Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Niedersachsen klar Logo

Landesbehindertenbeauftragte zum Thema „Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen“

Inklusion beginnt im Kopf!


Behindert oder nicht? Man sieht‘s ja nicht immer!


Häufig verschweigen Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ihre Beeinträchtigung. Die psychische Erkrankung, zum Beispiel Angst mit Panikattacken oder Depressionen, den Krebs, die Herzerkrankung, den Asperger-Autismus, die chronische Aura-Migräne, die Hörbehinderung, die Multiple Sklerose oder ihre Organtransplantation sieht man vielen Menschen zumindest auf den ersten Blick nicht an. „‘Die Behinderung‘ gibt es nicht, genauso wie es nicht ‘die Menschen mit Behinderungen‘ als Gruppe mit gleichen Bedarfen gibt“, betont Petra Wontorra, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen. „Eine differenzierte Betrachtungsweise ist zwingend erforderlich. Jeder Person – unabhängig von einer (nicht) sichtbaren Beeinträchtigung – muss mit Würde und Respekt begegnet werden.“

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, so heißt es in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes. Mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Deutschland mit Artikel 8 verpflichtet, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, zu schärfen, Klischees abzubauen sowie die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu achten und ihre Fähigkeiten zu fördern.

Nur etwa drei Prozent aller Behinderungen sind angeboren oder haben sich im ersten Lebensjahr entwickelt. Rund 97 Prozent der Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben. Manche chronische Erkrankungen oder Behinderungen sind häufig noch Tabuthemen unserer Gesellschaft. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen beispielsweise haben auch heute noch Ängste vor Ausgrenzung, Stigmatisierung und Benachteiligung. Dies verursacht zusätzlich psychischen Stress. „Hier müssen wir enttabuisieren und Aufklärung sowie Bewusstseinsbildung leisten. Wir müssen dahin kommen, dass jeder Mensch offen mit seinen Behinderungen umgehen darf, ohne Ablehnung zu erfahren. Beim „Outen“ darf nicht auf etwaige Defizite geschlossen werden. Manche Menschen haben gerade wegen ihren Beeinträchtigungen und ihren Therapieerfahrungen auch wichtige Ressourcen entwickelt wie Strategien zur Problemlösung und soziale Kompetenzen. Solche Fähigkeiten sind in vielen Berufen wichtige Soft Skills. Menschen mit nicht sichtbaren chronischen Erkrankungen und Behinderungen haben wie alle Menschen mit sichtbaren Behinderungen nicht nur ein Recht auf Nachteilsausgleiche, sondern auch auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und Teilgabe“, so Wontorra.

Verständnisloses Staunen, falsches Mitleid und Ablehnung als Reaktion auf das Bekanntwerden einer chronischen Krankheit oder nicht sichtbaren Behinderung sind die Barrieren, die in unseren Köpfen immer noch überwunden werden müssen. Erst das Selbstbewusstsein, sich zur eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung zu bekennen sowie das Wissen und die Akzeptanz der anderen bewirken meist eine positive Wende in allen Bereichen ihres Lebens. „Wir müssen wegkommen von einem Denken in ‘nicht-behindert‘ und ‘behindert‘ und einem Denken in Schubladen. Die Übergänge zwischen behindert und nicht-behindert sind oft fließend“, führt Wontorra aus.

Verhaltensweisen von Menschen, die im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen stehen, werden oft erst durch eigene Erfahrungen, Erfahrungen im Familien- oder Freundeskreis beziehungsweise durch direkten Kontakt besser verstanden. „Deshalb ist es so wichtig, dass Expertinnen und Experten in eigener Sache – Menschen mit und ohne sichtbare Behinderungen sowie ihre Vertretungen – bei politischen Entscheidungen mitbestimmen und ihre Sichtweisen einfließen lassen. Bei der Umsetzung von Barrierefreiheit müssen alle Beeinträchtigungen mitgedacht werden“, erklärt Wontorra. So brauchen beispielsweise stark sehbeeinträchtige Menschen Kontraste, um sich orientieren zu können. Menschen mit Angststörungen benötigen vielleicht mehr Platz in der Straßenbahn, da sie sich von der Enge – Sitz an Sitz – bedrängt fühlen. Nicht die Menschen müssen sich an die jeweilige Umwelt anpassen, sondern diese muss so ausgestattet werden, dass ALLE Menschen gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Teilhabe verbindet Menschen, in allen Lebensbereichen, ob in der Kindertagesstätte, im Kindergarten, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, im Wohnumfeld, in der Politik oder im Gesundheitswesen.

Petra Wontorra untermauert: „Wenn ALLE Menschen Teilhabe erfahren und sich gegenseitig wertschätzen, kann Inklusion gelebte Wirklichkeit werden. Denn Inklusion beginnt mit den Gedanken im Kopf.“

Schmuckgrafik (zum Artikel: Pressemitteilungen) Bildrechte: LGLN

Artikel-Informationen

erstellt am:
25.01.2019

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln