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Sozialministerium stellt Ergebnisse der medizinhistorischen Studie zu personellen Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945 vor

Ministerin Carola Reimann: Es ist schockierend, dass Täter aus dem Nationalsozialismus weiter behandeln durften


In Niedersachsen waren nach 1945 Ärztinnen und Ärzte tätig, die im Nationalsozialismus direkt oder indirekt an der Ermordung von Kindern und Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen beteiligt waren. Psychiater wie Willi Baumert, Leiter der zur Ermordung von minderjährigen Patienten bestimmten „Kinderfachabteilung“ in Lüneburg, und Ernst Meumann, Direktor der als Zwischenstation zur „Euthanasie“-Gasmordanstalt Bernburg/Saale dienenden Heil- und Pflegeanstalt Königslutter, konnten nach Kriegsende ihre Karrieren im niedersächsischen Landesdienst fortsetzen. Weitere Täterinnen und Täter der „Euthanasie“-Morde an Erwachsenen und Kindern kamen in den 1950er Jahren an den niedersächsischen Landeskrankenhäusern in leitende Positionen oder konnten relativ ungestört in niedergelassener Praxis arbeiten. Das sind Ergebnisse einer vom Niedersächsischen Sozialministerium in Auftrag gegebenen und heute in Hannover vorgestellten wissenschaftlichen Studie.

„Es ist schockierend, das Täter aus dem Nationalsozialismus nach 1945 weiter Patientinnen und Patienten behandeln durften, als wäre nichts gewesen - hier haben staatliche Organe versagt“, erklärt Sozialministerin Carola Reimann: „Umso wichtiger ist es, dass wir diese Missstände nun aufarbeiten und öffentlich machen ─ verstehen wir es als Mahnung, ein menschenverachtendes Weltbild hat in der Medizin nichts zu suchen!“ Das heute stattfindende Symposium richten das Ministerium von Dr. Carola Reimann und das Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gemeinsam aus. Die medizinhistorische Studie „Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945“ hatte das Ministerium 2016 in Auftrag gegeben. Das Symposium ergänzt die Studie durch weitere Beiträge, die das Thema der strukturellen und personellen Kontinuitäten in Psychiatrie und öffentlichem Gesundheitswesen nach 1945 aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Juristische, professions- und gesundheitspolitische Bedingungen werden erörtert, die zur scheinbar nahtlosen Reintegration von Täterinnen und Tätern nationalsozialistischer Medizinverbrechen in die Gesundheitsversorgung in Niedersachsen und in der Bundesrepublik geführt haben.

Die Studie „Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945“ ist eine von zwei medizinhistorischen Studien, mit denen das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in seinem Verantwortungsbereich stehende Vorgänge der Nachkriegszeit aufarbeiten lässt. Erste Ergebnisse der zweiten Studie „Medikamentenversuche an Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Heimerziehung in Niedersachsen zwischen 1945 und 1976“ werden 2019 erwartet.

Schmuckgrafik (zum Artikel: Pressemitteilungen) Bildrechte: LGLN

Artikel-Informationen

erstellt am:
04.06.2018

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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