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Plenum 1. März - Mündliche Anfragen - Frage 15

Was tut die Landesregierung gegen fehlende Plätze in Frauenhäusern?



Niedersachsens Sozialministerin Dr. Carola Reimann hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Anja Piel, Imke Byl, Meta Janssen-Kucz und Christian Meyer (GRÜNE) geantwortet.

Die Abgeordneten Anja Piel, Imke Byl, Meta Janssen-Kucz und Christian Meyer (GRÜNE) hatten gefragt:

Laut einem Bericht des NDR in „Hallo Niedersachsen“ vom 18. Februar 2018 baten allein im Jahr 2017 2.608 von Gewalt betroffene Frauen in einem der 40 niedersächsischen Frauenhäuser um Hilfe, mussten aber aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden. Dagegen fanden laut den NDR-Recherchen 1.827 Frauen im vergangenen Jahr erfolgreich Zuflucht in einem Frauenhaus. Weiter heißt es, dass es in neun niedersächsischen Landkreisen wie u.a. in Holzminden, Ammerland oder Wesermarsch überhaupt kein Frauenhaus gebe. Das bedeutet, dass Frauen, die hier von Gewalt betroffenen sind, keinen direkten wohnortnahen Zugang zu Hilfe und Unterstützung in einem Frauenhaus haben. Gleichzeitig hat sich auch Deutschland mittlerweile zur sogenannten Istanbul-Konvention bekannt − dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Im Abschlussbericht der Konvention werden Mindeststandards formuliert. Danach „wird eine sichere Unterkunft für Frauen in Frauenhäusern empfohlen, die auf alle Regionen verteilt sind und eine Familie pro 10.000 Einwohner aufnehmen können“. Für Niedersachsen würde das auf landesweit 795 Plätze hinauslaufen, also 400 Plätze mehr als bisher. Gleichzeitig führt laut dem NDR-Bericht der Mangel an günstigem Wohnraum zu einer zunehmenden Überlastung der Frauenhäuser. Frauen, die sich nicht mehr in einer Krisenzeit befinden und eine eigene Wohnung beziehen wollen, könnten aus den Frauenhäusern nicht ausziehen, weil sie keine Wohnung finden.

  1. Wie bewertet die Landesregierung das Rechercheergebnis des NDR, wonach 2.608 von Gewalt betroffene Frauen im Jahr 2017 in Niedersachsen vergeblich um Hilfe baten und aufgrund von Platzmangel von den Frauenhäusern abgewiesen werden mussten?

  2. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung künftig sicherstellen, dass von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder aufgrund von Platzmangel nicht mehr von den Frauenhäusern abgewiesen werden müssen?

  3. Bis wann wird die Landesregierung die Anzahl der Frauenhausplätze auf mindestens 795 erhöhen und damit der Empfehlung des Europaparlamentes folgen und die von Deutschland im Jahr 2017 ratifizierte Istanbuler Konvention umsetzen?

Ministerin Dr. Carola Reimann beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Es ist wichtig, dass jede Frau, die Schutz in einem Frauenhaus sucht, auch einen Platz bekommt. Diese Frauen befinden sich in großer Not, ihnen muss in jedem Fall geholfen werden.

Es kann vorkommen, dass es in einem speziellen Frauenhaus keinen Platz mehr gibt – dann müssen die betroffenen Frauen an eines der Häuser mit freien Kapazitäten vermittelt werden.

Die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern sorgen mit großem Einsatz dafür, dass betroffene Frauen dort einen Platz bekommen, wo es freie Kapazitäten gibt. Vielfach ist es für bedrohte Frauen auch sicherer, nicht das Frauenhaus im selben Ort oder Landkreis aufzusuchen.

Zu 1.:

Derzeit werden vom Land Niedersachsen 41 Frauenhäuser gefördert.

Die geförderten Belegplätze wurden in 2017 landesweit von 352 auf nunmehr 370 ausgeweitet.

Von 2011 bis 2016 wurden die Zuschüsse für die Frauenhäuser bereits um 38 % erhöht.

Die Auslastungszahlen der Frauenhäuser in Niedersachsen sind sehr unterschiedlich − sie liegen zwischen ca. 40% und 100%, der Durchschnitt liegt bei rund 70%.

Grundsätzlich ist es im Rahmen der örtlichen Daseinsvorsorge Aufgabe der Kommunen, eine ausreichende Anzahl von Frauenhaus-Plätzen vorzuhalten.

Dem Land Niedersachsen ist der Gewaltschutz von Frauen aber so wichtig, dass es die Frauenhäuser und die weiteren Angebote zum Gewaltschutz umfangreich fördert und diese Förderung aktuell auch noch stark ausgeweitet hat.

Im Haushalt 2017/2018 hat die Landesregierung zusätzliche 2,75 Mio. Euro für den Gewaltschutz von Frauen veranschlagt; damit stehen in diesem Zeitraum nun 8,65 Mio. Euro pro Jahr bereit.

Auf die Förderung der Frauenhäuser in 2017 entfielen davon rund 4,25 Mio. Euro, d.h. die Förderung wurde nochmals um rund 41% erhöht.

Zur Bewertung siehe im Übrigen die Vorbemerkung.

Zu 2.:

Geprüft wird im Rahmen des barrierefreien Ausbaus der Frauenhäuser die Einrichtung einer barrierefreien Webseite inklusive eines landesweiten Portals, das tagesaktuell den Belegungsstatus und wichtige Informationen zum Angebot der einzelnen Frauenhäuser anzeigt. Diese Vorhaben würden auch die sehr engagierten Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, die Polizei und die Beratungsstelle bei der Unterbringung der betroffenen Frauen entlasten.

Zu 3.:

Mit Ratifizierung des Europaratsübereinkommens zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (sog. „Istanbul-Konvention“) am 12.10.2017 hat sich Deutschland auf all seinen staatlichen Ebenen verpflichtet, das bestehende Hilfesystem bedarfsgerecht zu gestalten und ggf. weiterzuentwickeln.

Im Explanatory Report zur Istanbul-Konvention wird zu Art. 23 zwar auf den Abschlussbericht der Task-Force des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (EG-TFV (2008) 6) Bezug genommen, der einen Frauenhausplatz je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner empfiehlt. Die Anforderung der Konvention ist jedoch: “Die Anzahl der Schutzunterkünfte sollte sich jedoch nach dem tatsächlichen Bestand richten“.

Hieran setzen Bund und Länder gemeinsam an:

In Kooperation mit den Ländern wurde das Bundes-Modellprojekt „Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung zur Weiterentwicklung des Hilfesystems zum Schutz von Frauen vor Gewalt und vor häuslicher Gewalt“entwickelt.

In dem Modellprojekt geht es darum, gemeinsam mit den Ländern Instrumente zu entwickeln und in der Praxis zu erproben, mit denen die Länder ihr Hilfesystem künftig noch besser den Bedarfen der von Gewalt betroffenen Frauen anpassen können. In die Projektplanung sind daher sowohl die Fachkompetenz und die konkreten Bedarfe aus den Bundesländern als auch deren bisherige Erfahrungen und Entwicklungen eingeflossen.

Für die Teilnahme wurden insgesamt fünf Länder ausgewählt: Bremen, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Grundlage sind drei zentrale Leitfragen, die in besonderem Maße das Erkenntnisinteresse der Länder widerspiegeln:

  1. Erhalten alle gewaltbetroffenen Frauen zeitnah Schutz und Hilfe bei Gewalt?

  2. Welche Angebote brauchen Frauen in ihren unterschiedlichen Situationen? Sind die Bedarfe im ländlichen Raum, in Mittelzentren und in der Großstadt unterschiedlich?

  3. Wie kann das Hilfesystem (daran orientiert) passgenau (um)gestaltet werden? Wie können verlässliche Kooperationen mit Einrichtungen des Unterstützungssystems im Sinne einer ineinandergreifenden Versorgungskette geschaffen werden?

Niedersachsen hat den Zuschlag für ein Projekt zur Bedarfsanalyse insbesondere im ländlichen Raum erhalten und erhält aus Bundesmitteln 60.000 Euro vom Bund zur Durchführung dieses Modellprojektes.

In zwei ländlichen Gebieten werden die Frauenhäuser Leer, Aurich, Emden, Emsland sowie in der Grafschaft Bentheim untersucht und analysiert unter der Fragestellung der Bedarfsanalyse im ländlichen Raum. Untersucht werden sollen die folgenden Leitfragen:

  • Welche Angebote brauchen Frauen in ihren unterschiedlichen Situationen?

  • Wie kann das Hilfesystem daran orientiert passgenau (um-)gestaltet werden?

  • Wie können Kooperationen mit Einrichtungen des Unterstützungssystems im Sinne einer ineinandergreifenden Versorgungskette geschaffen werden?

Das Projekt ist in drei Modulen angelegt.

  • Modul 1: Konzeptionierung, Entwicklung und Erstellung eines Fragebogens

  • Modul 2: Durchführung der Befragungen; Kontaktaufnahme zum Oranje Hus, Vor-Ort-Besuch, Erfahrungsaustausch; Auswertung und Präsentation der Projektergebnisse; ggf. Informationsveranstaltungen

  • Modul 3: Aufzeigen von Handlungsoptionen zur Weiterentwicklung, Veränderung

  • und Passgenauigkeit des niedersächsischen Systems zum Schutz von Frauen und Mädchen gegen häusliche Gewalt

Schmuckgrafik (zum Artikel: Pressemitteilungen) Bildrechte: LGLN

Artikel-Informationen

erstellt am:
01.03.2018

Ansprechpartner/in:
Naila Eid

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