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Tagung „Landespsychiatrieplan Niedersachsen: Start in eine neue Reformära?“

Sozialministerin Cornelia Rundt: „Wir brauchen eine andere Psychiatrie.“


Besonderer Reformbedarf besteht für chronisch Kranke, Jugendliche und ältere Menschen

Die Angebote für seelisch erkrankte Menschen in Niedersachsen sind gut ausgebaut, aber oft unzureichend vernetzt und zu wenig koordiniert. Die Landesregierung will die Versorgung deshalb zukünftig besser koordinieren und steuern. Konstruktive Lösungsansätze dazu soll die Tagung „Landespsychiatrieplan Niedersachsen: Start in eine neue Reformära?“ bringen. Gemeinsam mit unterschiedlichen Akteuren bringt die Tagung Fachleute miteinander ins Gespräch und gibt dem Reformprozess in Niedersachsen dadurch weitere Schubkraft.

„Wir brauchen nicht mehr, sondern eine andere Psychiatrie“, unterstreicht Niedersachsens Sozial- und Gesundheitsministerin Cornelia Rundt das Ziel der Tagung. „Die Psychiatrie umzugestalten kann dabei nur gemeinsam mit den Betroffenen und den Angehörigen psychisch kranker Menschen gelingen“, so die Ministerin. Mit dem im vergangenen Jahr veröffentlichten Landespsychiatrieplan sei der Rahmen für die Entwicklung der Psychiatrie in Niedersachsen für die nächsten zehn Jahre festgelegt worden. Im Großen und Ganzen stehen in Niedersachsen alle erforderlichen Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen bereit. Dennoch gibt der Landespsychiatrieplan Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Psychiatrie.

„Von hoher Bedeutung für die weiteren Reformschritte ist, dass die mit der Versorgung psychisch kranker Menschen befassten Einrichtungen und Fachkräfte eng und koordiniert vor Ort zusammen arbeiten. Die Bereitstellung von bedarfsnotwendigen Hilfen muss gut geplant und insbesondere auch in Krisenfällen bereichsübergreifend und zielorientiert gesteuert werden können“, sagt Prof. Dr. Rudolf Schmid von FOGS – Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich mbH.

Für drei Gruppen von Menschen besteht demnach ein besonderer Reformbedarf:

  • Menschen mit einer schweren chronisch verlaufenden psychischen Erkrankung

    Diese Gruppe umfasst nach Schätzungen der Fachleute 1 – 2 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren. Das sind in Niedersachsen etwa 50 bis 100.000 Betroffene, viele von ihnen leben in Heimen der Eingliederungshilfe und in Altenpflegeheimen. Das Motto „ambulant vor stationär“ müsse deshalb auch in der Psychiatrie stärker gelebt werden, betont Ministerin Rundt. Um die derzeitige Situation zu verbessern, empfiehlt der Landespsychiatrieplan beispielsweise den Aufbau gemeindepsychiatrischer Zentren oder die Verbesserung der Krisenhilfe in den Regionen – insbesondere auch abends bzw. nachts und am Wochenende.

  • Kinder und Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenenalter

    Diese Gruppe weist einen sehr hohen Anteil an psychiatrischen Mehrfachdiagnosen auf. Ihre Chancen auf einen Berufsabschluss und einen Zugang zum Arbeitsmarkt sind sehr viel geringer als bei später Erkrankten. Deshalb ist es wichtig, neue integrierte Konzepte für den Bereich der Adoleszenzpsychiatrie zu entwickeln. Ziel muss sein, diese Kinder und Jugendlichen möglichst früh zu identifizieren. „Uns muss es gelingen, psychisch kranken Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu Bildung, Beruf und Freizeit zu ermöglichen. Dahinter steht weit mehr als eine psychiatrische Therapie: Jugendhilfe, Schule und Psychiatrie – Alle sind gefordert, zusammen zu arbeiten“, so Cornelia Rundt.

  • Ältere und hochaltrige Menschen

    „Für die Psychiatrie ist es wichtig, dass die Hilfe zu den Menschen kommt und nicht die Menschen zur Hilfe“, untermauert Ministerin Rundt. So lange wie möglich im selbstgewählten Umfeld zu leben, sei ein häufiger Wunsch alter Menschen. Hier gelte es, bürgerschaftliche Initiativen wie die „demenzfreundlichen Kommunen“ zu unterstützen. Auch die Angehörigen psychisch erkrankter älterer Menschen seien ins Blickfeld zu nehmen, da sie Gefahr laufen, selbst psychisch zu erkranken. Das Land Niedersachsen fördert seit 2005 die Entwicklung und Umsetzung solcher Konzepte

Zwangsmaßnahmen sind ein weiteres, stark diskutiertes Thema in der Psychiatrie. Zahlen zur Häufigkeit einzelner Zwangsmaßnahmen wie Unterbringung, Fixierung, Zwangsmedikation etc. liegen indes nicht vor. Der Landespsychiatrieplan empfiehlt hierzu ein ‚verpflichtendes Register zu Einweisungen und Zwangsbehandlungen‘. „Diese Empfehlung nehmen wir sehr ernst“, sagte Ministerin Rundt, für eine bundesweite Vergleichbarkeit solle gemeinsam mit den anderen Bundesländern ein einheitlicher Erfassungsstandard entwickelt werden. „Wichtiger als die Datenerhebung sind jedoch Maßnahmen, die Zwang reduzieren“, so Rundt. Es gebe inzwischen bereits gut etablierte Konzepte, deren flächendeckende Umsetzung die Ministerin forderte. Dazu zählen beispielweise regelmäßige Deeskalationstrainings der psychiatrischen Teams oder Behandlungsvereinbarungen. Ganz konkret fördert das Land derzeit in einer Modellregion der Landkreise Aurich, Friesland, Leer, Wittmund und den kreisfreien Städten Wilhelmshaven und Emden ein „Redufix-Projekt“ unter der Federführung des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Aurich mit bis zu 135.000 Euro jährlich. Ziel ist es, hier weitere praktische Erkenntnisse zu gewinnen und das Modell auf andere Regionen auszuweiten.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
03.04.2017

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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