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150 Jahre § 218 StGB – Kein Grund zum Feiern

Daniela Behrens: „Es gibt für mich keinen Grund, 150 Jahre Bevormundung und Kriminalisierung von Frauen zu feiern“


Vor 150 Jahren, am 15. Mai 1871, wurde der Schwangerschaftsabbruch erstmals ins Strafgesetzbuch übernommen. Seitdem gelten Frauen, die eine unerwünschte Schwangerschaft abbrechen, quasi als Verbrecherinnen. Im Alltag wird zwar von einer Strafe abgesehen, wenn die Frauen sich einer Beratung unterzogen haben, die Strafbarkeit bleibt aber formal bestehen.

„Ob dies tatsächlich notwendig ist, um werdendes Leben zu schützen, bezweifele ich“, so Gleichstellungsministerin Daniela Behrens. „Der beste Schutz ist eine gute Aufklärung und ein guter Zugang zu Verhütungsmitteln. Die Zwangsberatung – so gut die Beratung selbst auch ist – bringt jede Frau in eine besondere Situation. Dagegen ist eine gute freiwillige Beratung eine Stärkung und Unterstützung.“

Es ist ein Menschenrecht, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen können. In der Frauenrechtskonvention CEDAW der Vereinten Nationen ist dies in Artikel 16 ausdrücklich geregelt.

Frauen dürfen selbst bestimmen, ob und wie viele Kinder sie bekommen wollen. Das ist internationales Recht seit 1979 und Deutschland hat sich zur Umsetzung verpflichtet.

Es geht um gute Sexualaufklärung und um die Möglichkeit, eine Schwangerschaft zu verhüten, wenn sie nicht gewollt ist. Schwangerschaftsabbruch ist dagegen keine Methode der Verhütung. Schwangerschaftsabbruch ist eine Notlösung, wenn Verhütungsmittel versagt haben oder wenn Verhütung nicht möglich war – warum auch immer.

„Auch in der Situation bleibt es das Recht der Frau zu entscheiden, ob sie schwanger sein will oder ob sie das nicht will“, betont Ministerin Behrens. „Denn es ist ihr Körper, der die Schwangerschaft austrägt, ihre Psyche, die mit der Entscheidung leben muss – wie auch immer sie ausfällt. Es ist das Leben der Frau, das von dieser Entscheidung beeinflusst wird und damit auch ihre Entscheidung, das Kind auszutragen oder auch nicht. Und diese Entscheidung wird nie leichtfertig getroffen!“

Ministerin Behrens dankt an diesem Tag allen Beratungskräften der gut ausgebauten und vielfältigen Beratungslandschaft in Niedersachsen für die gute Arbeit, die sie täglich leisten: „Sie machen das gut! Ich bin mir sicher: Eine Frau, die Beratung braucht, wird sie sich suchen und in Niedersachsen gute Ansprechpartnerinnen finden. Sie muss dazu nicht erst gezwungen werden.“

Ein weiterer Dank gilt allen Ärztinnen und Ärzten, die Frauen in dieser Situation zur Seite stehen. Die rechtliche Situation macht es auch ihnen nicht leicht.

Das Werbeverbot des § 219a StGB drängt Ärztinnen und Ärzte in die Illegalität. Damit wird es für Frauen schwer, in der Kürze der Zeit eine Ärztin oder einen Arzt für einen Abbruch zu finden. Für Arztpraxen wird es demgegenüber sehr schwer gemacht, offen über die Möglichkeiten aufzuklären. “Der § 219a StGB gehört abgeschafft“, betont Ministerin Behrens.

Die inzwischen geschaffene Möglichkeit der Registrierung ist dabei keine sinnvolle Alternative. Ärztinnen und Ärzte, die das tun, müssen fürchten angefeindet zu werden. Und zwar von Menschen, die eine Welt nicht akzeptieren können, in der Frauen über ihren Körper entscheiden und Ärztinnen und Ärzte diese Entscheidung respektieren und unterstützen.

Ministerin Behrens dazu: „Mein größter Respekt gilt allen, die sich trotzdem auf diesen Listen registrieren. Und mein volles Verständnis für diejenigen, die dies nicht tun und trotzdem Abbrüche vornehmen. Meine Bitte an Sie alle: Lassen Sie sich nicht entmutigen! Stehen Sie den Frauen weiter zur Seite.“

Das 150 Jahre alte Symbol für Bevormundung und Unterdrückung muss weiter offen und nachhaltig thematisiert werden.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung beteiligt sich deshalb am
15. Mai 2021 als Teil des Netzwerkes Frauen Mädchen und Gesundheit Niedersachsen an der Online-Veranstaltung „150 Jahre § 218 – wie viel Freiheit haben wir wirklich?“.

In Kooperation mit dem Apollo-Kino Hannover wird der vielfach ausgezeichnete Film „Aufbruch in die Freiheit“ gezeigt. Der Film spielt im Jahre 1971 und handelt von einer Frau, die nach einem damals verbotenen Schwangerschaftsabbruch aus ihrer dörflichen Enge ausbricht und sich den Protesten gegen den Paragraphen 218 und der Aktion „Wir haben abgetrieben!“ anschließt. Er wurde u. a. mit dem Deutschen Fernsehpreis 2019 ausgezeichnet und für den Juliane Bartel Medienpreis 2019 nominiert.

Anschließend gibt es eine Talkrunde mit den Autorinnen des Films, Andrea Stoll und Heike Fink, der engagierten Frauenärztin Kristina Hänel, der mit dem Juliane-Bartel-Preis ausgezeichneten Autorin Dr. Gaby Mayr, der Geschäftsführerin von pro familia Niedersachsen Uta Engelhardt sowie Prof. Dr. Maria Wersig von der Hochschule Hannover und Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes.

Die Veranstaltung stößt auf bundesweites Interesse, schon jetzt sind über 120 Anmeldungen zu verzeichnen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.05.2021

Ansprechpartner/in:
Silke von der Kammer

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