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„Bessere Kindertagesstätten statt Landesbetreuungsgeld“

Rede der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt


Es gilt das gesprochene Wort!

Am 21. Juli diesen Jahres hat das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeldgesetz des Bundes für nichtig erklärt. Niedersachsen hat die klageführenden Länder intensiv unterstützt. Das Urteil war und bleibt die einzig richtige Entscheidung. Denn das Betreuungsgeld steht im klaren Widerspruch zu den familienpolitischen Weichenstellungen der letzten Jahre; darunter fallen bedeutende Maßnahmen wie die Einführung des Elterngeld Plus, die Reform des Unterhaltsrechts sowie der Ausbau der Angebote zur Kinderbetreuung.

Ein Betreuungsgeld führt in die falsche Richtung. Der Abschlussbericht der „Gesamtevaluation ehe- und familienbezogener Leistungen“, eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Untersuchung, kommt in diesem Zusammenhang zu einem eindeutigen Ergebnis: Familienpolitische Ziele wie

  • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
  • die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, oder
  • die wirtschaftliche Stabilität von Familien

werden am besten durch den Ausbau der Kinderbetreuung in Kindertageseinrichtungen erreicht. Ein wie auch immer geartetes Betreuungsgeld wirkt da absolut kontraproduktiv.

Im Übrigen gibt es für ein solches Betreuungsgeld weder eine breite gesellschaftliche noch eine politische Mehrheit in unserem Land. Auch innerhalb der CDU war und ist diese Leistung umstritten. Umso mehr erstaunt mich die Entscheidung der CDU auf dem Landesparteitag am 5. September 2015, nun ein Landesbetreuungsgeld einführen zu wollen. Es scheint tatsächlich so, als sei die CDU im Begriff, die überkommenen familienpolitischen Vorstellungen der CSU zu übernehmen.

Sehr geehrte Abgeordnete von der CDU,

es ist doch klar, dass auch ein Landesbetreuungsgeld

  • bildungspolitisch,
  • gleichstellungspolitisch,
  • teilhabepolitisch und
  • wirtschaftspolitisch

verfehlt ist.

Auch ein Landesbetreuungsgeld wird durch die gebetsmühlenartige Wiederholung von Argumenten wie Wahlfreiheit und Anerkennungsleistung von Eltern nicht sinnvoller. Wahlfreiheit besteht erst, wenn auch die Nachfrage von Eltern nach einer qualitativ hochwertigen Kindesbetreuung tatsächlich gedeckt werden kann. Ein Landesbetreuungsgeld wäre sonst nichts Weiteres als ein Geldgeschenk von 150 Euro an diejenigen Eltern, die ihren Kindern diese frühkindliche Bildung nicht zukommen lassen.

Das entspricht nicht meiner Vorstellung von einer guten und gerechten Familienpolitik. Ich habe größten Respekt vor der enormen Erziehungsleistung aller Eltern, unabhängig davon, ob sie sich für die Betreuung in einer Kita oder für die Eigenbetreuung entscheiden. Mein Respekt gilt selbstverständlich auch den Eltern, die aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus entscheiden müssen, ihr Kind durch engagierte Fachleute betreuen zu lassen, und sich dann nach einem langen Arbeitstag schließlich selbst voll und ganz ihren Kindern widmen. Für diese Eltern besteht die Wahlfreiheit erst, wenn sich ihre wirtschaftliche Situation nachhaltig verbessert.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war nicht nur eindeutig, sondern bietet uns auch eine Chance. Wir haben nun die Möglichkeit, die freigewordenen Mittel zum qualitativen und quantitativen Ausbau der Kindertageseinrichtungen zu nutzen. Nur so erreichen wir Wahlfreiheit und zollen den Familien die Anerkennung, die sie verdienen.

Die Landesregierung wird daher gemeinsam mit anderen Bundesländern im Bundesrat einen Entschließungsantrag auf den Weg bringen, der genau das ermöglicht.

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU-Fraktion,

setzten Sie sich doch dafür bei Ihrem Parteifreund Herrn Schäuble ein. Das wäre ein lohnendes Ziel. Die frei werdenden Mittel dürfen nicht im Bundeshaushalt verschwinden, sondern Bundesfinanzminister Schäuble muss diese für den Kitaausbau bereitstellen.

Kindertageseinrichtungen sind mehr als Betreuungseinrichtungen für Kinder zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Krippe und Kindergarten erfüllen einen eigenständigen Bildungsauftrag und sind die erste Stufe des niedersächsischen Bildungssystems. Allen Kindern ab dem vollendeten ersten Lebensjahr sollte die elementare Bildung offen stehen. Wir wollen daher in Niedersachsen kein Landesbetreuungsgeld. Wir wollen vielmehr Kindern ermöglichen, sowohl aus den Bildungsressourcen ihrer Familien zu schöpfen als auch von Lern- und Entwicklungsanreizen in elementaren Bildungseinrichtungen zu profitieren. Wir sehen die Rolle des Landes dabei vor allem darin, die Kindertagesbetreuung qualitativ weiter auszubauen - als ein attraktives und hochwertiges Angebot komplementär zum Bildungsort Familie.


Für die elementare Bildung haben wir bereits viel erreicht. Der quantitative und qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren war ein Kraftakt, den Bund, Land und Kommunen gemeinsam gestemmt haben.

  • Von 2007 bis 2014 hat Niedersachsen die Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren fast verfünffacht.
  • Mit der stufenweisen Einführung von dritten Kräften in Krippengruppen hat das Land die Betreuung weiter verbessert.

Mit dem Ausbau von Betreuungsangeboten schaffen wir Lebensbedingungen, die allen Kindern die Chance bietet, zusammen mit anderen Kindern sozial zu lernen, und sie an einer optimalen frühkindlichen Bildung teilhaben lässt. Wir schaffen damit aber auch Lebensbedingungen, die es Familien ermöglichen, ein Familieneinkommen zu erzielen, das den Lebensunterhalt und eine solide Altersvorsorge sichert. Und wir leisten einen weiteren Beitrag zu mehr Gleichberechtigung in der Erziehungsverantwortung und damit zu mehr Gleichstellung von Männern und Frauen.

Das ist der Weg Familienpolitik wirkungsvoll zu gestalten.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.09.2015

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