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Plenum 7. April 2017 - Mündliche Anfragen - Anfrage 42

Sollten Teile der Kinder- und Jugendhilfe dem übertragenen Wirkungskreis zugeordnet werden?

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Gudrun Pieper, Annette Schwarz (CDU) geantwortet.

Die Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Gudrun Pieper, Annette Schwarz (CDU) hatten gefragt:

Die Landesregierung hat den Landtag am 23. Februar 2017 über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs unterrichtet. Ausweislich der Gesetzesbegründung möchte die Landesregierung mit der Gesetzesänderung nicht nur das bundesgesetzliche Verteilverfahren für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) landesrechtlich regeln, sondern künftig auch Einfluss auf die bislang vom Land nicht zu beeinflussende Ausgabensituation für Inobhutnahmen von UMA nehmen können.

Der Gesetzentwurf regelt daher, dass das Landesjugendamt künftig an Verhandlungen über Leistungs- und Entgeltvereinbarungen teilnehmen kann, die sich auf Angebote für UMA beziehen, die Jugendämter das Landesjugendamt über die Verhandlungstermine zu unterrichten haben, sie bei allen Angeboten für UMA den kostenrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zu beachten haben und sie künftig die von ihnen für UMA erbrachten Leistungen in ihren Abrechnungen dezidierter und differenzierter darzustellen haben.

Die Landesregierung legt in der Gesetzesbegründung dar, dass mit diesen im eigenen Kosteninteresse beabsichtigten Regelungen die kommunalen Selbstverwaltungsrechte im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eingeschränkt würden. Daran anknüpfend die Betreuung von UMA künftig als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises zu behandeln, lehnt sie jedoch mit der Begründung ab, dass kein Grund ersichtlich sei, „der dafür spräche, die bewährte einheitliche Zuweisung der Kinder- und Jugendhilfe als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises nunmehr so aufzuspalten, dass künftig unbegleitete ausländische Minderjährige im übertragenen Wirkungskreis und Kinder und Jugendliche mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie ausländische Kinder und Jugendliche, deren Eltern oder Verwandten das Sorgerecht wahrnehmen können, im eigenen Wirkungskreis betreut würden. Dies würde vielmehr zu unterschiedlichen Rechtslagen, zu schwierigen Abgrenzungspro-blemen führen und letztlich auch diskriminieren. Im Übrigen läge der geschätzte zusätzliche Bedarf für die dann aufzubauende Fachaufsicht im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichste Gleichstellung mindestens bei ca. sechs Vollzeitstellen.“

1. Ließe sich dem von der Landesregierung als Grund für die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsrechte angeführten Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Jugendhilfe noch stärker Geltung verleihen, wenn nicht nur die im Zusammenhang mit UMA erbrachten Leistungen an sich, sondern auch die Berechtigung zum Zugang zu diesen Leistungen einer stärkeren Kontrolle durch das Land unterworfen würde?

2. Ließe sich eine Kontrolle des zweckmäßigen Ablaufs des behördlichen Altersfeststellungsverfahrens, dessen Ergebnis ja letztlich das Entstehen oder Nichtentstehen des Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Land begründet, auch ohne den Aufbau einer Fachaufsicht erreichen?

3. Falls nein zu 2.: Geht die Landesregierung davon aus, dass den Kosten der für den Aufbau einer Fachaufsicht voraussichtlich benötigten sechs Vollzeitstellen keine angemessenen Einsparungen gegenüberstehen würden?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Einleitend weist die Landesregierung darauf hin, dass es sich bei dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs (Nds. AG SGB VIII), auf welchen Bezug genommen wird, um einen Entwurf handelt, der in der vorgelegten Fassung zur Verbandsbeteiligung freigegeben wurde und folglich noch Veränderungen erfahren kann, die gegenwärtig nicht abgeschätzt werden können.

Die örtlichen Träger nehmen die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises durch das Jugendamt nach § 1 Abs. 1 des Nds. AG SGB VIII wahr.

Die in dem Gesetzesentwurf beschriebene Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsrechte der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe bezieht sich auf die Verteilung der unbegleitet ausländischen Minderjährigen (umA). Die durch die Weisungsmöglichkeiten des Landesjugendamtes eintretende Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsrechte der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe ist erforderlich, um eine gleichmäßige, den Interessen und Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entsprechende Verteilung vornehmen zu können und für das Land als Kostenträger eine Transparenz bei den Aufwendungen in diesem Bereich zu erhalten. Die Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Träger wird dabei nicht eingeengt oder beschnitten, es werden vielmehr Abstimmungen zwischen den kommunalen Trägern entbehrlich. Da im Bundesgesetz das Verfahren, nach welchem Verteilschlüssel die umA auf die Kommunen als örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu verteilen sind, nicht geregelt ist, ist aus diesem Grund eine landesrechtliche Konkretisierung erforderlich.

Es ist kein Grund ersichtlich, der dafür spräche, die bewährte einheitliche Zuweisung der Kinder- und Jugendhilfe als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises nunmehr so aufzuspalten, dass künftig umA im übertragenen und Kinder und Jugendliche mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie ausländische Kinder und Jugendliche mit „verfügbaren“ Eltern oder Verwandten im eigenen Wirkungskreis betreut würden. Dies würde vielmehr zu unterschiedlichen Rechtslagen, zu schwierigen Abgrenzungsproblemen führen und letztlich auch diskriminieren, wie in der Vorbemerkung der Abgeordneten bereits zutreffend zitiert.

Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe bilden eine Einheit, was bei einer Regelung im übertragenen Wirkungskreis fraglich wäre. Bisher ist der Landesregierung kein Bundesland bekannt, das die Aufgabe dem übertragenen Wirkungskreis zugeordnet hat oder dieses beabsichtigt.

Zu 1.:

Die Landesregierung versteht die Frage dahingehend, dass nach einer Beteiligung am Altersfeststellungsverfahren sowie nach einer Beteiligung an der Bedarfsermittlung im Einzelfall gefragt wird.

Die Altersfeststellung ist in § 42 f SGB VIII geregelt und durch die Rechtsprechung gefestigt. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe ihrer Aufgabe verantwortungsvoll nachkommen. Das Gleiche gilt für die Ermittlung des individuellen Bedarfs der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen.

Auf die Antwort zur Mündlichen Anfrage Nr. 11 „Wie kann die Landesregierung die Kommunen bei der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern unterstützen?“ sowie zur Kleinen Anfrage „Behördliches Verfahren zur Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern“ (LT-Drs.17/7352) wird insoweit verwiesen.

Zu 2.:

Siehe Antwort zu Frage Nr. 3

Zu 3.:

Die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe prüfen den Jugendhilfebedarf jeder unbegleiteten ausländischen Minderjährigen bzw. jedes unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im Einzelfall. Liegt ein Jugendhilfebedarf vor, wird die jeweils notwendige Hilfe gewährt. Die Kosten, die der örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe hierfür aufwendet, werden vom Land gemäß § 89 ff. SGB VIII erstattet. Der Erstattungsanspruch ist durch den vom Bundesverwaltungsgericht unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben entwickelten sogenannten kostenrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz (zuletzt BVerwG 5 C 30.12 vom 13.06.2013) begrenzt: „Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist. … Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Umfang gering ausfällt …, sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalls möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen.“

Insofern ist der Aufbau einer Fachaufsicht weder erforderlich noch vorgesehen. Darüber, ob gegebenenfalls Einsparungen zu erzielen wären, liegen keine Erkenntnisse vor.

07.04.17

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