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Plenum 23. August - Mündliche Anfragen - Frage 39

Wie wird die Landesregierung die Istanbul-Konvention in Niedersachsen umsetzen?


Niedersachsens Sozialministerin Dr. Carola Reimann hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Imke Byl, Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) geantwortet.

Die Abgeordneten Imke Byl, Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) hatten gefragt:

Am 1. Februar 2018 ist die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft getreten, die als internationales Abkommen des Europarates die Unterzeichnerstaaten zu zahlreichen Maßnahmen verpflichtet, um Gewalt gegen Frauen vorzubeugen und Opfer von Gewalt zu schützen. Erstmals gelten damit auch Mindeststandards für den Schutz von Frauen vor Gewalt sowie Empfehlungen, beispielsweise für die Anzahl an Schutzeinrichtungen.

1. Erfüllt Niedersachsen nach Ansicht der Landesregierung die Mindestanforderungen der Istanbul-Konvention an den Schutz von Frauen vor Gewalt?
2. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um die Istanbul-Konvention in Niedersachsen umzusetzen?
3. Für welche weiteren Maßnahmen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention wird die Landesregierung sich auf Bundesebene einsetzen?

Ministerin Dr. Carola Reimann beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung. Die Istanbul-Konvention ̶ das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ̶ erkennt dies an und verankert wichtige Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt. Sie ist am 01.02.2018 in Deutschland in Kraft getreten und steht in einer Reihe mit der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW, der UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-Kinderrechtskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die insgesamt 81 Artikel der Istanbul-Konvention enthalten umfassende Verpflichtungen. Diese betreffen die Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, den Schutz der Opfer und die Bestrafung der Personen, die gewalttätig werden. Zugleich werden die Gleichstellung von Mann und Frau und das Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben gestärkt.
Mit Ratifizierung der Istanbul-Konvention am 12.10.2017 hat sich Deutschland auf all seinen staatlichen Ebenen verpflichtet, das bestehende Hilfesystem bedarfsgerecht zu gestalten und ggf. weiterzuentwickeln.
Ziel muss es sein, die weitere Umsetzung der in der Istanbul-Konvention definierten Rechte und Anforderungen zu begleiten. Dazu müssen alle – zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure, Bund, Länder und Kommunen – zusammenwirken.
Hilfreich wären z.B. die Implementierung einer Koordinierungs- und einer Monitoringstelle für Deutschland auf Bundesebene (Art. 10, 11 SEV 210).
Die Umsetzung der Istanbul-Konvention war unter TOP 4.1 auch Inhalt des diesjährigen GFMK-Leitantrages „Frauen vor Gewalt schützen - Istanbul-Konvention umsetzen - Chancen für Frauen- und Gleichstellungspolitik nutzen!“. Dieser wurde einstimmig beschlossen.

Zu 1.:
Die Istanbul-Konvention legt einen umfassenden Rahmen für den Schutz von Frauen vor Gewalt fest. Hierzu gehören zum einen Beratungs-, Unterstützungs- und Schutzangebote für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder; ebenso bedeutsam sind aber auch die Anforderungen an die Ausgestaltung von Ermittlungs- und Gerichtsverfahren und ein Gefahrenmanagement durch alle einschlägigen Behörden. Für den Bereich der Frauenunterstützungseinrichtungen verfügt Niedersachsen bereits jetzt über ein flächendeckendes, gut funktionierendes Netz an Beratungsstellen, Krisen- und Schutzeinrichtungen für Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt wurden. Derzeit stehen 41 Frauenhäuser, 43 Gewaltberatungsstellen und 29 Beratungs- und Interventionsstellen als Anlaufstellen bei Gewalterfahrung zur Verfügung. Ergänzt wird das Angebot durch flankierende Maßnahmen wie z.B. das Netzwerk ProBeweis und 11 Beratungsstellen für Täterarbeit.
Eine zentrale Anforderung der Istanbul-Konvention in Bezug auf den Schutz von Frauen vor Gewalt ist, die Anzahl der Schutzunterkünfte an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Hier setzen Bund und Länder gemeinsam an: In Kooperation mit den Ländern wurde das Bundes-Modellprojekt „Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung zur Weiterentwicklung des Hilfesystems zum Schutz von Frauen vor Gewalt und vor häuslicher Gewalt“ entwickelt. In dem Modellprojekt sollen gemeinsam mit den Ländern Instrumente entwickelt und in der Praxis erprobt werden, mit denen die Länder ihr Hilfesystem künftig noch besser den Bedarfen der von Gewalt betroffenen Frauen anpassen können. Für die Teilnahme wurden Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ausgewählt. Grundlage sind drei zentrale Leitfragen, die in besonderem Maße das Erkenntnisinteresse der Länder widerspiegeln: 1. Erhalten alle gewaltbetroffenen Frauen zeitnah Schutz und Hilfe bei Gewalt? 2. Welche Angebote brauchen Frauen in ihren unterschiedlichen Situationen? Sind die Bedarfe im ländlichen Raum, in Mittelzentren und in der Großstadt unterschiedlich? 3. Wie kann das Hilfesystem (daran orientiert) passgenau (um)gestaltet werden? Wie können verlässliche Kooperationen mit Einrichtungen des Unterstützungssystems im Sinne einer ineinandergreifenden Versorgungskette geschaffen werden? Niedersachsen hat den Zuschlag für ein Projekt zur Bedarfsanalyse insbesondere im ländlichen Raum erhalten. Untersucht werden die Leitfragen 2 und 3. Die Laufzeit des Projektes endet am 30.06.2019.
Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene besteht die Verpflichtung der Einrichtung einer zentralen Fachstelle „Koordination häusliche Gewalt“. Diese ist in Niedersachsen mit der Koordinierungsstelle häusliche Gewalt beim Landespräventionsrat bereits vorhanden, wobei die Aufgabenbearbeitung im Rahmen der weiteren Umsetzung der Konvention dem Umfang nach überprüft werden muss.

Zu 2.:
Über die o.a. Maßnahmen hinaus befinden sich in Niedersachsen aktuell folgende konkrete Maßnahmen in Planung bzw. Umsetzung: Zum Barriere reduzierenden Aus- und Umbau der Frauenhäuser wurden über den Nachtragshaushalt eine Million Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Frauenhäuser für Frauen mit Behinderungen zu verbessern. Als Fördergrundlage wurden Fördereckpunkte erstellt, die am 20.06.2018 an alle Frauenhäuser mit der Möglichkeit zur Antragstellung bis 01.08.2018 übersandt worden sind. Die Antragsprüfung beim LS läuft derzeit. Darüber hinaus sind eine Webseite des Landes Niedersachsen, die alle Angebote des Gewaltschutzsystems in einfacher Sprache beinhaltet sowie eine tagesaktuelle Belegungskarte der Plätze in Vorbereitung.

Zu 3.:
Im Rahmen der Umsetzung des Koalitionsvertrages der Großen Koalition auf Bundesebene wird das BMFSFJ einen Runden Tisch gemeinsam mit Kommunen, Ländern, NGOs implementieren; begleitend dazu wird das Bundesinvestitions- und Innovationsprogramm sowie eine Öffentlichkeitskampagne zu „Gewalt gegen Frauen“ aufgelegt. Unter TOP 4.4. hat die diesjährige GFMK im Juni 2018 mit Bezug auf den Koalitionsvertrag und auf die in Kraft getretene Istanbul-Konvention den Beschluss gefasst, der die schnelle Einberufung des Runden Tisches fordert. Aufgaben des Runden Tisches sollen sein:

  • Analyse des zentralen Handlungsbedarfs,
  • Erarbeitung einer Gesamtstrategie gegen häusliche und sexuelle Gewalt,
  • die Prüfung der Etablierung eines Rechtsanspruchs auf Hilfen bei häuslicher Gewalt.

Niedersachsen wird sich an diesem Runden Tisch auf Einladung des Bundes aktiv beteiligen. Die konstituierende Sitzung findet unter Beteiligung von Frau Ministerin Dr. Reimann am 18.09.2018 statt. Außerdem entsendet das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung eine Vertreterin für die GFMK in die Bund-Länder-AG Häusliche Gewalt zur inhaltlichen und strukturellen Gestaltung des Monitoring-Prozesses zur Istanbul-Konvention.

Schmuckgrafik (zum Artikel: Pressemitteilungen) Bildrechte: LGLN

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.08.2018

Ansprechpartner/in:
Naila Eid

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