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Bundeseinheitliche Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen

Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt



Sitzung des Bundesrates am 22.09.2017, TOP 14


– Es gilt das gesprochene Wort –


„Mit unserem Antrag greifen wir ein Problem auf, das uns bereits seit vielen Jahren in den unterschiedlichsten Gremien auf Bundes- und auch auf Landesebene beschäftigt:

Die Finanzierung von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen, bislang leider ohne eine Lösung für die Betroffenen.

Nach wie vor stehen Frauen mit geringem Einkommen und insbesondere Frauen im Sozialleistungsbezug vor der Frage, wie sie die Kosten für Verhütungsmittel finanzieren sollen. Seit 2004 werden die Kosten für empfängnisverhütende Mittel in der gesetzlichen Krankenversicherung nur noch bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres übernommen. Danach haben die betroffenen Frauen diese selbst zu tragen. Für Frauen im Sozialleistungsbezug bedeutet dies, dass sie die Kosten für Verhütungsmittel aus dem monatlichen Regelsatz bestreiten müssen.

Zur Verdeutlichung: Die im Regelsatz enthaltene Pauschale für Gesundheitspflege beträgt aktuell 15 Euro. Führt man sich vor Augen, dass hieraus alle Ausgaben für Gesundheit bezahlt werden müssen, wird auch ohne nähere Berechnungen schnell deutlich, dass dies in der Praxis schlicht und ergreifend nicht möglich ist.

Was ist die Folge aus dieser bestehenden Rechtslage? In einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2016 wurden Frauen im Sozialleistungsbezug zu ihrem Verhütungsverhalten befragt. Etwa ein Viertel von ihnen hat angegeben, schon einmal allein aus Kostengründen auf die Pille oder die Spirale verzichtet zu haben. Sie haben sich folglich aus Geldmangel dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft ausgesetzt. Das ist für mich ein unhaltbarer Zustand!

Wir haben also eine Rechtslage, die dazu führt, dass ärmere Frauen in sozial ungesicherter Lebenslage häufiger ungewollt schwanger werden und sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Allein dies ist schon nicht hinnehmbar, wissen wir doch alle, welche erheblichen physischen und vor allem aber psychischen Belastungen damit einhergehen.

Das Zynische dabei ist jedoch: Kommt es aufgrund der Notlage der Frau zum Schwangerschaftsabbruch, besteht für diesen Personenkreis ein gesetzlicher Anspruch auf Übernahme der Kosten durch das Land. Ganz konkret bedeutet dies: Ein Schwangerschaftsabbruch mit all seinen Folgen wird finanziert - für Prävention hingegen gibt es kein Geld.

Durch eine dauerhafte Sicherung der Übernahme der Kosten für Empfängnisverhütung im Vorfeld könnte diese unmenschliche Realität vermieden werden. Vor diesem Hintergrund begrüße ich sehr, dass es nunmehr offenbar auch auf Bundesseite Bestrebungen gibt, hier zu einer Lösung zu kommen.

Ein gutes Beispiel ist das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte und vom Pro Familia Bundesverband durchgeführte Modellprojekt „biko“.

An bundesweit sieben Projektstandorten ermöglicht dieses Projekt einen unkomplizierten Zugang zu verschreibungspflichtigen, sicheren und gut verträglichen Verhütungsmitteln für Frauen mit wenig Geld. Neben dem Schwerpunkt der Kostenübernahme ist das Angebot mit einer umfassenden Beratung verbunden.

Ich freue mich sehr, dass sich mit der Stadt Wilhelmshaven auch einer der Modellstandorte in Niedersachsen befindet. Ich konnte mich vor Ort von der überaus engagierten Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der dortigen Beratungsstelle überzeugen – deren Engagement im Sinne der betroffenen Frauen kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Erst recht nicht hoch genug eingeschätzt werden kann das mit dem Modellversuch verbundene Signal, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Frauen nicht nur ausdrücklich gestützt wird, sondern auch zumindest in der Praxis des Modellversuchs nicht am Geld scheitert. Dies ist aber eben nur ein Baustein auf der Suche nach einer bundesweiten Lösung des Problems.

In der Vergangenheit hat es immer wieder halbherzige Lösungsansätze gegeben, indem einige Bundesländer oder aber einzelne Kommunen durch Fonds oder Härtefallregelungen versucht haben, Abhilfe zu schaffen. Es ist aber zwingend notwendig, eine Lösung für alle Frauen unabhängig von ihrem Wohnort zu schaffen. Dies gelingt nur mit einer bundeseinheitlichen Regelung.

Wir dürfen die Frauen mit dieser Situation nicht länger allein lassen. Es steht für mich ohne Zweifel fest: Wir müssen endlich handeln und die Unterstützung durch den Bundesgesetzgeber muss für diese Frauen endlich kommen.

Der Niedersächsische Landtag hat sich mit einer Entschließung aus dem April dieses Jahres eindeutig für die Schaffung einer solchen bundeseinheitlichen Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen ausgesprochen. Auch die Gleichstellungs- und Familienministerkonferenz hat im Juni 2017 den Beschluss gefasst, mit der Bitte an die Bundesregierung heranzutreten, eine bundesgesetzliche Regelung zur Kostenübernahme zu schaffen.

Lassen Sie uns gemeinsam mit unserem heutigen Antrag einen weiteren Baustein setzen auf dem Weg nach einer gemeinsamen Lösung. Im Interesse der betroffenen Frauen bitte ich um Unterstützung unseres Entschließungsantrages.“


Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.09.2017

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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