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Kein Wegsehen beim Linksextremismus - Niedersachsen braucht ein Landesprogramm gegen Linksextremismus

Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt


Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.06.2017, TOP 18


- Es gilt das gesprochene Wort -

„Zu Beginn möchte ich ein weiteres Mal unmissverständlich betonen – die Landesregierung hat dies wiederholt getan –, dass von uns jede Form des Extremismus verurteilt wird. Unter Demokraten sollte hieran kein Zweifel bestehen. Bei der Prävention geht es deshalb nicht um das Ob, sondern um das Wie. Der spezifische Zusammenhang zwischen der Einstellungsebene, also Vorurteilen und Ressentiments auf der einen Seite und der ideologischen Ausprägung auf der anderen Seite, auf dem das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus basiert, ist in dieser Form auf andere extremistische Phänomenbereiche nicht übertragbar. Erforderlich sind vielmehr phänomenspezifische Präventionsansätze, die vom Leitgedanken der Interdisziplinarität getragen werden müssen, weil Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen ist. Mit der Wiedereinrichtung einer Landeszentrale für politische Bildung und der Einrichtung einer Dokumentations- und Forschungsstelle am Institut für Demokratieforschung in Göttingen hat die Landesregierung die Voraussetzungen für die Entwicklung solcher phänomenspezifischer Präventionsansätze verbessert. Von der Dokumentations- und Forschungsstelle erhoffen wir uns Erkenntnisse über Radikalisierungsprozesse im Bereich Linksextremismus. Gerade das Fehlen solcher Forschungsergebnisse, die konkrete Präventionsmaßnahmen begründen könnten, wird von Fachleuten bemängelt.

Verhehlen möchte ich nicht, dass in Hinsicht auf den Linksextremismus keine mit dem Rechtsextremismus und dem Salafismus vergleichbare Nachfrage an entsprechenden Präventionsangeboten besteht. Dies zeigt die geringe Anzahl von nachgefragten Fachvorträgen beim Verfassungsschutz. Von 2013 bis 2016 wurden durch den Verfassungsschutz 48 Vorträge mit 1.699 Personen zum Linksextremismus gehalten.

Unabhängig von der Nachfrage von Präventionsangeboten hat der Verfassungsschutz mit sechs Veranstaltungen über den Linksextremismus eine Dichte angeboten, wie es dies in den Jahren zuvor nicht gegeben hat. Und das obwohl sich die Anzahl von linksextremistischen Autonomen in den Jahren 2010 und 2011 mit 910 bzw. 940 auf einem Höhepunkt bewegte! In den Verfassungsschutzberichten war sogar von einem Sinken der Hemmschwelle in Bezug auf die Ausübung von Gewalttaten, mit Blick auf die Szene in Göttingen sogar von einer neuen Qualität der Gewalt, die Rede.

Die Erarbeitung eines auf diese Entwicklung abgestimmten Präventionskonzeptes unterblieb seinerzeit. Zum Vergleich der Problemlagen: Im aktuellen Verfassungsschutzbericht wird der Anteil der autonomen und gewaltbereiten Linksextremisten auf 625 Personen beziffert. Ebenso bestehen nun durch den Verfassungsschutz zwei Publikationen, ein Faltblatt und eine Broschüre, zum Linksextremismus, wohingegen in den beiden vorherigen Legislaturperioden lediglich die Tagungsdokumentation „Linksextremismus - Die unterschätzte Gefahr?“ (2010) veröffentlicht wurde.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass die niedersächsische Polizei neben der Prävention im eigentlichen Sinne erkannte Straftaten konsequent verfolgt und an Brennpunkten Schwerpunkte setzt, indem beispielsweise Ermittlungsgruppen eingerichtet oder speziell auf die Situation angepasste Bekämpfungskonzepte zur Verfolgung der Taten, sowie zur Verhinderung weiterer Straftaten erstellt werden.

Die Niedersächsische Landesregierung stellt sich den Herausforderungen der Prävention in ihrer gesamten Bandbreite. Dort wo es nötig war, hat sie neue Instrumente entwickelt. Leitgedanken ihres Ansatzes sind Interdisziplinarität und die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure. Interdisziplinarität ist dem Gedanken verpflichtet, dass Extremismus-Prävention zwingend im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes geplant werden muss, wenn sie erfolgreich sein soll; der Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure liegt die Einsicht zugrunde, dass Präventionsarbeit nur dann nachhaltige Wirkung erzielen kann, wenn sie von bürgerlichem Engagement mitgetragen wird.

Noch ein Appell an uns alle zum Schluss: Lassen Sie uns Präventionspolitik nicht immer nur gegen etwas (Extremismus), sondern für etwas, nämlich Demokratie, konzipieren. Wir benötigen den mündigen Bürger, der politische Prozesse kritisch begleitet und sich der Menschenrechte bewusst ist.“

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

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erstellt am:
14.06.2017

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