sozialministeriums unter www.ms.niedersachsen.de unter „Soziales“ heruntergeladen werden. Grundlage für den aktuellen Bericht sind die verfügbaren Daten bis zum 15.11.2012.
Artikel-Informationen
erstellt am:
16.10.2013
Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt