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Einführung einer Impfpflicht

Antwort der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Dr. Carola Reimann hat namens der Landesregierung auf eine Dringliche Anfrage der FDP geantwortet.

Die Abgeordneten der Fraktion der FDP hatten gefragt:

Der HAZ vom 15. Juli 2013 war zu entnehmen, dass es damals zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung zu einem „Streit um Impfpflicht bei Masern“ gekommen war. Der damalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte sich für eine bundesweite Impfpflicht bei Masern stark gemacht, die damalige niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) dagegen hatte betont, dass sie nicht auf Impfpflicht, sondern auf Vernunft setze.

Diese Linie wurde seitens der SPD bis vor Kurzem vertreten. So äußerte sich Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) noch am 7. Mai 2019 dahin gehend, dass der Hildesheimer Fall zeige, „dass eine Impfpflicht für Kinder am eigentlichen Problem vorbeigeht“ (vgl. HAZ vom 9. Mai 2019), und wiederholte dies am 8. Mai 2019 gegenüber dem NDR mit der Aussage, dass eine Impfpflicht schon im Kindesalter, wie sie u. a. von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert wird, nicht notwendig sei (vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Tod-nach-Masern-Reimann-weiter-gegen-Impfpflicht,masern270.html).

Am 9. Mai 2019 war dann der HAZ zu entnehmen: „Die niedersächsische SPD gibt ihren Widerstand gegen eine Masernpflichtimpfung auf. Nachdem eine Frau aus dem Landkreis Hildesheim vermutlich an der hoch ansteckenden Krankheit gestorben ist, hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) seine Zustimmung signalisiert“ (vgl. HAZ vom 9. Mai 2019).

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Worauf ist die veränderte Bewertung zurückzuführen?
  2. Wie genau sollte diese Impfpflicht für Masern ausgestaltet sein?
  3. Was spricht aus Sicht der Landesregierung dafür, die Impfpflicht nicht nur auf Masern zu beschränken, sondern eine grundsätzliche Impfpflicht einzuführen, die sich nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts richtet?


Ministerin Dr. Carola Reimann beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

- Es gilt das gesprochene Wort –

„Wir wollen als Landesregierung einen guten Impfschutz der Bevölkerung und unserer Kinder erreichen. Wir alle – Bundesgesundheitsminister Spahn und das Land – können nicht akzeptieren, dass es in einem Land mit umfassender Gesundheitsversorgung immer noch Masernerkrankungen und Masernausbrüche gibt. Wir unterstützen das WHO-Ziel, die Masern vollständig zu eliminieren.

Masernausbrüche, beispielsweise in Hildesheim, haben eine Debatte über die Impfpflicht ausgelöst. Bundesgesundheitsminister Spahn hat einen Referentenentwurf vorgelegt, der eine Masern-Impfpflicht insbesondere für Kinder vorsieht. Und ich begrüße ausdrücklich, dass wir gerade so ausführlich über das Impfen diskutieren. Denn das bietet die Gelegenheit, über die Bedeutung des Impfens zu informieren und dafür zu werben, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen.

Ich habe mich in den letzten Wochen sehr differenziert mit dem Vorschlag, eine Impfpflicht einzuführen, auseinandergesetzt: Die Impfpflicht ist keine einfache Maßnahme und keine Maßnahme, die wir leichtfertig vorgeben dürfen. Sie kann aber Ultima Ratio eines Gesamtpakets zur Verbesserung des Impfschutzes sein. Wir unterstützen ausdrücklich alle Maßnahmen, die zu einer höheren Impfrate in der Bevölkerung beitragen. Auch einer Impfpflicht verschließen wir uns daher nicht. Am allerwichtigsten finde ich aber, die Menschen über die Vorteile von Impfungen zu informieren und so zu einer Steigerung der Impfrate zu kommen.

Überzeugung wirkt hier mehr als die Pflicht. Es gibt keine grundsätzliche Ablehnung des Impfens in der Bevölkerung. Trotzdem lassen sich nicht alle Menschen impfen. Hier müssen wir ansetzen. Unsere Kinder werden bis zur Einschulung sehr oft im Rahmen der U-Untersuchung bei der Kinderärztin oder dem Kinderarzt vorgestellt. Bei diesen Untersuchungen muss eine höhere Aufmerksamkeit auf dem Impfen liegen.

Wir sehen aber auch, dass die Personengruppe, die am häufigsten an Masern erkrankt, immer älter wird. Masern treten inzwischen überwiegend bei Erwachsenen und nicht bei Kindern auf. Da spiegelt sich, dass in den Jahren von 1970 bis zur Jahrtausendwende noch nicht so konsequent geimpft wurde und deshalb aus diesen Jahrgängen viele Personen ungeschützt sind.

Vor allem braucht auch jede und jeder die zweite Masern-Impfung, um den Schutz komplett zu machen. Das wissen nicht alle. Ich rate hier vor allem Menschen im mittleren Alter, ihren Impfstatus kontrollieren zu lassen. Der Blick muss sich also auch auf die Erwachsenen richten. Diese sollen sich impfen lassen und schützen damit nicht nur sich, sondern zugleich kleine Kinder, die aus Altersgründen noch gar nicht geimpft werden können. Ich rate Ihnen allen: Lassen Sie Ihren Impfstatus – besonders bei Masern – von Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt kontrollieren. So stellen Sie fest, ob bei Ihnen die zweite Masernimpfung oder andere Impfungen fehlen. Lassen Sie fehlende Impfungen bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt nachholen.

Wir wollen für diese ansteckenden Krankheiten einen „Herdenschutz“ erreichen, damit diejenigen, die aus Gesundheits- oder Altersgründen nicht oder noch nicht geimpft werden konnten, geschützt sind. Das hat etwas mit Verantwortung für andere zu tun. Aber auch mit Solidarität und letztlich einem Eigeninteresse. Denn wenn ich zu den verwundbaren Gruppen gehöre oder solche Menschen in meiner Familie habe, habe ich ein starkes Interesse an einer hohen Impfrate. Diese Botschaft muss alle Menschen erreichen. Und deshalb erwarte ich vom Bund, dass er jetzt eine solche Kampagne für ganz Deutschland startet.

„Deutschland sucht den Impfpass“ – mit bunten Plakaten war hier ein guter Anfang, aber reicht bei Weitem nicht aus. Ich stelle mir als weitere Maßnahme auch einen elektronischen Impfausweis als digitales Instrument vor, das automatisch an nötige Impfungen erinnert. Außerdem lasse ich aktuell auch eine eigene Impf-Kampagne erarbeiten. Darin geht es eben genau um diese Informationen für die Ärztinnen und Ärzte und alle Menschen in Niedersachsen. Wir müssen uns gemeinsam, mit den betroffenen Kommunen vor Ort, insbesondere dort um Initiativen bemühen, wo es unterdurchschnittliche Impfquoten gibt. Die Ursachen hierfür sind unterschiedlich und dafür müssen Aktionen zielgerichtet erfolgen. Bei den Masern konnten wir in den letzten Jahren – auch dank gezielter Initiativen bei Auftreten der Erkrankung – große Ausbrüche verhindern. Ich sehe aber besonderen Nachholbedarf für andere Krankheiten.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen seitens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Ich habe in der Debatte immer auf die Bedeutung des Impfens aufmerksam gemacht und dafür geworben, dass möglichst viele Menschen sich und ihre Kinder impfen lassen. Einer Impfpflicht verschließe ich mich nicht. Das gilt für die gesamte Landesregierung. Eine Impfpflicht kann Ultima Ratio eines Gesamtpakets zur Verbesserung des Impfschutzes sein.

Besonders wichtig finde ich aber, die Gelegenheit zu nutzen, um über die Notwendigkeit und die Vorteile des Impfens zu informieren und aufzuklären. Das wollen wir mit einer eigenen Kampagne unterstützen.

Zu 2.:

Nicht wir führen diese Impf-Pflicht ein, sondern der Bund: Im vorgelegten Gesetzentwurf

des Bundesgesundheitsministeriums ist vorgesehen, dass Personen, die eine Gemeinschaftseinrichtung für Kinder und Jugendliche besuchen und das heißt

- Betreute

- und Betreuende

- und Beschäftigte im Gesundheitswesen mit Patientenkontakt

einen Impfschutz gegen Masern vorweisen müssen. Sie müssen dies der Leitung der Einrichtung nachweisen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so muss die Leitung

dies dem Gesundheitsamt mit Angaben der Daten melden. Nach dem Referentenentwurf

kann diese Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro geahndet werden.

Zu 3.:
Es geht bei der Frage um die Impfpflicht um grundsätzliche Erwägungen. Schon vor und mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes gab es die rechtliche Möglichkeit, eine Impfpflicht einzuführen. Dies ist bislang für den Fall vorgesehen, dass eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.

An der grundsätzlichen Feststellung, dass eine Impfpflicht als Ultima Ratio eingesetzt werden soll, hat sich also nichts geändert – eine Impfpflicht ist vorstellbar, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dabei müssen immer die Rechtsgüter Gesundheitsschutz und Selbstbestimmung bzw. körperliche Unversehrtheit gegeneinander abgewogen werden.“


Presseinformationen

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.05.2019

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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